piwik no script img

Büchnerpreis für Elke ErbDa öffnet sich was

Kommentar von Dirk Knipphals

Elke Erb, die stets auf dem Eigensinn der Lyrik beharrte, bekommt den Büchnerpreis. Damit wird die Vielfalt der deutschsprachigen Literatur gewürdigt.

Beharrt stets auf den Eigensinn des Literarischen: Preisträgerin Elke Erb Foto: gezett/imago

E in Schatz ist die deutschsprachige Literatur. Ein Reservoir an Schreibweisen und Denkmöglichkeiten, an Haltungen zu Sprache und Gesellschaft. Viel gibt es da zu entdecken. Zum Beispiel die Autorin Elke Erb, die ein Leben lang in beiden deutschen Staaten die Sprache auf ihre Funktionen abgeklopft hat und jetzt zu Recht den wichtigen Büchnerpreis bekommen wird.

Aber, Elke Erb? Man kann dieser Autorin viel Gutes nachsagen, aber nicht, dass sie zuletzt breitenwirksame Debatten losgetreten hätte. Doch man sollte die Relevanz von Literatur nicht an ihrer Debattenlautstärke messen. Das, was Elke Erb schreibt, verhält sich zur öffentlichen Debatte in etwa so wie die Grundlagenforschung zur Breitenanwendung.

Bevor die Menschheit Supercomputer erfand, musste sie auch erst einmal quantenmechanische Fragestellungen klären. Elke Erb hat stets auf dem Eigensinn des Literarischen beharrt und damit Generationen von Lyriker*innen beeinflusst. Gerade in der jungen Lyrikszene genießt sie einen beinharten Ruf (um nicht den etwas doofen „Kultstatus“ zu bemühen).

Ein seltsames Jahr 2020

Längst muss man nicht mehr bedauern, dass es öffentliche Literaturschwergewichte wie Günter Grass oder Christa Wolf zur Zeit nicht gibt. Man bekommt die Bedeutsamkeit der Literatur nur nicht mehr in stellvertretenden Ringkämpfen von Geist und Macht wie in der alten Bundesrepublik und der DDR frei Haus geliefert.

Dafür bekommt man anderes. In diesem seltsamen Jahr 2020 hat Lutz Seiler für seinen Wenderoman „Stern 111“ den Leipziger Buchpreis erhalten. Die Eröffnungsrede beim Bachmannpreis hielt die Schwarze Autorin Sharon Dodua Otoo. Den Bachmannpreis bekam die zuletzt vergessene Helga Schubert. Und im Oktober wird also Elke Erb der Büchnerpreis feierlich überreicht werden, wenn auch womöglich nur im Livestream. Es öffnet sich derzeit etwas im Literaturbetrieb.

Das könnte man nun an der Aufmerksamkeit für deutsch-deutsche Themen festmachen, an der Repräsentanz afrodeutscher Schreibweisen oder auch am Verhältnis von Männern und Frauen – der beim Büchnerpreis nun noch immer beim Missverhältnis von 58 Preisträgern und 11 Preisträgerinnen seit 1951 steht. Aber fast noch wichtiger ist die inzwischen offenbar vorhandene Sensibilität dafür, dass viele unterschiedliche Schreibweisen nötig sind, um eine interessante Literatur zu haben. Die Zeiten, in denen man literarischen Eigensinn und Massentauglichkeit, experimentelle Schreibweise und Themenvermittlung gegeneinander ausspielen kann, sind vorbei.

Was es nun noch braucht, ist die Neugier der Leserinnen und Leser.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    .... "Ich habe den Verhältnissen gekündigt, / sie waren falsch"



    .. "Ich lag und sann, da kamen Kram-Gedanken" ..



    "Natürlich ist es recht, den Kram im Kopf zu haben. / So hältst die Sterne du in ihren Bahnen. / Statt aus der Welt heraus zu existieren/ und fremd zu sein wie dir mehr als den Tieren. / Laß deinen Kram wie Himmelskörper strahlen und denke dir zum Abschluß Brombeerranken." .....

    Man bin ich froh, das es Menschen wie Elke Erb gibt.

    Dichter im Porträt: Elke Erb



    www.youtube.com/watch?v=SKMhSqFQLtM

    Solche Porträs tun richtig gut.

    Dichter im Porträt: Elke Erb

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Danke. Feiner link. (…mir würden die Instrumente fehlen - aber sonst - grins;)



      & wg Quanten schon mal - Freude hin, Freude her - geordert.

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Sach mal so;-)

        diese ganzen Wut, Kotzbegriffe für mich wie Stylisch, Shopping, ach da waren wir auch schon, unsere Sressless Sessel usw. spielen in dieser wunderbaren Welt der Lyrik und des Schreibens verdampfungsmäßig, nada, keine Rolle.



        Wenn du Elke Erb in die Augen, ins Gesicht schaust, da ist soviel Wärme, Humor, Lebenserfahrung,... dieser Hocker ist ein Teil von mir.. Ein Traum!



        So!



        Wenn man jetzt noch Musik(Instrument..) und Lyrik v.Elke Erb verbinden würde, noch mehr Traum.

        • @05158 (Profil gelöscht):

          Däh&ZischMailtütenfrisch denklichnach

          “ Zimmermann! (Du Ei!) -

          RINGELNATZ1 (über Elke Erb): " Wenn du Elke Erb in die Augen, ins Gesicht schaust, da ist soviel Wärme, Humor, Lebenserfahrung,... " Anschließe mich. So habe ich mir immer eine Deutschlehrerin gewünscht.“

          Dito. Meine Frau Viereck hatte es gern mit der Fünf - über Eck zu Hagelstange.



          (pssst - tazelwurm.de/2012/07/ ;)



          Voll die Birken im Wind;)

          • 0G
            05158 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Genau den selben Gedanken in Richtung DL'in hatte ich beim Schauen auch!



            “ Zimmermann! (Du Ei!)"



            Verdammt, das habe ich doch schon mal gehört.



            Mein Vater und ich waren keine Anhänger von Tätä,Tätä, Tätä aber



            www.youtube.com/watch?v=DvIxmqYtOdo ging immer.



            Damals ,die Aktionen mit der Antenne. Ein....!



            Ich habe meinen mich warnenden Browser ausgetrickst und im tazelwurm die Kategorie Erbrochenes;-) entdeckt.Schon swingt es heiter weiter.

            • @05158 (Profil gelöscht):

              Hm. Viel Spaß bei weiterer Trüffelsuche:



              Immer der Nase nach. - 😎 -

        • @05158 (Profil gelöscht):

          entre nous only - weiterträumen - ;)

          Für sojet Sujets kannste mich buchen.



          Hier wärs aufgrund der ausgebufften Komprimierung eine besonders feine Herausforderung - Why not.

          • 0G
            05158 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Das ist wirklich nur noch für die alten Säcke(unbekannt) aber zeitlos:

            Richard Leisings „Homo Sapiens“ mit den unsterblichen Zeilen: „Zu einem richtigen Arbeiterstaat / gehört ein richtiger Kartoffelsalat.“ Schließlich setzt Elke Erb 1982 mit einer Verhaftung nach dem Ausruf „Hühnerei!“ noch einen drauf: „Daß sie kein selbständiges Ei, / Kein ständiges Ei / Kein Ei, // Selbst kein Ei mehr dulden können, / Es ist eine Katastrophe / Schuld sind die.“

  • Interessiert gelesen. Danke.

    unterm—— mal aber beinhart Wernersen:



    “…öffentliche Literaturschwergewichte wie Günter Grass oder Christa Wolf nicht mehr gibt…“ Ach was! “…bald GraSS ich am Necktar …bald …“ Is Ihrs? Da schau her.



    & sodele - Harry Rowohlt - um unsern Butt & uns Buttjer - aufn • zu bringen:



    Bitte Harry - ehem - “Biste mal krank - nix zu Lesen im Haus.



    Gabriele Wohmann liegt zentnerschwer im Regal!…“ (o.s.ä.) - 👹 -

    Anyway. Helzrichen Gwücklunsch - geht an Elke Erb. - 💐-



    (Muß ich mal bei - Quantenmechanik;)) Newahr.



    Normal