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Bremen bezuschusst ReparaturenStaatsknete statt Neukauf

Bremen will einen Reparaturbonus einführen. Bei der Reparatur von Elektrogeräten gibt es damit die Hälfte des Geldes zurück. Vorbild ist Thüringen.

Vieles, was kaputt ist, müsste nicht dort landen: Elektroschrott-Deponie in Goslar Foto: Julian Stratenschulte /dpa

Bremen taz | Das Geld kommt. Und auch wenn sonst noch wenig Details feststehen: Das ist eine gute Nachricht. Bremen führt einen Reparaturbonus ein, als drittes Bundesland nach Thüringen und Sachsen. Wer Elektrogeräte reparieren lässt, kann sich die Kosten dafür in Zukunft bis zur Hälfte vom Land zurückholen. Die groben Planungen sprechen von einer Erstattung in einer Höhe von höchstens 100 Euro pro Antrag. Voraussichtlich Ende des Jahres könnte es so weit sein.

Die Argumente: weniger Schrott, weniger Rohstoffbedarf, weniger Treibhausgase. Mehr Unterstützung für Verbraucher*innen, mehr Wertschätzung für alte Dinge, eine Stärkung des heimischen Handwerks. Kurz: Man wundert sich, warum es so etwas nicht schon lange gibt.

Tatsächlich geistert die Idee schon länger durch Bremen. 2022 hatten die Regierungsfraktionen eine lokale Reparaturoffensive geplant und dafür auch einen Bonus angedacht. Man blieb aber noch im Stadium der Prüfung – das Geld fehlte.

Jetzt kommt die Finanzierung ausgerechnet 2024, nach schlechter Steuerschätzung, hohen Krisenkosten und trotz einer CDU, die damit droht, Bremens krisenbegründete Schuldenaufnahme zu beklagen. Aber tatsächlich macht der Reparaturbonus den Bremer 6,9-Milliarden-Euro-Haushalt nicht fett: In den Reparaturbonus sollen im laufenden Jahr 250.000 Euro fließen, und noch einmal 150.000 Euro im nächsten Haushaltsjahr.

Reparaturen manchmal teurer als Neuanschaffung

Die Fraktionen hatten das Projekt über ihre sogenannten „Gestaltungsmittel“ ergänzt. Für jeden Doppelhaushalt gab es in den vergangenen Jahren noch ein paar Millionen Euro, die der Finanzsenator im ersten Haushaltsentwurf nicht verplant hatte.

So können die Fraktionen ein paar Wochen nach der ersten Berichterstattung noch einmal Schwerpunkte setzen und ihr Profil stärken – klug, denn zwischen den vielen Millionen für Bildung, Personal und Soziales bekämen die kleineren Projekte sonst keine Aufmerksamkeit.

„Obwohl aus Umweltsicht so vieles für Reparaturen spricht, wird zu wenig repariert“, so Linken-Fraktionssprecher Nelson Janßen bei der Vorstellung. „Reparaturen sind oft genau so teuer oder sogar teurer als Neuanschaffungen.“ Das ändert sich mit dem Reparaturbonus nicht grundsätzlich – die Arbeit von Fach­ar­bei­te­r*in­nen bleibt teuer. Aber durch die Rückerstattung ist es für die Einzelnen erschwinglich.

Thüringen repariert schon seit Jahren

Vorbild innerhalb Deutschlands ist Thüringen. Dort wurde der Bonus 2021 projektweise für ein Jahr eingeführt – und an diesem Mittwoch zum dritten Mal verlängert. Da Bremen selbst nur wenige Details zu den Plänen herausgibt, lohnt sich ein Blick nach Erfurt.

Thüringen ist sich bewusst, dass es als Vorreiter von vielen Interessierten genau beobachtet wird. Die Ergebnisse sind auch deshalb erstklassig dokumentiert: 34 Dunstabzugshauben, so kann man zum Beispiel nachlesen, wurden 2023 mit Förderung repariert, 7 Holzspalter, 276 Kühlschränke, 3.968 Handys.

Damit die Bilanz nicht auf diesem Niveau verharrt, hat die Landesregierung zusätzlich das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration für eine Studie engagiert. Das Ergebnis: Mit rund 2,3 Millionen Euro Förderung wurden über die drei Projektzyklen Reparaturumsätze von 5,5 Millionen Euro generiert. Vor allem Betriebe in Thüringen selbst haben davon profitiert: Fach­händ­le­r*in­nen vor Ort und Werkstätten haben drei Viertel der Reparaturen übernommen.

Eingespart wurden gegenüber einem Neukauf rund 3.000 Tonnen CO2 und 400 Tonnen Elektroschrott. Allerdings ist dies nicht allein die Bilanz des Reparaturbonus – schließlich wären viele der kaputten Elektroartikel auch ohne Bonus repariert worden. Über ein Drittel der Nut­ze­r*in­nen allerdings hätten die Reparaturen laut Fraunhofer-Institut ohne Bonus nicht durchgeführt.

Nutzende müssen in Vorleistung gehen

Genau sie will man erreichen. „Das Projekt fördert bewusst einige Elektroartikel nicht“, erklärt Mertin von der Verbraucherzentrale. E-Bikes und E-Autos etwa sind ausgenommen. „Bei denen lohnt sich die Reparatur so oder so. Uns geht es in dem Projekt um die vielen kleinen und großen Haushaltsgeräte, die sonst einfach weggeschmissen würden.“

In Thüringen funktioniert die Erstattung auf Antrag. „Im ersten Jahr wurden uns die Anträge wäschekörbeweise angeliefert“, erinnert sich Mara Mertin von der Öffentlichkeitsstelle der Thüringer Verbraucherzentrale, die den Reparaturbonus koordiniert. Mittlerweile läuft alles über ein Onlineportal, in etwa zehn Minuten ist der Antrag dort gestellt. Allerdings müssen eine Rechnung und ein Zahlungsbeleg hochgeladen werden: Wer in Thüringen vom Bonus profitieren will, der muss in Vorleistung gehen. Für arme Familien ein potenzieller Hinderungsgrund.

