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Budgetstreit in der RegierungHaushaltsmeister gesucht

Die Ampelkoalition kann ihren Finanzplan für 2024 nicht wie geplant beschließen. Die Regierung muss Eingeständnisse machen, doch ist sie dazu bereit?

Auch Wirtschaftsminister Habeck kann's nicht richten Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin taz | Der Problemberg für die Bundesregierung wächst derzeit so schnell, wie sich ihr Handlungsspielraum einengt. Die Ampelkoalition setzte am Mittwoch die für kommende Woche geplante Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2024 aus. Streit gab es aber auch über das laufende Budgetjahr: Innerhalb der Koalition wurde um eine Aussetzung der Schuldenbremse für 2023 gerungen. Sogar in der Union wurde dies als möglicher Ausweg für die Regierung gesehen, der wegen der verfassungswidrigen Aufstellung des Klima- und Transformationsfonds weiterhin 60 Milliarden Euro im Budgetplan fehlen.

„Die Beschlussfassung des Haushalts 2024 im Bundestag wird nicht, wie bisher geplant, in der kommenden Sitzungswoche stattfinden“, erklärten die Fraktionsvorsitzenden der Regierungskoalition, Christian Dürr (FDP), Katharina Dröge, Britta Hasselmann (beide Grüne) und Rolf Mützenich (SPD) in einem gemeinsamen Statement. Ihr Ziel sei es, „den Haushalt zügig, aber mit der gebotenen Sorgfalt zu beraten, um Planungssicherheit zu schaffen“.

Damit erklärten die Fraktionen Äußerungen des Bundeskanzlers von vergangener Woche als nichtig. Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt noch an den Haushaltsberatungen für das kommende Jahr festgehalten. „Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen, […] der Haushalt soll planungsgemäß zur Abstimmung gestellt werden“, hatte er am vergangenen Mittwoch im Bundeskanzleramt gesagt.

Nun will die Regierungskoalition für klare Verhältnisse in ihrer Finanzplanung sorgen. Am Montagabend hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Sperre für den gesamten Bundeshaushalt verhängt. Damit können die Ministerien keine weiteren Finanzzusagen aus dem laufenden Haushalt tätigen. Von diesem Stopp für geplante Ausgaben ist auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds betroffen, aus dem bei einem Anstieg der Rohstoffpreise Geld in die Gaspreisbremse fließen würde.

Die Ampel ist zu zerstritten und hält an Dogmen fest

Marcel Fratzscher, DIW

Priorisierung der Ausgaben gefordert

Damit das Millardenloch im Klima- und Transformationsfonds nicht mit Mitteln aus dem regulären Haushalt gestopft werden muss, könnte die Regierung versuchen, rückwirkend die Schuldenbremse mit einem Nachtragshaushalt außer Kraft zu setzen. Die Ampel könnte versuchen, dies mit einer Notlage im Zuge des Kriegs in der Ukraine zu begründen. Auch unabhängige Finanzexperten sahen das bei einer Anhörung zur Haushaltsplanung am Dienstag im Bundestag als möglichen Weg.

„Einen Schönheitspreis würde das aber nicht verdienen“, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung der taz. Die Ausnahmeregelung müsse eigentlich am Anfang des Jahres beschlossen werden. „Das hat die Ampel nicht getan.“ Ähnlich wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte Jung von der Bundesregierung eine Priorisierung in ihrer Ausgabenliste. Jung sagte, „es dürften nicht willkürlich Schuldenberge aufgetürmt werden“. Merz hatte am Dienstagabend bei „Maischberger“ in der ARD gefordert, dass bei der Kindergrundsicherung, beim Bürgergeld und beim Heizungsgesetz gespart werden solle. „Es geht eben nicht mehr alles.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stellt der Regierung angesichts ihrer Haushaltslage ein schlechtes Zeugnis aus. „Die Ampelparteien sind zu zerstritten und halten an ihren Dogmen fest“, kritisierte Marcel Fratzscher gegenüber der taz. Ein Regierungssprecher sagte dagegen in Berlin, die Bundesregierung werde die Herausforderungen bestehen, die Ampel wackele nicht.

