Budgetstreit in der Regierung: Haushaltsmeister gesucht
Die Ampelkoalition kann ihren Finanzplan für 2024 nicht wie geplant beschließen. Die Regierung muss Eingeständnisse machen, doch ist sie dazu bereit?
„Die Beschlussfassung des Haushalts 2024 im Bundestag wird nicht, wie bisher geplant, in der kommenden Sitzungswoche stattfinden“, erklärten die Fraktionsvorsitzenden der Regierungskoalition, Christian Dürr (FDP), Katharina Dröge, Britta Hasselmann (beide Grüne) und Rolf Mützenich (SPD) in einem gemeinsamen Statement. Ihr Ziel sei es, „den Haushalt zügig, aber mit der gebotenen Sorgfalt zu beraten, um Planungssicherheit zu schaffen“.
Damit erklärten die Fraktionen Äußerungen des Bundeskanzlers von vergangener Woche als nichtig. Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt noch an den Haushaltsberatungen für das kommende Jahr festgehalten. „Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen, […] der Haushalt soll planungsgemäß zur Abstimmung gestellt werden“, hatte er am vergangenen Mittwoch im Bundeskanzleramt gesagt.
Nun will die Regierungskoalition für klare Verhältnisse in ihrer Finanzplanung sorgen. Am Montagabend hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Sperre für den gesamten Bundeshaushalt verhängt. Damit können die Ministerien keine weiteren Finanzzusagen aus dem laufenden Haushalt tätigen. Von diesem Stopp für geplante Ausgaben ist auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds betroffen, aus dem bei einem Anstieg der Rohstoffpreise Geld in die Gaspreisbremse fließen würde.
Marcel Fratzscher, DIW
Priorisierung der Ausgaben gefordert
Damit das Millardenloch im Klima- und Transformationsfonds nicht mit Mitteln aus dem regulären Haushalt gestopft werden muss, könnte die Regierung versuchen, rückwirkend die Schuldenbremse mit einem Nachtragshaushalt außer Kraft zu setzen. Die Ampel könnte versuchen, dies mit einer Notlage im Zuge des Kriegs in der Ukraine zu begründen. Auch unabhängige Finanzexperten sahen das bei einer Anhörung zur Haushaltsplanung am Dienstag im Bundestag als möglichen Weg.
„Einen Schönheitspreis würde das aber nicht verdienen“, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung der taz. Die Ausnahmeregelung müsse eigentlich am Anfang des Jahres beschlossen werden. „Das hat die Ampel nicht getan.“ Ähnlich wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte Jung von der Bundesregierung eine Priorisierung in ihrer Ausgabenliste. Jung sagte, „es dürften nicht willkürlich Schuldenberge aufgetürmt werden“. Merz hatte am Dienstagabend bei „Maischberger“ in der ARD gefordert, dass bei der Kindergrundsicherung, beim Bürgergeld und beim Heizungsgesetz gespart werden solle. „Es geht eben nicht mehr alles.“
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stellt der Regierung angesichts ihrer Haushaltslage ein schlechtes Zeugnis aus. „Die Ampelparteien sind zu zerstritten und halten an ihren Dogmen fest“, kritisierte Marcel Fratzscher gegenüber der taz. Ein Regierungssprecher sagte dagegen in Berlin, die Bundesregierung werde die Herausforderungen bestehen, die Ampel wackele nicht.
Bis Ende des Jahres hat die Regierung Zeit für die Aufstellung eines verfassungsgemäßen Haushalts. Die Verhandlungen über das Aussetzen der Schuldenbremse in der Koalition sprechen für einen langen Weg, der in kürzester Zeit zurückgelegt werden muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau