Bremer Spediteure mogeln sich raus: Gedenken nach Gutdünken
Bremer Speditionen beteiligen sich nicht an den Kosten für das Mahnmal, das ihre Profite in der NS-Zeit thematisiert. Sie spenden lieber anderweitig.
Der Entwurf für das Mahnmal unterhalb der Bremer Kühne und Nagel-Zentrale Foto: Skizze: Evin Oettingshausen
BREMEN taz | Das Mahnmal kommt. Es war ein langer Kampf, doch noch dieses Jahr soll in Bremen ein Kunstwerk realisiert werden, das an die ökonomische Seite der NS-Verbrechen erinnert; an die deutsch-arische Beutegemeinschaft, die ganz gut gelebt hat davon, dass Jüd*innen ihr Eigentum aufgeben mussten.
Das Mahnmal kommt. Aber nicht alle, die sich angesprochen fühlen sollten, sind beim Gedenken dabei. Ab 2015 hat der ehemalige taz-Redakteur Henning Bleyl durch seine Recherchen aufgezeigt, wie das lief, als Jüd*innen in ganz Europa Wertgegenstände abgenommen wurden.
Und wie ein Bremer Speditionsunternehmen der Wehrmacht hinterherzog und überall Profit damit machte, die Möbel der Deportierten nach Deutschland zu verschiffen: Kühne & Nagel war in der NS-Zeit einfach richtig erfolgreich. In historischen Überblicken hat die Firma diese Zeit gern ausgespart: „Diesen Zeitperioden mangelt es an Relevanz für die Firmengeschichte“, hieß es auf Anfragen.
Das Mahnmal kommt. Seit einem Bürgerschaftsbeschluss von 2016 steht das im Prinzip fest. Geplant war dort eigentlich, dass sich drei Instanzen die Kosten teilen, stellvertretend für die verschiedenen Profiteure: 40.000 Euro, der Anteil, für die künstlerische Umsetzung, sollen von der Zivilgesellschaft kommen. Bremer*innen konnten dank der Raubzüge Schnäppchen machen – oder bekamen Möbel und Wertgegenstände zur Aufrechterhaltung der Kriegsmoral sogar geschenkt. Eine Spendensammlung läuft seit Dienstag.
Spende geht ans Focke-Museum, nicht ans Mahnmal
Ein Drittel der Gesamtkosten – geschätzt 476.000 Euro – sollte von der Stadt Bremen kommen. Und mindestens ein Drittel, wenn nicht mehr, so heißt es im Beschluss von 2016, sollten die Speditionen der Stadt tragen. Schon bisher hatte sich Kühne & Nagel mit Händen und Füßen gegen das Mahnmal gewehrt und – am Ende erfolglos – für Standorte fernab der Firmenzentrale gekämpft.
Bei der Lektüre des Weser-Kuriers vor einigen Tagen klang es jetzt so, als gäbe es ein Einlenken, als würde sich die Logistikbranche wirklich beteiligen. Und, tatsächlich: Der Verein Bremer Spediteure zahlt seinen Anteil, 159.000 Euro. Aber, und das ist der Clou, nicht für das Mahnmal: Die Spende geht ans Focke-Museum für eine neue Dauerausstellung zur Stadtgeschichte.
Das Geld hätte das Museum so oder so bekommen, normalerweise von der Stadt. Jetzt wird der Anteil, den das Bremer Kulturressort einspart, intern zum Mahnmal umgeschichtet. Im Kulturressort will man das nicht so kritisch sehen. Immerhin: „Ohne das Mahnmal hätte es die Beteiligung der Speditionen an der Ausstellung nicht gegeben“, sagt Pressesprecher Werner Wick. Und dort, so meint er weiter, werde „dieses Thema“, die Arisierung also, „sicherlich noch mal eine viel breitere Öffentlichkeit erreichen“.
Gut möglich. So ganz sicher ist das aber nicht: Die Sprecherin des Focke-Museums hat erst aus dem Weser-Kurier erfahren, dass die neue Dauerausstellung begünstigt werde. Die soll einen neuen Schwerpunkt auf die Zeit ab 1950 legen. Klar, eine Erweiterung der NS-Ausstellung wird es wohl auch geben. Aber wie die inhaltlich aussieht, das steht noch lange nicht fest.
Purer Geiz ist es nicht, der die Speditionsunternehmen an einer Beteiligung gehindert hat. Es ist eigentlich schlimmer: ein Taschenspielertrick, der nur einem Zweck dient – Klaus-Michael Kühne und mit ihm die Bremer Logistikbranche gestehen nichts ein. Verantwortung? Ach nein. Nein, wirklich lieber nicht.
Bremer Spediteure mogeln sich raus: Gedenken nach Gutdünken
Bremer Speditionen beteiligen sich nicht an den Kosten für das Mahnmal, das ihre Profite in der NS-Zeit thematisiert. Sie spenden lieber anderweitig.
Der Entwurf für das Mahnmal unterhalb der Bremer Kühne und Nagel-Zentrale Foto: Skizze: Evin Oettingshausen
BREMEN taz | Das Mahnmal kommt. Es war ein langer Kampf, doch noch dieses Jahr soll in Bremen ein Kunstwerk realisiert werden, das an die ökonomische Seite der NS-Verbrechen erinnert; an die deutsch-arische Beutegemeinschaft, die ganz gut gelebt hat davon, dass Jüd*innen ihr Eigentum aufgeben mussten.
Das Mahnmal kommt. Aber nicht alle, die sich angesprochen fühlen sollten, sind beim Gedenken dabei. Ab 2015 hat der ehemalige taz-Redakteur Henning Bleyl durch seine Recherchen aufgezeigt, wie das lief, als Jüd*innen in ganz Europa Wertgegenstände abgenommen wurden.
Und wie ein Bremer Speditionsunternehmen der Wehrmacht hinterherzog und überall Profit damit machte, die Möbel der Deportierten nach Deutschland zu verschiffen: Kühne & Nagel war in der NS-Zeit einfach richtig erfolgreich. In historischen Überblicken hat die Firma diese Zeit gern ausgespart: „Diesen Zeitperioden mangelt es an Relevanz für die Firmengeschichte“, hieß es auf Anfragen.
Das Mahnmal kommt. Seit einem Bürgerschaftsbeschluss von 2016 steht das im Prinzip fest. Geplant war dort eigentlich, dass sich drei Instanzen die Kosten teilen, stellvertretend für die verschiedenen Profiteure: 40.000 Euro, der Anteil, für die künstlerische Umsetzung, sollen von der Zivilgesellschaft kommen. Bremer*innen konnten dank der Raubzüge Schnäppchen machen – oder bekamen Möbel und Wertgegenstände zur Aufrechterhaltung der Kriegsmoral sogar geschenkt. Eine Spendensammlung läuft seit Dienstag.
Spende geht ans Focke-Museum, nicht ans Mahnmal
Ein Drittel der Gesamtkosten – geschätzt 476.000 Euro – sollte von der Stadt Bremen kommen. Und mindestens ein Drittel, wenn nicht mehr, so heißt es im Beschluss von 2016, sollten die Speditionen der Stadt tragen. Schon bisher hatte sich Kühne & Nagel mit Händen und Füßen gegen das Mahnmal gewehrt und – am Ende erfolglos – für Standorte fernab der Firmenzentrale gekämpft.
Bei der Lektüre des Weser-Kuriers vor einigen Tagen klang es jetzt so, als gäbe es ein Einlenken, als würde sich die Logistikbranche wirklich beteiligen. Und, tatsächlich: Der Verein Bremer Spediteure zahlt seinen Anteil, 159.000 Euro. Aber, und das ist der Clou, nicht für das Mahnmal: Die Spende geht ans Focke-Museum für eine neue Dauerausstellung zur Stadtgeschichte.
Das Geld hätte das Museum so oder so bekommen, normalerweise von der Stadt. Jetzt wird der Anteil, den das Bremer Kulturressort einspart, intern zum Mahnmal umgeschichtet. Im Kulturressort will man das nicht so kritisch sehen. Immerhin: „Ohne das Mahnmal hätte es die Beteiligung der Speditionen an der Ausstellung nicht gegeben“, sagt Pressesprecher Werner Wick. Und dort, so meint er weiter, werde „dieses Thema“, die Arisierung also, „sicherlich noch mal eine viel breitere Öffentlichkeit erreichen“.
Gut möglich. So ganz sicher ist das aber nicht: Die Sprecherin des Focke-Museums hat erst aus dem Weser-Kurier erfahren, dass die neue Dauerausstellung begünstigt werde. Die soll einen neuen Schwerpunkt auf die Zeit ab 1950 legen. Klar, eine Erweiterung der NS-Ausstellung wird es wohl auch geben. Aber wie die inhaltlich aussieht, das steht noch lange nicht fest.