Bis Ende des Jahres hat die Regierung Zeit für die Aufstellung eines verfassungsgemäßen Haushalts. Die Verhandlungen über das Aussetzen der Schuldenbremse in der Koalition sprechen für einen langen Weg, der in kürzester Zeit zurückgelegt werden muss.

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14 Kommentare

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  • "nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber"....

    Dieses Zitat zeigt zwar keinen direkten Weg aus dem aktuellen Dilemma, weist aber auf die Wurzeln allen Übels hin.

    Fakt ist, die Parteien die mit viel "TamTam" diese Ampel-Regierung zusammengeschustert haben, wurden so von Teilen der Bevölkerung demokratisch gewählt.

    Alle drei Parteien - allen voran die SPD -grenzten sich vor den Wahlen klar gegen die Linke ab.







    Die landete (z. T. selbstverschuldet) dann auch nur mit ach und krach im Bundestag.



    Das obwohl sie die einzigen waren, die die Verteilungsungerechtigkeit als eines der Grundübel ernsthaft thematisiert hatten.

    Während Teile der SPD immer wieder mal nach allerkleinsten Stellschrauben suchen um leichte Korrekturen vornehmen zu können, vergessen Grüne bei Planungen zur Energiewende schon mal die sozialen Auswirkungen ... um dann nachträglich das ganze halbherzig zu reparieren.

    Von der FDP würde ohnehin niemand erwarten, dass sie die Interessen der nicht wohlhabenden Bevölkerungsmehrheit vertreten.



    Von den Rechtskonservativen die nicht mitregieren ganz zu schweigen.

    Wenn jetzt alle aus den Wolken fallen, weil angeblich 60 Milliarden Euro "fehlen" beruht das m. E. auf einem Irrtum.

    Es gibt in unserem "reichen Land" nicht zuwenig Geld - es ist nur falsch verteilt.



    Die Schlagworte von der" Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter auseinander klafft" - oder von der "Umverteilung von unten nach oben" kann ich schon nicht mehr hören. Seit ich denken kann, tauchen die immer wieder mal in den Medien auf ....

    Dem folgt regelmäßig, dass sich Politiker*innen und Journalist*innen und Leser*innen in Kommentarspalten den Kopf darüber zerbrechen, wo man vielleicht ein paar Prozentpunkte verschieben könnte um wenigstens den Eindruck von Ausgewogenheit zu erwecken.

    Wenn die Weichen am Wahltag falsch gestellt werden, bleibt der Zug auf dem falschen Gleis - vielleicht wird die Linke als Korrektiv beim nächsten mal stärker.

    Sonst: siehe oben

  • "Damit das Millardenloch im Klima- und Transformationsfonds nicht mit Mitteln aus dem regulären Haushalt gestopft werden muss, könnte die Regierung versuchen, rückwirkend die Schuldenbremse mit einem Nachtragshaushalt außer Kraft zu setzen."

    --> Und wieder mit Anlauf gegen die verfassungsrechtliche Wand laufen?

    Das Verfassungsgericht hatte eindeutig geurteilt, dass eine rückwirkende Anpassung eines Haushalts in Form eben eines solchen Nachtragshaushalts (auch) verfassungswidrig ist. In Randnummer 220 des Urteils nimmt das Verfassungsgericht hierzu Stellung und verbietet einen rückwirkenden Nachtragshaushalt ausdrücklich:

    "Haushaltsgesetze und die dazugehörigen Haushaltspläne sollen die staatliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft für das jeweilige Haushaltsjahr steuern. Nach dessen Ablauf ist eine Steuerung grundsätzlich aber nicht mehr möglich, denn „Ausgaben können rückwirkend nicht mehr getätigt und Verpflichtungen rückwirkend nicht mehr eingegangen werden“ (vgl. Gröpl, ZG 2022, S. 141 ). "

    Die einzige Möglichkeit eines Auswegs wäre - vielleicht - ein Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 bis zum Ende des Haushaltsjahren (31.12.?). Das ist aber ein sportlicher Zeitplan, da (scheinbar) in den Ministerien noch niemand angefangen hat an einem solchen Plan zu arbeiten (Plan B - anyone?).