In Bremen soll das Geld ähnlich ausgezahlt werden, also über Antrag und erst im Nachhinein. Die Auszahlung solle „nach den jetzigen Planungen direkt an die Ver­brau­che­r:in­nen erfolgen“, schreibt die Pressestelle des Wirtschaftsressorts. Es gäbe durchaus auch andere Systeme: In Österreich sind es die Reparaturbetriebe, die sich das Geld vom Staat zurückholen. Allerdings hatten das im vergangenen Jahr einzelne Betriebe betrügerisch ausgenutzt: Sie hatten dem Staat Rechnungen über fiktive Reparaturen gestellt.

Auch andere potenzielle Probleme hat man in Thüringen schon durchdekliniert. Da der Reparaturbonus als Projekt mit eigenen Projektmitteln durchgeführt wird, können die Projektmittel irgendwann auslaufen – in Thüringen ist das bisher in jeder Projektphase irgendwann passiert, 2023 waren die 600.000 vorgesehenen Euro schon Mitte September aufgebraucht.

Unsicherheit bleibt – der Bund ist gefragt

In den laufenden Haushalten konnte zwar in jedem Jahr genügend zusätzliches Geld zusammengekratzt werden, um auch noch den restlichen Antragsstellenden ihren Bonus zu bewilligen. Bis es soweit war, dauerte es aber 2023 mehrere Monate; die Bearbeitung der aufgestauten Anträge nahm dann auch noch zusätzliche Zeit in Anspruch, Menschen warteten monatelang auf ihren Bonus.

Gelernt hat man daraus, dass Anträge nicht mehr drei Monate rückwirkend eingereicht werden können. So soll in Zukunft zumindest ein Antragsstau vermieden werden. Das Grundproblem reicht aber tiefer: „Es gibt keinen Rechtsanspruch auf den Reparaturbonus“, so Mertin von der Verbraucherzentrale. Für die Antragsstellenden bleibt ein gewisses Risiko zurück, die Kosten am Ende doch allein tragen zu müssen, wenn das Geld aufgebraucht ist.

Verhindern könnte man das nur, wenn der Bonus den Projektstatus verlieren und verstetigt würde. Das Thüringer Umweltministerium verweist dafür auch auf den Bund. Und auch Bremens Verbraucherschutzsenatorin Claudia Bernhardt (Die Linke) sah noch im Februar gegenüber dem Weser-Kurier den Bund in der Verantwortung, einen Reparaturbonus zu finanzieren.

Aus der Luft gegriffen ist das nicht: Langfristig ist eine Finanzierung durch die Bundesregierung gerade etwas wahrscheinlicher geworden. Ende April hat das Europaparlament die neue EU-Richtlinie zum „Recht auf Reparatur“ verabschiedet. Und dort ist festgehalten, dass jeder Mitgliedsstaat mindestens eine Maßnahme ergreifen muss, um Reparaturen zu fördern.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "...kann sich die Kosten dafür in Zukunft bis zur Hälfte vom Land zurückholen."



    Im Klartext: Vom Steuerzahler zurückholen.



    "...schließlich wären viele der kaputten Elektroartikel auch ohne Bonus repariert worden. Über ein Drittel der Nut­ze­r*in­nen... ohne Bonus nicht durchgeführt."



    Aha: Zu 2/3 reiner Mitnahmeeffekt.



    Ich sehe nicht recht ein, warum ich jemandem, der zu doof war, sein Smartie festzuhalten, den neuen Blindschirm subventionieren soll. Oder, wenn es der Akku war, die Fehlkonstruktionen einer florierenden Industrie auszubügeln.

  • Die Bearbeitung der Anträge, schätze ich, verdoppelt die Kosten für die Stadt Bremen vermutlich. Will man den Verwaltungsaufwand in Grenzen halten, ist dem Missbrauch Tür nd Tor geöffnet.



    Die Masse der Elektrogeräte, die täglich weggeworfen werden, werden doch überhaupt nicht erfasst. Weil der Konsument etwas "Neues" will, eine lange Lebenszeit, also teuer in der Herstellung, ist doch von den meisten Verbrauchern garnicht gewünscht. Meine Haushaltsmaschine, Uraltdesign, verrichtet seit ca. 20 Jahren ihren Dienst. War damals etwa doppelt so teuer wie ein kurzlebiges Modell, aber es hat sich gerechnet. Es liegt in der Eigenverantwortung des Konsumenten. Mit Massnahmen wie der hier beschriebenen, wird er langfristing verdummt.

  • Nette Idee.

    Aber wieviel einfacher, bürokratieärmer, arbeitssparsamer und betrugsresistenter wäre es, einfach die Steuer- und Abgabenlast von der (menschlichen) Arbeit zu verschieben auf Ressourcen- und Umweltverbrauch?

    • @Eric Manneschmidt:

      Viel zu einfach, um angewendet zu werden.

  • Hier 150 TEUR, da 250 TEUR - sicher macht das bei einem Etat von 6,9 Mrd. EUR den Kohl nicht fett. Bremen hat mit Abstand die höchste Pro/Kopf-Verschuldung der Bundesländer, aber schön das Fraktionen nochmal ein wenig Kohle raushauen können, um ihr Profil zu schärfen.