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Branchenmesse EurobikeBranche hofft auf das Dienstrad

Der Absatz sinkt, die Stimmung auf Europas größter Fahrradmesse Eurobike ist gedämpft. Das Leasinggeschäft soll nun helfen.

Ein Gravelbike auf einem Stand der Internationalen Fahrrad-Fachmesse Eurobike am 2. Juli in Frankfurt am Main Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Frankfurt taz | Viele Kinder, viel Gewusel, kilometerlange Gänge: Wer in der vergangenen Woche die Messe Frankfurt besuchte, konnte sich leicht überfordert fühlen. Denn dort fand zum 32. Mal Europas größte Fahrradmesse Eurobike mit zehntausenden Besucherinnen und Besuchern statt. 1.800 Mes­se­aus­stel­le­r:in­nen waren gekommen, doch die Stimmung war aufgrund der aktuellen Marktlage und der gesunkenen Nachfrage nach Fahrrädern etwas gedämpft.

„Die Coronapandemie hat erst mal die Nachfrage nach E-Bikes sehr hoch getrieben. Dann haben natürlich viele Hersteller viele Fahrräder produzieren lassen, viele Händler viele Fahrräder kaufen können“, erzählt Bastian Panni vom Heidelberger E-Bike-Unternehmen Coboc. „Aber in den letzten Jahren gab es plötzlich Inflation“, so Panni. Statt Wachstum sei die Nachfrage eher konstant geblieben, was dazu geführt habe, dass relativ viele Fahrräder unverkauft auf dem Lager geblieben seien. „Die Fahrradbranche hat aber ein bisschen daraus gelernt“, sagt der Marketingleiter. Derzeit „entspannt sich die Lage“.

In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind in Deutschland erneut weniger Fahrräder verkauft und hergestellt worden. Der Absatz ging bis Ende April mit 1,45 Millionen Rädern um rund 10 Prozent zurück, berichtet der Industrieverband ZIV. Vor allem herkömmliche Fahrräder verkauften sich mit 650.000 Einheiten um fast 20 Prozent schlechter als im gleichen Vorjahreszeitraum, der Verkauf der teureren und wirtschaftlich wichtigeren E-Bikes blieb mit 800.000 Stück nahezu konstant.

Mit einem erneut gestiegenen Durchschnittspreis von knapp 3.000 Euro sind die E-Bikes für Hersteller und Handel das weit lukrativere Geschäft als die mit Muskelkraft getriebenen „Bio-Bikes“.

„Gegenwind aus der Politik“

Ab 2025 rechnet der Verband allerdings mit einer deutlichen Erholung – und weist darauf hin, dass die Verkaufszahlen trotz eines Rückgangs auch im Jahr 2023 immer noch über dem Vor-Corona-Niveau liegen. Noch deutlicher sind die Produktionszahlen der Hersteller geschrumpft, auch hier wegen der vollen Lager. 970.000 Stück bedeuteten einen Rückgang um fast 18 Prozent für alle Fahrrad­typen.

Zugeparkte Radwege, ungeahndetes Rasen auf Land- und Stadtstraßen und eine allgemein fehlende oder ungeschützte Radwegeinfrastruktur seien es, die viele Menschen davon abhielten, das Fahrrad weiter zu nutzen, sagt ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. „Die Kommunen rufen das Geld vom Bund nicht ab, doch diese sind für den Ausbau der Infrastruktur vorwiegend in der Verantwortung.“

Auch der Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems, Claus Fleischer, beklagt „Gegenwind aus der Politik“. Das betreffe unter anderem die „Mutlosigkeit bei der Fahrradinfrastruktur und dem Ausbau von Radwegen“, so Fleischer. Er betonte, die Politik müsse erkennen, dass man mit dem Fahrrad und dem E-Bike eine „tolle Alternative für die Mobilität in der Stadt, aber auch für das Freizeitverhalten der Menschen“ habe.

Als Rettungsanker der Branche sehen viele das Fahrradleasing: Die Möglichkeit für Beschäftigte, über ihren Arbeitgeber ein Fahrrad zu leasen, ist im Trend. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte steckt in dem Geschäft mit geleasten Diensträdern noch Potenzial. Trotz des Wachstums der vergangenen Jahre haben erst 37 Prozent der Beschäftigten die Möglichkeit des Dienstradleasings. Von diesen 16,8 Millionen Menschen haben erst knapp 10 Prozent einen Vertrag.

Künstliche Intelligenz wird genutzt

„Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Studienautor Kim Lachmann. So gebe es bei den rund 204.000 teilnehmenden Arbeitgebern im Durchschnitt noch rund 90 Prozent der Mitarbeitenden, die nicht leasen. Der Umsatz der Leasinganbieter ist im vergangenen Jahr auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen, nach 2,6 Milliarden im Jahr 2022. Sie brachten 790.000 Räder unter die Leute, nach 680.000 Bikes im Jahr zuvor. Dabei lag der Durchschnittspreis der Dienstfahrräder um 1.700 Euro über dem Marktdurchschnitt von 3.500 Euro pro Rad.