Purer Geiz ist es nicht, der die Speditionsunternehmen an einer Beteiligung gehindert hat. Es ist eigentlich schlimmer: ein Taschenspielertrick, der nur einem Zweck dient – Klaus-Michael Kühne und mit ihm die Bremer Logistikbranche gestehen nichts ein. Verantwortung? Ach nein. Nein, wirklich lieber nicht.
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Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
Kommentar von
Lotta Drügemöller
Autor*in
Themen
Chronologie
2015 bis 2022: Von der taz-Kampagne „4 Qm Wahrheit“ bis zum Bau des Arisierungsmahnmal in Bremen
2015: Kühne+Nagel mit lückenhafter Aufarbeitung
Kühne+Nagel: Das Logistikunternehmen Kühne+Nagel (K+N) feiert 2015 auf dem Bremer Marktplatz sein 125-jähriges Jubiläum und stellt dabei die Firmengeschichte zur Schau. Die taz recherchiert die fehlenden Fakten, u.a. die maßgebliche Beteiligung der Firma am Abtransport der Wohnungseinrichtungen der deportierten jüdischen Bevölkerung in ganz Westeuropa.
2015: taz startet Crowdfunding
Crowdfunding: Unter dem Motto „4 Qm Wahrheit“ werden 27.003 Euro für den Kauf von 4 Quadratmeter Boden auf dem Platz gesammelt, auf dem K+N in Bremen seinen Neubau errichten will – als Standort für ein Mahnmal.
Kaufangebot für Mahnmal-Standort
Kaufangebot: Die taz bietet der Stadt Bremen den doppelten Quadratmeterpreis wie K+N. Das Angebot wird abgelehnt, involviert aber Finanz- und Bauausschuss in die Thematik.
2016: Gestaltungs-Wettbewerb für ein Mahnmal
Gestaltungs-Wettbewerb: Die taz sammelt Ideen, wie „die Totalität der,Verwertung' jüdischen Eigentums in Gestalt eines Mahnmals visualisiert werden könnte. Unter den 60 Teilnehmenden des Gestaltungs-Wettbewerbs aus ganz Deutschland und Österreich sind sowohl bekannte Künstler:innen als auch Schulklassen. Der Wettbewerb löst zahlreiche familienbiographische Nachfragen und Auseinandersetzung aus. Der Entwurf von Evin Oettingshausen kommt auf Platz 1.
2016: Ausstellung in der Bremischen Bürgerschaft
• Ausstellung in der Bremischen Bürgerschaft: „Spuren der Beraubung – Ideen für ein Bremer,Arisierungs'-Mahnmal“.
2016: Die taz veranstaltet ein Symposium
Die taz veranstaltet am 3. November 2016 ein Symposium in der Bremischen Bürgerschaft: „Arisierung“ – über den Umgang mit dem Unrechts-Erbe.
2016: Bürgerschaft beschließt Bau des Mahnmals
Alle Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft beschließen im November 2016 den Bau des Mahnmals.
Ringen um den Mahnmal-Standort
Langes Ringen um den „richtigen“ Standort in Bremen: Soll das Mahnmal bei Kühne+Nagel, am Europahafen, an der Jugendherberge oder irgendwo dazwischen verortet werden?
Gesellschaftliche Auseinandersetzung und Debatte entfacht
Dynamik: Parallel zum politischen Prozess entstehen, ausgelöst von der Kampagne „4 qm Wahrheit“, künstlerische Aktionen, temporäre Mahnmale, Masterarbeiten, internationale Ausstellungsbeiträge, Radioreportagen und Regionalromane.
2022: Bremer Senat beschließt Bau des Mahnmals
Ergebnis: Am 1. Februar 2022 beschließt der Bremer Senat den Bau des Mahnmals – zwischen Kaisenbrücke und den Bremer Weserarkaden, schräg unterhalb des Firmengebäudes von Kühne+Nagel.
2023: Mahnmal wird eröffnet
Eröffnung: Am 10. September 2023 wurde das „Arisierungs“-Mahnmal eröffnet. Begleitinformationen finden sich auf der Webseite: geraubt.de
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Lotta Drügemöller