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Bremen plant neuen Hafen für BremerhavenEin Wahlgeschenk der SPD

Als Ersatz für das gescheiterte Offshore-Terminal soll an der Unterweser der „Energy Port“ entstehen. Der BUND hält das Projekt für rechtswidrig.

Der Deich am Naturschutzgebiet Luneplate: Hier möchte die Hafensenatorin einen „Energy Port“ bauen Foto: Carmen Jaspersen/dpa

GÖTTINGEN taz | Der rot-grün-rote Bremer Senat beginnt noch vor der Bürgerschaftswahl im Mai mit den Planungen für einen neuen Hafen in Bremerhaven. Mit dem „Energy Port“ solle die Seestadt „wesentlich zum Gelingen der Energiewende und auch zur künftigen Versorgungssicherheit in Deutschland beitragen“, zitiert der Weser-Kurier die Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD). Der Umweltverband BUND ist not amused.

Der „Energy Port“ ist das Nachfolgeprojekt des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB). Der Schwerguthafen für Windpark-Komponenten auf dem Meer sollte zunächst 2013 gebaut werden. Doch das Projekt scheiterte. Auf dem OTB sollten bis zu 1.000 Tonnen schwere Fundamente für Windräder sowie Rotorblätter mit einer Länge von 75 Metern auf Spezialschiffe verladen werden. Auch der Bau eines mehrere hundert Meter langen Verladekais war geplant.

Doch 2019 entschied das Verwaltungsgericht Bremen nach Klagen von Umweltschützer:in­nen, dass der Planfeststellungsbeschluss, also die Baugenehmigung für den OTB, vor allem aus ökologischen Gründen rechtswidrig war – der Eingriff in das FFH-Schutzgebiet Weser bei Bremerhaven sei nicht gerechtfertigt. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte das Urteil zwei Jahre später. Mit den Plänen für den Spezialhafen versickerten mehr als 32 Millionen Euro, die für Vorarbeiten ausgegeben wurden.

Bremerhavens Politik fordert Ersatz ein. Laut Senatorin Schilling bestätigt nun eine von ihrem Ressort bei einer Hamburger Beratungsfirma in Auftrag gegebene Studie ein „riesiges Potenzial“ des südlichen Bremerhavener Fischereihafens als Hafen für die Energiewende. Der Umschlag von Wasserstoff, die Produktion umweltfreundlicher Treibstoffe oder Batterien, die Montage von Bauteilen für Windräder und auch das Recycling ausgedienter Anlagen – um all diese „Potenziale“ nutzen zu können, empfehlen die Au­to­r:in­nen der Studie den Bau einer Anlegestelle vor dem Weserdeich. So ähnlich, wenn auch etwas kleiner, wie beim gescheiterten OTB.

„Kurz vor der Wahl springt der OTB wieder aus der Kiste“

Martin Rode, BUND Bremen

„Das ist eine historische Chance von nationaler Bedeutung, die wir nutzen müssen“, sagt Schilling. Deshalb werde sie dem Senat vorschlagen, die staatliche Hafengesellschaft Bremenports „mit den konkreten Planungen für einen Energy Port zu beauftragen“. Ein entsprechender Beschluss soll noch im April gefasst werden. Gleichzeitig soll die Genehmigung nach dem beschleunigten Verfahren erfolgen, das die Bundesregierung für den Bau von Anlagen für die Energiewende vorgesehen hat – Schilling will im Bundesrat einen entsprechenden Vorstoß starten.

Der Bund soll sich auch an den Kosten beteiligen: Auf mehr als eine halbe Milliarde Euro veranschlagen die Gut­ach­te­r:in­nen die Kosten für den Bau von Gewerbeflächen und Schiffsanlegern. „Aus meiner Sicht ist völlig klar bei einem Vorhaben dieser Dimension: Ohne die Unterstützung des Bundes geht es nicht“, betont Schilling.

Zugleich hofft die Senatorin auch auf einen „neuen gemeinsamen Anlauf“ mit den Naturschutzverbänden. Den dürfte es aber zumindest vorerst nicht geben. „Kurz vor der Wahl springt der OTB wieder aus der Kiste“, kommentiert der Geschäftsführer des BUND-Landesverbandes Bremen, Martin Rode, die Studie. Deren eigentlicher Zweck sei es gewesen, den Bau des gescheiterten Offshore-Terminals wieder zurück auf die politische Agenda zu hieven, so der Umweltverband: „Wen wundert es, dass exakt die OTB-Planung erneut als Lösung aller Probleme aufgemalt wird.“

Nach wie vor handele es sich beim zum „Energy Port“ umdeklarierten OTB um Eingriffe in ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang, das wertvollste Schutzgebiet an der Unterweser. Mittlerweile sei aber noch viel klarer als zu Beginn der OTB-Planungen, „dass neben der Klimakrise die Biodiversitätskrise eine ebenso große globale Herausforderung ist. Schutzgebiete sind die Hotspots der Biodiversität und dürfen nicht weiter Spielball von Bauplanungen sein.“

Statt den Konflikt zu forcieren, sei der Senat gut beraten, sich auf das Unstreitige und Machbare zu konzentrieren. Nach Ansicht des BUND enthält die Energy Port-Studie auch Planungsvorschläge, mit denen Bremerhaven am Boom der Erneuerbaren Energien teilhaben kann und das wertvollste Naturschutzgebiet an der Unterweser unberührt bleibt. Der Senat wolle jedoch die „Maximalvariante“ beschließen lassen. „Das hat nichts mit seriöser Planung zu tun, aber ganz viel mit Wahlkampf und unsachgemäßem Druck auf Koalitionspartner.“

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