Brocken mit neuem Besitzer: Große Pläne für den Hexenberg
Der Landkreis Harz kauft die Kuppe des Brocken, um den mythischen Berg im Harz touristisch besser vermarkten zu können. Der historische Fernsehturm bleibt.
Johann Wolfgang von Goethe, der selbst den Brocken am 10. Dezember 1777 bestieg, schilderte in seinem Drama „Faust“ eine Walpurgisnacht: „Die Hexen zu dem Brocken ziehn / Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. / Dort sammelt sich der große Hauf, / Herr Urian sitzt oben auf“, reimte der Dichter, und weiter: „So geht es über Stein und Stock, / Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock.“
Abgestorbene Fichtenwälder
Der Aufstieg ist anstrengend, aber die Aussicht vom Gipfel entschädigt für die Mühen. Über abgestorbene Fichtenwälder hinweg reicht der Blick viele Kilometer weit. Im Süden und Westen erstreckt sich die hügelige Landschaft des Weserberglandes und des Leineberglandes. Bei noch besserer Sicht, weiß ein Wanderer, der mit uns den Berg erklommen hat, kann man sogar bis nach Hessen gucken.
Die Besonderheit
Der Brocken, auch Blocksberg genannt, ist mit 1.141,2 Metern der höchste Berg Norddeutschlands. Er ist wegen der tollen Aussicht vom Gipfel bei Wanderern und Mountainbikern beliebt. Bis zu 600.000 Menschen sollen jährlich auf ihm unterwegs sein.
Das ZielpublikumWanderwege führen unter anderem von Schierke, Braunlage und Torfhaus auf den Brocken. Die Brockenstraße von Schierke wird vor allem von Pferdekutschen und Radlern genutzt. Täglich pendelt die Brockenbahn zwischen Wernigerode, Drei Annen Hohne, Schierke und dem Brocken. Die Züge sind meistens mit Dampflokomotiven bespannt.
Hindernisse auf dem Weg
Der Brocken ist ein Berg. Eine Wanderung hoch hinauf kann anstrengend sein.
Die Brockenkuppe selbst ist kahl, denn dort herrschen extreme Windgeschwindigkeiten. Das Klima ist vergleichbar mit dem der Alpen, schon oberhalb von 1.000 Metern bleiben die Fichten kleinwüchsig. Leer ist es auf dem Plateau aber nicht. Am markantesten ist der alte Fernsehturm, der das Brockenhotel, eine Aussichtsplattform und eine Radarstation der Flugsicherung beherbergt. In einer oberen Etage lädt das „Hexencafé“ zur Rast, weitere Gastronomie gibt es im Erdgeschoss, bei schönem Wetter öffnet der Biergarten. Neben dem Gebäude ragen die Antennen zahlreicher Sende- und Empfangsanlagen in den Himmel.
Das erste Gasthaus auf der Brockenkuppe wurde 1800 erbaut. 1899 folgte die Eröffnung der schmalspurigen Brockenbahn, der Bahnhof Brocken ist mit 1.125 Metern der zweithöchste Bahnhof in Deutschland nach dem auf der Zugspitze. 1935 gelang mit einem mobilen Sender die erste Fernsehübertragung vom Brocken. 1936 ging der Fernsehturm auf dem Berg in Betrieb.
Über Jahrhunderte gehörte der Brocken zu wechselnden Königshäusern und Fürstentümern. 1937 wurde er zum Naturschutzgebiet erklärt und somit Staatsbesitz. Am 20. April 1945 erstürmten US-Truppen den Brockengipfel, auf dem sich letzte Verbände von Wehrmacht und SS verschanzt hatten. Am 27. April wurde der Berg endgültig von den Amerikanern besetzt, dann aber im Rahmen von Gebietstausch und Grenzziehung der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen.
Später übernahm das Fernsehen der DDR den noch intakten Sender. Eine zweite, sehr markante und 124 Meter hohe Antennenanlage folgte in den 70er Jahren. Zu der Zeit war der Brocken militärisches Sperrgebiet, Sowjetarmee und Staatssicherheitsdienst der DDR hatten eine Festung mit Mauern und Spionageanlagen errichtet, die weit in das westdeutsche Gebiet hineinhorchen konnten.
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Nach der Wende ging die Brockenkuppe mitsamt der technischen Anlagen an die Deutsche Telekom. 2008 kaufte ein Konsortium aus Harzsparkasse und Norddeutscher Landesbank das knapp 13.000 Quadratmeter große Gelände und entzog es damit dem Zugriff ausländischer Spekulanten.
Kaufpreis von 3,5 Millionen Euro
Jetzt ist das Brockenplateau ein Ossi geworden: Der sachsen-anhaltinische Landkreis Harz erwarb das aus zwei Grundstücken bestehende Gelände zum Preis von 3,5 Millionen Euro. Dem Kaufvertrag zufolge geht es zum 1. Juli an den Landkreis über. „Die Brockenkuppe ist endlich wieder Gemeinschaftseigentum“, sagt Landrat Thomas Balcerowski (CDU) und spricht von einem „historischen Moment“.
Balcerowski hat große Zukunftspläne: So soll hoch oben auf dem Brocken ein Tagungszentrum entstehen, in dem auch Orchester und Theater aus der Umgebung gastieren sollen. Außerdem will der Landrat versuchen, ein Hard Rock Cafe auf den Brocken zu holen, demnächst will er Kontakt zu der Restaurantkette aufnehmen: „Wir probieren es, denn mehr als nein können sie nicht sagen.“ Das Hard Rock Cafe solle aber nicht den Brockenwirt verdrängen, der im alten Fernsehturm das Hotel betreibt. Bislang darf der Brocken mit privaten Kraftfahrzeugen nicht befahren werden, der Zugang zum Gipfel ist nur zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit einer Pferdekutsche oder mit der Brockenbahn erlaubt.
Eine Teilfreigabe für den Autoverkehr ist zwar in der Diskussion, doch Landrat Balcerowski ist zuversichtlich, dass zahlreiche Besucher weiter den Zug nehmen. Das sei gut für den Naturschutz. Und es könne dabei helfen, die 250 Arbeitsplätze bei den Harzer Schmalspurbahnen zu erhalten.
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