Boyle der Woche: „Trump wird die Erderwärmung weiterhin leugnen“
Der US-amerikanische Romanautor T.C. Boyle lebt in einem historischen Holzhaus nahe L.A. Wie blickt er auf die Flächenbrände an der Westküste?
taz: Herr Boyle, in Ihrem 1995 erschienenen Roman „The Tortilla Curtain“ (dt.: „América“) bedroht ein Flächenbrand ein Reichenviertel; in „Blue Skies“, von 2023, geht Kalifornien in Flammen auf. Wie fühlt es sich an, wenn die Realität die eigene Vorstellungskraft noch an Drastik übertrifft?
T. C. Boyle: Wir alle wissen, dass wir sterben müssen. Aber wir hoffen, dass es nicht heute passiert. In ganz ähnlicher Weise wissen wir alle, dass unsere Häuser brennen werden. Aber wir hoffen, dass das nicht heute der Fall ist. Ich habe gelinde gesagt Angst vor dem, was in Los Angeles passiert. Und es bricht mein Herz. Zwei meiner engen Freunde haben ihre Häuser in Altadena verloren und mein Sohn wurde aus seiner Wohnung in Santa Monica evakuiert. Was meine Vorstellungskraft betrifft, so ermöglicht sie es mir, in die düsterste aller düsteren Zukünfte zu blicken. Als ich „The Tortilla Curtain“ schrieb und im Jahr 2000 dann „A Friend of the Earth“, wurden sich die Menschen gerade erst der globalen Erwärmung bewusst; jetzt ist sie da.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
taz: Sie wohnen seit Jahrzehnten etwa 100 Kilometer nördlich von Los Angeles. Haben die Brände Ihr Viertel in Santa Barbara bereits erreicht?
Boyle: Nein, zum Glück nicht. Für den Moment haben uns die teuflischen Winde verschont. Wissen Sie, welches Wetter ich mag? Regen. Einen schönen, sanften Regen. Aber wir hatten hier seit letztem Frühjahr keinen Regen mehr.
taz: Sie leben in einem Meisterwerk der Baukunst, in einem 100 Jahre alten Haus des berühmten Architekten Frank Lloyd Wright, das vollständig aus Holz besteht. Welche Vorsichtsmaßnahmen treffen Sie jetzt?
Boyle: Wir tragen unsere Asbestanzüge Tag und Nacht, unsere ganze Familie, einschließlich Hund und Katze.
taz: Rechte Influencer schimpfen jetzt auf die lesbische Polizeichefin von Los Angeles. Donald Trump schimpft auf Gavin Newsom, den demokratischen Gouverneur Kaliforniens, und behauptet fälschlicherweise, dass Löschwasser fehle, weil Newsom es einer seltenen Fischart zuliebe im Norden des Staates halte. Trump wirkt defensiv. Denken Sie, die Brände könnten ihn vielleicht doch noch dazu zwingen, als Präsident mehr gegen den Klimawandel zu tun, als er eigentlich vorhatte?
Boyle: Er wird weiterhin leugnen, dass die Erderwärmung existiert, und natürlich behauptet er, dass wir Kalifornier für die gesamte Zerstörung verantwortlich seien. Trump wird alle grünen Initiativen auf nationaler Ebene zunichtemachen. Und das wird die Lage nicht nur hier, sondern weltweit noch schlimmer machen. Viel schlimmer.
taz: Wir haben Sie schon einmal kurz nach Donald Trumps Wahl gefragt: Werden Sie weggehen? Weg aus den USA, weg aus Kalifornien?
Boyle: Kurz gesagt, nein. Ich bin sesshaft wie eine Muschel, die an einem Felsen hängt. Wenn der Stein unerträglich heiß wird, werde ich gebraten und meine Säfte verdampfen. Aber es wird bald regnen, nicht wahr?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ökonom zu Habecks Sozialabgaben-Vorstoß
„Die Idee scheint mir ziemlich unausgegoren“
Strategien zur Klimarettung
Klimapopulismus, ja bitte!
Habeck stellt neues Buch vor
Sich „tastend bewegen“
Robert Habeck im Untersuchungsausschuss
Atomausstieg ohne Denkverbote
Budapest-Komplex
Frankreich zweifelt an fairem Verfahren in Ungarn
Grüner als die Grünen
Friedrich Merz wird Klimakanzler …