Der Grund: der Wunsch nach höherwertigen Fahrrädern. Sascha Sülwald, Teamleiter Fachhandelsbetreuung beim Oldenburger Anbieter mein-dienstrad.de, sagt: „Das Dienstradleasing ist nach wie vor im Boom. Es ist nach wie vor für viele ein sehr interessantes Thema, das merkt man auch hier.“

Natürlich gab es bei der Eurobike auch Innovationen, vor allem im E-Bike-Bereich und bei Lastenrädern. Beide Gattungen sollen leichter und damit einfacher einsetzbar werden. Sogar künstliche Intelligenz wird genutzt, etwa bei der Bosch-Navigationssoftware „Range Control“, die aus Fahrdaten individualisierte Streckenvorschläge erarbeitet.

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12 Kommentare

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  • Während Corona ist nicht nur die Nachfrage, sondern sind auch die Preise durch die Decke gegangen. Ich habe während Corona ein größeres Kinderrad für mein Kind gekauft und sein "altes" Rad verkauft. Das war damals zwei Jahre alt und ich habe ca. 90% des Neupreises bekommen - für ein gebrauchtes Fahrrad. Der Markt war irre. Die Preise eben jener Kinderräder sind jedes Jahr massiv (ca. 50-60 Euro) gestiegen. Mittlerweile gibt es viel Angebot und wenig Nachfrage. Daher konnte ich dieses Jahr beim Verkauf des Kinderrads auch "nur" 75 meines ursprünglichen Neupreises und nur 60% des aktuellen Preises erzielen.

    Der Markt funktioniert, die Preise werden jetzt runtergehen. Im Herbst dürfte man das ein oder andere Schnäppchen machen können.

  • Arme können sich kein Pedelec leisten und noch nicht einmal ein qualitativ hochwertiges "Biobike" (wer denkt sich sowas aus?). Die Preise sind grausam! Da dürfen sich die Hersteller nicht wundern, dass der Absatz einbricht. Wer einen Laden in erreichbarer Nähe hat, und davon gibt es recht viele, GEHT einkaufen und GEHT spazieren. Ist auch gesund.

    • @Patricia Winter:

      Wieso wird eigentlich immer die Behauptung wiederholt, Arme könnten sich kein Rad mehr leisten? Ja, HighEnd-Fahrräder können sich nur wenige leisten - so wie andere Luxusgüter auch.

      Aber: Das Angebot an dramatisch viel billigeren Fahrrädern ist gewaltig. Wer ein kleines Budget hat und dafür ein möglichst gutes Preisleistungsverhältnis sucht, wird z.B. bei Stevens, Cube oder Decathlon fündig. Und ein Pedelec brauchen die wenigsten, die sich eines kaufen.

      Ein ordentliches Fahrrad ohne Motor ist hocheffizient und lässt sich leicht bewegen, gerade, wenn man damit keine Rennen fahren will.

      • @Milonga:

        Auch der Preis für normale Fahrräder ist seit Corona abartig gestiegen.

        Wir schieben seit einiger Zeit die Anschaffung zweier Fahrräder vor uns her.

        Es ist uns zu teuer geworden.

        Hier jammert die Fahrradbranche, aber preislich entgegenkommen will sie dann doch nicht.

        Lieber soll es die Politik richten.

    • @Patricia Winter:

      Wir bräuchten Volks-Räder statt Volkswagen, also

  • Klingt alles nicht so wirklich umweltfreundlich.

  • Bei anderen Branchen wird auch gerne mal über die Grenzen des Wachstums berichtet und über Reparieren statt Neukauf.



    Ein normales Rad, wenn auch oft nicht im optimalen Zustand, steht wohl in jedem Haushalt, bzw. Statistisch für jeden.



    Selbst e-bikes haben schon ein Viertel aller Erwachsenen (siehe anderer Taz Artikel).



    Geht es also mehr um das Zweitrad?

    • @fly:

      Als Zweitrad fehlt noch das Pendant zum Cabrio für sonntags.

      Würden alle Radfahrer in der Arbeitswelt Fahrrad fahren, käme die Produktion nicht nach.

  • "Dabei lag der Durchschnittspreis der Dienstfahrräder um 1.700 Euro über dem Marktdurchschnitt von 3.500 Euro pro Rad."



    Könnte natürlich nicht dran liegen, dass die kränkelnde Nachfrage an dem Durchschnittspreis von 3,5k€ Euro liegt. Wenn die Zielgruppe halt der Mittelstand ab 30 ist, ist der auch irgendwann gesättigt. Da hilft auch eine bessere Infrastruktur was, von A nach B tut's auch ein zwanzig Jahre altes Rad für 200€. Aber klar, man kann halt die übermäßig aufgepimpten Carbon-Renner auch über Jobrad verdrücken.



    3.500€, ich hab mir vor drei Jahren ein Trekkingrad für 1,3€ gekauft und gedacht, dass ich da massiv viel investiert habe...

  • Es gibt offenbar viele Erklärungen, warum weniger Fahrräder verkauft werden. Die offensichtlichen werden nicht erwähnt. Der Markt ist gedeckt, ein Fahrrad kauft man nicht jedes Jahr. Zudem verlangen Händler mittlerweile Phantasiepreise für ganz gewöhnliche Räder.

  • Macht die Räder billiger für jedermensch!



    Das bezieht sich Hersteller, Händler, aber auch der Staat darf gerne mal die viel sinnvolleren Räder bzw. deren Infrastruktur unterstützen statt nur Abgasschleudern.



    Ein unverwüstliches Rad, ohne Getue, für die Bewegung innerhalb der eigenen Gemeinde sollte jeder Mensch ab 6 Jahren haben.