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Boris Johnsons ParteitagsredeAuch heiße Luft wärmt

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der britische Premier Johnson verspricht auf dem Parteitag der Tories eine bessere Zukunft. Doch konkrete Lösungen für die Wirtschaftsprobleme fehlen.

Premierminister Boris Johnson beim Parteitag der Tories Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

W er könnte dem widersprechen: Großbritannien als Land mit „hohen Löhnen, hoher Bildung, hoher Produktivität, in dem alle auf ihre Arbeit stolz sein können“ und nicht eines „mit niedrigen Löhnen, niedrigem Wachstum, niedriger Bildung und niedriger Produktivität“. Die leuchtende Zukunftsvision, die Boris Johnson für Großbritannien in seiner Rede auf dem konservativen Jahresparteitag gemalt hat, hätte genauso gut von Labour-Chef Keir Starmer stammen können. Dass alles besser werden soll – darüber lässt sich kaum streiten.

Viel konkreter wurde der britische Premier leider nicht, und wer gehofft hat, Johnson werde eine magische Lösung für sämtliche aktuellen Versorgungsprobleme in der britischen Wirtschaft aus seinem Haarschopf zaubern, wurde enttäuscht. Denn diese magische Lösung gibt es nicht. Großbritannien wurstelt sich irgendwie durch – wie immer.

Dank Notlösungen und außerordentlicher Mobilisierungen sind die schlimmsten Knappheiten bereits überwunden, es wird schon irgendwie gut gehen, und wer Aufheiterung braucht, kann sich eine Johnson-Rede anhören, voller Sprachwitz und gespielter Unbeholfenheit. Dieses Rezept ist bisher schließlich auch aufgegangen. Auch an heißer Luft kann man sich aufwärmen.

Auf Dauer funktioniert das allerdings nicht. Wenn Johnson bei jeder Gelegenheit eine leuchtende Zukunft verspricht, wird er irgendwann sagen müssen, wie genau man sie erreichen kann. Ein kompetenter und durchdachter Umgang mit den aktuellen Wirtschaftsproblemen wäre schon einmal ein guter Anfang.

Je leuchtender die Zukunft, die der Premier malt, desto höher schraubt er die Erwartungen, die er irgendwann gegenüber dem Wahlvolk erfüllen muss. Das aber ist nichts Schlechtes. Viele Linke kriegen jedes Mal einen Nervenzusammenbruch, wenn Boris Johnson den Mund aufmacht, aber eigentlich sollten sie sich bestätigt fühlen, wenn selbst ein konservativer Premierminister sich freiwillig zu „hohen Löhnen, hoher Bildung, hoher Produktivität“ bekennt.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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6 Kommentare

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  • @RUDI HAMM:

    Wenn aber Volksabstimmungen, dann sollte man zuerst solche Buden wie Cambridge Analytica [1] dichtmachen. Am Besten gleich Facebook ganz rauswerfen.

    [1] Hat den Namen geändert. Heisst heute Emerdata.

  • Sie haben den Brexit gewählt, sie haben ihn bekommen. Die Geschichte wird uns zeigen ob es falsch oder richtig war.



    Hier wird doch immer von Volksabstimmung geschrieben und dass man sie verbindlich machen sollte. Der Brexit war so eine Volksabstimmung, also Wille des Volkes. Das sollten wir akzeptieren.



    Wer Boris wählt, bekommt halt Boris.

  • "Großbritannien als Land mit „hohen Löhnen, hoher Bildung, hoher Produktivität, in dem alle auf ihre Arbeit stolz sein können“ und nicht eines „mit niedrigen Löhnen, niedrigem Wachstum, niedriger Bildung und niedriger Produktivität“."

    Lebt man in einer Londoner Villenblase, mag man das so sehen... Das Land aber sieht eher aus wie Deutschland 1960... OK, damit ist man immer noch besser als 98% der Welt.

  • "sich freiwillig zu „hohen Löhnen, hoher Bildung, hoher Produktivität“ bekennt."

    Das ist aber eines der Probleme der britischen Wirtschaft.

    Die Produktivität nimmt seit 20 Jahren kontinuierlich ab. Die Arbeitsproduktivität, also BIP je Erwerbstätigen in Kaufkraftstandards lag im UK 2000 noch bei 110,2, 2019 lag sie nur noch bei 99,7%.

    ec.europa.eu/euros...ault/table?lang=de



    Ich höre aber bisher nichts, wie das konkret wieder besser werden soll.

    Und es gibt einige konkrete Dinge, wo Boris mal sagen sollte, wie wollen wir das erreichen. Erschließung neuer Öl- und Erdgasfelder in der Nordsee, ja oder nein, zum Beispiel. Die Industrie will, die SNP will nicht und BoJo schweigt.

    www.bbc.com/news/uk-scotland-58186181

  • „ . . . , und wer Aufheiterung braucht, kann sich eine Johnson-Rede anhören, voller Sprachwitz und gespielter Unbeholfenheit. Dieses Rezept ist bisher schließlich auch aufgegangen. Auch an heißer Luft kann man sich aufwärmen“



    Was hätte Obelix gesagt? – „Die spinnen, die Briten!“

  • Wieso. Bisher läuft es doch prima für BJ. Der ist doch lediglich Poster Boy für etwas viel finstereres [1] [2] [3] [4] [5]. Ähnlich diesem wunderschönen Gesicht aus der Werbung für eine Partnervermittlungsagentur, bei dem mensch sich fragt: "wenn's das wirklich gibt: braucht das überhaupt eine Partnervermittlung?"

    Ähnlich unserem X in "Alle 11 Minuten verliebt sich X in sich selbst". Gut bezahlter Job, nicht mehr.

    [1] en.wikipedia.org/wiki/55_Tufton_Street



    [2] taz.de/Aus-Le-Mond...omatique/!5742962/



    [3] www.desmog.com/202...-lobbying-network/



    [4] bylinetimes.com/20...on-street-network/



    [5] www.thelondonecono...nvironment-177600/