  • In Deutschland gibt es immer noch klimaschädliche Subventionen in Höhe von 65 Mrd. pro Jahr.

    Hat das Umweltbundesamt vor 2 Jahren ausgerechnet. Hier ist eine handliche Tabelle - alleine der Flugverkehr wird immer noch mit mehr als 12 Mrd. pro Jahr gefördert:

    www.umweltbundesam...liche-subventionen

    • @Hanno Homie:

      Nicht jede Subvention kann beendet werden. Die Flugsubvention unterliegt zum Beispiel EU und auch anderer Internationaler Abkommen.



      Da kann die Regierung nicht ran gehen.

  • Es ist einfach so, dass die Ampel die Quittung für ihre windige Finanzpolitik bekommen hat.



    Sie kann versuchen, den Notstand auszurufen. Viel Erfolg dabei. Es ist der Notstand, den sie selbst verursacht hat.

  • „Merz hatte am Dienstagabend bei „Maischberger“ in der ARD gefordert, dass bei der Kindergrundsicherung, beim Bürgergeld und beim Heizungsgesetz gespart werden solle. „Es geht eben nicht mehr alles.“

    Wenn das erhöhte Bürgergeld zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig ist, dann erübrigt sich eine Forderung von generellen Kürzungen in diesem Bereich.



    Sofern die Kindergrundsicherung lediglich die Zusammenführung bestehender Ansprüche zur Antragsvereinfachung bündelt, dann fordert Herr Merz, dass bisherige Ansprüche weiterhin aus Unwissenheit/Überforderung einfach nicht geltend gemacht werden sollen so unter dem Motto „Bisher sind die Kinder ja auch nicht verhungert.“

    Ja, es geht nicht mehr alles. Aber wenn ein „mittelständischer“ Millionär Einsparungen bei Menschen mit keinem oder geringem Einkommen und Vermögen fordert, weil nicht mehr alles geht, dann sollte er fairerweise auch Einsparungen am entgegengesetzten Ende fordern.

  • Ein Armutszeugnis für diese Ampel

    Es war klar, dass auch ein "Nein" vom Bundesverfassungsgericht möglich sein könnte.



    Trotzdem hat man keinen Plan B vorbereitet und einfach nur gehofft, dass kein "Nein" kommt.



    Nun kam das "Nein" und diese Koalition rennt wie aufgescheuchte Hühner durch die Gegend und weiß nicht mehr weiter.



    Das ist in höchstem Maße unprofessionell und inkompetent und kann sowohl den sozialen Frieden und den Wohlstand gefährden. Alle 3 Ampel-Parteien haben kläglich versagt.

    Dieser Regierung traue ich nichts mehr zu. Löst sie auf und macht Neuwahlen.

  • Hier eine etwas sarkastischere Einschätzung: www.n-tv.de/mediat...ticle24547925.html

    Was bei dem Ganzen untergeht, sind die Hinterzimmergespräche zwischen Union und AfD, mit denen die Klage initiiert wurde, und die weiterhin stattfinden, um die nächste Klage (gegen den Wirtschaftsstabilisierungsfonds) vorzubereiten.

