piwik no script img

Buchbranche unter CoronaDie Unabhängigen leiden

Während die großen Versandhändler von der Krise profitieren, geht es kleinen Buchhandlungen zunehmend schlechter. Ein Verleger berichtet.

Trotz Coronakrise: Gelesen wird immer Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

In der Coronakrise machen alle Verluste? Nein, ein paar profitieren davon. Und damit sind nicht nur die Nudelhersteller gemeint. Vor allem jene Onlineversender, die schon in den letzten Jahren massiv gewachsen sind, profitieren von der Krise.

Verweilen wir zunächst bei denen, die gerade Verluste machen. Vor allem leiden im Moment selbstständige Künstler:innen, Autor:innen und Wissenschaftler:innen, denn Veranstaltungen werden – oft ersatzterminlos – gestrichen, Honorare für Ausstellungen und Auftritte fallen weg. Das bedroht sie, die eh schon prekär leben.

Daher ist schön, dass Medienhäuser überlegen, die frei werdenden Plätze für Theater-. Ausstellungs- oder Sportberichterstattung jenen Künsten zu widmen, die im Medium stattfinden können – Lyriker:innen könnten Gedichte veröffentlichen, Wissenschaftler:innen ihre Vorträge, Maler:innen ihre Bilder, im Fernsehen könnten Bands auftreten. Und das gegen Honorar, wenn es geht. Denn es braucht in den Zeiten der Selbstisolation nicht nur Corona-Livestream, sondern auch anderes für den Kopf.

Zudem ist es so, wie Jutta Leimbert von der Wiesbadener Buchhandlung Vaternahm in der 3Sat- „Kulturzeit“ feststellte: Die Ausrede, man wolle ja eigentlich lesen (oder vorlesen), habe jedoch keine Zeit dafür, gilt für viele Menschen nicht mehr. Auf Berufs- und Freizeitstress können sich diese nun nicht mehr herausreden. Auf befürchteten Geldmangel schon. Auch daher leiden die Buchhandlungen unter zurückgehenden Bestellungen, gerade die unabhängigen Buchhandlungen, sie müssen außerdem in den meisten Bundesländern geschlossen bleiben.

Buchhandlungen legen die Bücher vor die Tür

Trotzdem suchen die Betreiber:innen nach kreativen Lösungen, ob in Ulm, Kassel oder Berlin – viele liefern über Post und mithilfe von Kurierdiensten aus, einige bringen die bestellten Bücher sogar persönlich vorbei und legen sie vor der Tür ab. Verlage haben angekündigt, die Buchhandlungen entlasten zu wollen, indem sie längere Zahlungsziele einführen.

Doch auch Verlage leiden unter zurückgehenden Bestellzahlen – und auch hier sind es die unabhängigen, deren Reserven schnell erschöpft sein werden.

Alle Buchhandelsideen und Alternativveröffentlichungen werden den besonders Betroffenen kaum helfen. Staatliche Hilfen sind gefragt. Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat auch umfassende Hilfen angekündigt, die Kulturministerien der Länder tun dies ebenfalls. Angekündigte Steuerentlastungen (auf welches Gehalt?) und billige Kredite (bei eh zumeist schon verschuldeten Menschen und Unternehmen?) helfen allerdings kaum. Nun ist strukturelle Förderung gefragt.

Aber was ist denn nun mit den Online-Versendern? Sind sie es nicht, die mit ihrer Marktmacht die Sache noch am Laufen halten und etwa Bücher oder Platten unter die Leute bringen, und so zwar nicht den Buchhandlungen und Plattenläden helfen, aber den Künstler:innen sowie Labels und Verlagen?

Guter Witz. Amazon hat in einem Rundbrief am Mittwoch vielen Lieferanten aus der Buchbranche mitgeteilt, dass das Unternehmen den Nachbezug von Büchern bis Anfang April weitgehend aussetzen wolle, da es „vorübergehend Haushaltswaren, Sanitätsartikel und andere Produkte mit hoher Nachfrage“ priorisiere. Wer hier Kund:innenfreundlichkeit vermutet, verkennt den Charakter des Unternehmens.

Amazon stellt 100.000 Menschen ein

Bereits am Dienstag ließ Amazon mitteilen, dass man in den USA 100.000 Menschen mehr einstellen wolle, in Deutschland (oder in für Deutschland mitzuständigen polnischen Filialen) wird ebenfalls nach neuen Arbeitskräften gesucht. Angesichts der Tatsache, dass Autobauer wegen Corona ihre Tore schließen, muss man sich fragen, ob die Zalandos, DocMorris’ und Amazons eigentlich an ihre Mitarbeiter:innen denken.

Die zunehmende Verödung der Innenstädte jedenfalls ist auch den riesigen Onlineversendern zu verdanken. Doch niemand will nach der Corona-Entwarnung leere Innenstädte sehen. Also braucht es Solidarität. Etwa mit der Buchhandlung ums Eck. Und mit den Künstler:innen eh.

Der Autor ist Verleger des Verbrecher-Verlages und Vorstandsmitglied der Kurt Wolff Stiftung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Der Weg des lokalen Buchhandels ist seit vielen Jahren vorgezeichnet, so bedauerlich das sein kann, so wenig sollte die Schließung der klassischen Läden überraschen.



    Corona spielt hier eine nachrangige Rolle.



    Entscheidender ist/war eine gewisse Ideenlosigkeit der Branche angesichts des Versandhandels bzw e-Books.