Korruptionsvorwürfe in Großbritannien: Doch nur ein Scharlatan

Die britischen Tories unter Premier Johnson stehen nach einer Korruptionsaffäre unter Druck. Unzählige Kehrtwenden tun ihre Übriges.

Premierminister Boris Johnson.

Premierminister Boris Johnson vor der 10 Downing Street Foto: Jacob King/PA Wire/dpa

Manche beschrieben den britischen Premier Boris Johnson schon immer als Clown oder Brexit-Scharlatan. Doch mit seiner Politik des Aufbaus im geschwächten englischen Norden und mit Bereitschaft zu Rekordinvestitionen ins Gesundheitssystem trat Johnson gegen alte Weisheiten neokonservativer Politik an. Viele ließen diesen Tory noch mal durchgehen, selbst Labourhochburgen eroberte er 2019.

Doch Johnson leidet an einer für Po­li­ti­ke­r:in­nen verheerenden Krankheit. Er trifft falsche Entscheidungen und zieht sie dann zurück. Seine Regierung ist inzwischen für über 40 solcher sogenannter U-Turns verantwortlich. Keins dieser Eigentore war bisher jedoch so groß wie jenes vor zwei Wochen, als er den Fraktionszwang aussetzen ließ, um die Stelle für parlamentarische Standards abschaffen zu können. So wollten die Tories einen der Ihren retten, der im Hinterkämmerchen versucht hatte, durch Lobbyarbeit für den Pharmakonzern Randox Regierungsgeschäfte zu beeinflussen.

Die Empörung darüber, dass so schleimige Deals legitimiert werden, war groß. Der U-Turn folgte schon am nächsten Morgen. Doch Medien und Opposition suchten nun erst recht nach Schleim und wurden fündig. Nicht nur der ehemalige Generalstaatsanwalt, der aus und für das Tropenparadies Bahamas arbeitete, wurde genauer unter die Lupe genommen, sondern auch Regierungsaufträge für Parteifreunde, Urlaube und Spenden, sowie die aufwändige Renovierung von Johnsons Amtssitz in der Downing Street.

Sonst drückt sich Johnson gern davor, sich für Fehler zu entschuldigen, und schickt andere vor. Immerhin gestand er jetzt, er habe den Wagen auf gerader Fahrbahn gecrasht, wahrscheinlich den einstigen roten Brexitbus. Was hatte Johnson nicht alles versprochen. Und jetzt ist er doch wie die meisten Politiker:innen: Selbstgefällig, wichtigtuerisch, Wahlversprechen nicht einhaltend, voller schlechter Überraschungen: ein politischer Scharlatan eben doch.

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Seit 2012 für die taz im ständigen Einsatz. In München geboren und aufgewachsen, machte er sein Abitur in Israel. Seit 1991 lebt er im Herzen Londons, wo er zunächst drei Hochschulabschlüsse absolvierte, unter anderem an der SOAS, wo er Politik und Geschichte studierte. Nach einer Rundfunkausbildung war er zunächst für DW im Einsatz. Neben dem Journalistischen war er unter anderem als qualifizierter Pilateslehrer, Universitätsassistent und für das britische Büro des jüdisch-palästinensischen Friedensdorfes Wahat al-Salam ~ Neve Shalom tätig. Für die taz bereist er nicht nur die abgelegensten Ecken Großbritanniens, sondern auch die Karibik und die Kanalinseln. Sein Buch über die Schoa "Soll sein Schulem. Verluste, Hass, Mord, Fragen der Identität aus autobiografischer Sicht," soll Ende 2024 oder Anfang 2025 erscheinen.

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