    Wir haben eine de-facto-Koalition zwischen Union und AfD, und die Presse tut so, als wäre da nix. Der Unterschied zu "Weimarer Verhältnissen" - hilflos dahinstümpernde Demokraten und eine auf maximalen Krawall gebürstete Allianz zwischen Rechtsreaktionären und Faschisten - ist nur noch, dass damals mehr Lametta war: auch 1929 konnte sich niemand vorstellen, in welchem katastrophalen Zustand Deutschland keine 5 Jahre später sein würde.

    • @Ajuga:

      Haben Sie Links oder Nachweise für Ihre Aussage, dass die Union mit der AfD m Hntergrund Gespräche geführt hat und weiterhin führt? Ich habe dazu leider nichts gefunden.



      Herzlichen Dank im Voraus.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Damit das Millardenloch im Klima- und Transformationsfonds nicht mit Mitteln aus dem regulären Haushalt gestopft werden muss,.....""



    ==



    Ist unmöglich - wie sollte das funktionieren?

    Die Haushaltsposten für die Ministerien sind ausdiskutiert und völlig in Ordnung - genauso wie alle anderen Posten. Das ist eine Aussage des Deutschen Instituts für Wirtschaft (Fratscher bei Maischberger) - man kann je nach Nutzung einer politischen Lesebrille die eine oder andere Summe heraus lösen - aber das sind Peanuts im Vergleich zum Finanzbedarf des Klimatransformationsfond (60 Milliarden). Sollte die Sperre des WSF sich als sachlich richtig erweisen kämen noch einmal das 4 - fache an Defizitsumme dazu.

    Darüber hinaus gibt es keinen Zweifel - selbst bei der CDU nicht -- und bei den Wirtschaftsweisen auch nicht, das die Subventionen zur Klimatransformastion



    zeitnah fliessen müssen weil sonst ein immenser wirtschaftlicher Schaden auf Jahre hinaus entsteht.

    Selbst Friedrich Merz mit seinem politisch motivierten Vorschlägen als Oppositionsführer 3 Posten im Bereich Soziales & Klimaumbau/Heizung zu streichen würde 10 Milliarden bringen und nicht im Mindesten ein gefährlich andauendes nachhaltiges Straucheln der Wirtschaft verhindern. Über Riesenprobleme in den Ländern - siehe Schleswig - Holstein, Bremen, Sachsen, NWR und Sachsen-Anhalt wurde noch nicht einmal berichtet - geschweige denn Defizit - Summen in den Ländern zusammen gestellt.

    Trotzdem es momentan noch keiner sehen möchte steht Merz gewaltig unter Druck:



    Die CDU hat 16 Jahre Tiefschlaf zu verantworten und das die Wirtschaft lahmt war schon 2018 deutlich sicht- und spürbar - aber weniger als nichts - noch nicht einmal Zukunftsplannung hat die CDU unternommen.

    Würde sich Merz hinsichtlich der Schuldenbremse nicht bewegen wollen würde er, falls er mal Wahlen gewinnen sollte, das Land durch eine tiefe Rezession als Totengräber der Nation steuern. Will er das?

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Es gibt eben immer Leute, die , wie unser BK Scholz, immer schon vorher alles gewußt haben, so wie der Forist Coieander23 2018 die lahmende Konjunktur bei einem BIP von rd 2 % Wachstum, das von den meisten Ökonomen (ohne die Gabe des Baugefühls) noch als Boom bezeichnet wurde.

  • ..oder sich einfach mal ehrlich machen..die Realität der angelaufenen Klimakatastrophe als solche anerkennen und das tun, was Klima Aktivisten schon lange fordern..nämlich:

    den Klimanotstand ausrufen..

    • @Wunderwelt:

      Die dafür notwendige 2/3-Mehrheit wird es nicht geben. Und hat auch mit einer normalen Notstandsgesetzgebung nichts zu tun, da weder juristisch verbindlich noch ein normativer Begriff.

    • @Wunderwelt:

      Ein Klimanotstand erfüllt nicht die Bedingungen der Schuldenbremse die eine Ausnahme ermöglichen.