Brics-Gipfel in Russland: Putins kleine Weltbühne
Russlands Präsident Wladimir Putin hält beim Brics-Gipfel in Kasan Hof. Er setzt dabei vor allem auf die Symbolkraft der Bilder.
Der am Dienstag begonnene dreitägige Gipfel der Brics-Länder in Kasan an der Wolga, Hauptstadt der Teilrepublik Tatarstan, etwa 800 Kilometer östlich von Moskau gelegen, wird in Russland zum „wichtigsten Ereignis des Jahres“ stilisiert und „historisch“ genannt.
Russlands Präsident Wladimir Putin, der wegen des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag nur eingeschränkt reisen kann, hält bei sich daheim Hof. Bis Donnerstag schüttelt er in Kasan 21 Staats- und Regierungschefs die Hände.
Auch nach der Absage seiner Kollegen aus Brasilien, Kuba und Serbien kommen noch genug, um seinen kleinen Triumph vor dem Westen auszukosten. Russland, so soll der Gipfel zeigen, sei in seinem bald vierten Kriegsjahr nicht isoliert.
Mit Brics sieht sich Russland zurück auf der Weltbühne
Russische Beobachter*innen sehen das Land voller Euphorie, zurück auf der Weltbühne. Mittendrin in einer Welt, die dank Russland, so die zynischen Behauptungen, „demokratischer und gerechter“ werde.
Die Brics seien, so schreibt der Wirtschaftsprofessor Pawel Tereljanski von der Plechanow-Universität in Moskau, „ein transparentes, demokratisches, flexibles Gebilde, im Gegensatz zu den diktatorischen G7-Staaten“. Was er unter demokratischem Gebilde von Ländern wie China, Iran oder auch seinem eigenen versteht, erklärt er nicht.
Ohnehin geht es in Kasan wenig um Konkretes. Vielmehr setzt der Kreml auf die Macht der Bilder und nutzt den Gipfel, um sich vor allem geopolitisch zu positionieren – mit einem Ziel: eine neue Weltordnung ohne eine Dominanz des Westens auszubauen, mag die Führung auch immer wieder behaupten, die Brics-Gruppe richte sich „gegen nichts und niemanden“, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow auch am Eröffnungstag mitteilen ließ.
Es ist das 16. Treffen des losen Bündnisses. Auch das erste hatte im Jahr 2009 in Russland stattgefunden, damals mit den Gründungsmitgliedern Brasilien, Russland, Indien und China. Ein Jahr später schloss sich Südafrika an. 2023 kamen Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate dazu. Sie sind jetzt erstmals als Mitglieder dabei.
Zwölf weitere Länder haben ihre Aufnahme beantragt, mehr als 30 wollen zum „alternativen Klub“ dazugehören, wie sich der Verbund gern sieht. Darunter sind Länder wie die Türkei, Kasachstan, Indonesien, Kongo, Nordkorea oder Syrien. Die Aufnahmekriterien sind unklar.
Brics-Staaten haben heterogene Interessen
Unklar ist auch, was das Bündnis bezwecken will. Letztlich ist es eine weitere Plattform zum Austausch – und für den Westen durchaus nicht zu vernachlässigen. Schließlich sitzen hier China, Russland und Iran an einem Tisch. Die drei eint der Wunsch, die „westliche Hegemonie“ zu brechen.
Doch die Interessen der Brics-Staaten sind heterogen, nicht alle sind antiwestlich. Das macht es für das immer beliebiger werdende Bündnis schwer, an Bedeutung zu gewinnen. Am Ende bleibt es eine Veranstaltung, bei der jeder irgendwie mitmachen kann.
Russland sieht sich zwar als Lokomotive und ideologischer Führer der Gruppe. Doch dominiert China, das Brics als Instrument im Kampf für eine neue Weltordnung ausbauen will, Russland ist da – wie auch sonst – nur Juniorpartner Pekings. In Kasan inszeniert sich Moskau als zuverlässig, Sanktionen wegen des Krieges in der Ukraine hin oder her.
Die Plenarsitzungen beginnen zwar erst am Mittwoch, doch in 17 bilateralen Gesprächen will Putin anderen Staatenlenkern zeigen, wie sehr er auf der Suche nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten für sein Land ist, jetzt, wo der europäische und US-Markt teils weggebrochen sind.
Moskau sucht Alternative zum Swift-Zahlungssystem
Russland ist vor allem an einem neuen Zahlungssystem gelegen, einer Alternative zum Swift-System, aus dem das Land durch seinen Angriff auf die Ukraine herausgefallen ist.
So traf sich Putin als Erstes mit Dilma Rousseff, einst Brasiliens Präsidentin, nun Präsidentin der Brics-Entwicklungsbank NDB. Brics Bridge soll das System heißen. Es ist nur eine Ankündigung von vielen, eine der „Nachrichten der Zukunft“, wie viele Russen die Versprechungen Putins nennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Plädoyer im Prozess zu Polizeigewalt
Tödliche Schüsse, geringe Strafforderung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht