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Boom der BalkonkraftwerkeEnergiewende privat

Mehr als 400.000 steckerfertige Solaranlagen gibt es in Deutschland, Tendenz steil nach oben. Gesetze, die das Wachstum fördern, ziehen sich jedoch.

Auch in Stralsund: Solaranlage am Balkon Foto: dpa

Bonn/Berlin dpa | An immer mehr deutschen Balkonen hängen Solarzellen. In den vergangenen Jahren haben die sogenannten Balkonkraftwerke einen regelrechten Boom erlebt, sind sie doch eine relativ einfache und bezahlbare Möglichkeit selbst für Mieter, sich an der Energiewende zu beteiligen oder einfach Stromkosten zu sparen. Auch die Politik beschäftigt sich mit den steckerfertigen Solaranlagen, wie die Geräte korrekt heißen. An einigen Stellen hakt es dabei aber noch. Ein Blick auf Stand, Entwicklung und Zukunft

Inzwischen sind mehr als 400.000 der sogenannten steckerfertigen Solaranlagen in Betrieb, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur mit Stand vom 2. April hervorgeht. Alleine im ersten Quartal kamen demnach mehr als 50.000 dort registrierte Anlagen hinzu. Tatsächlich dürften beide Zahlen noch höher liegen, da es einerseits nicht registrierte Anlagen gibt, andererseits Anlagen auch nachgemeldet werden können. Zum Vergleich: Vor neun Monaten – Mitte 2023 – lag die Zahl der als in Betrieb gemeldeten Anlagen bei etwa 230.000.

Die meisten Anlagen gibt es mit deutlich mehr als 80.000 in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern mit mehr als 60.000 und Niedersachsen mit mehr als 50.000. Für Baden-Württemberg wurden Anfang April knapp 50.000 Anlagen angezeigt, die Realität dürfte auch hier darüber liegen. Grob folgt die Verteilung also den Landes- und Bevölkerungsgrößen, Schlusslichter sind entsprechend die Stadtstaaten und das Saarland.

Wachstum geht weiter, aber gedämpft

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hält es für wahrscheinlich, „dass die Nachfrage nach Solartechnik insgesamt auch 2024 weiter zunehmen wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Allerdings werde sich das Marktwachstum abflachen, das in der Vergangenheit noch im dreistelligen Prozentbereich gelegen habe. Es liege in der Natur der Sache, dass sich das nicht beliebig oft wiederholen lasse. Zudem habe es zuletzt unter anderem durch die Energiekrise im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Sonderkonjunktur gegeben, die jetzt etwas abebbe.

Ein Stück weit helfen könnte die zum Monatswechsel in Kraft getretene Änderung bei der Registrierung neuer Balkonkraftwerke. „So wie jede unverhältnismäßige Marktbarriere die Nachfrage bremst. So führt umgekehrt fast jeder Abbau von Bürokratie zu einer Belebung der Nachfrage“, sagt Körnig. „Wir begrüßen die vereinfachte Registrierung der Steckersolargeräte ab dem 1. April sowie weitere Anstrengungen der Bundesregierungen zum Bürokratieabbau außerordentlich.“ Die Bundesnetzagentur hat zum 1. April die Registrierung von Balkonkraftwerken im Marktstammdatenregister bereits vereinfacht und verweist auf weitere geplante Maßnahmen in einem geplanten Solarpaket.

Schon im vergangenen August hatte das Bundeskabinett ein Solarpaket auf den Weg gebracht. Es enthält unter anderem den Abbau bürokratischer Hürden für den Ausbau der Sonnenenergie. Nur: Das Paket hängt seit Monaten in den parlamentarischen Beratungen fest. Umstritten ist vor allem eine gezielte Förderung der heimischen Solarindustrie mit Steuergeldern – angesichts von chinesischen Dumpingpreisen. Das will die FDP nicht mitmachen. Zusammen mit dem Solarpaket verhandeln die Ampel-Fraktionen außerdem eine Reform des Klimaschutzgesetzes, die ebenfalls umstritten ist. Eine Einigung über beide Vorhaben könnte es bald geben.

„Wir hoffen, dass es noch im April zu einer Verabschiedung des Solarpakets I im Bundestag kommen wird“, heißt es dazu vom BSW. Der Gesetzesentwurf enthält eine ganze Reihe an Maßnahmen zum Bürokratieabbau, unter anderem ist vorgesehen, dass Balkonkraftwerke grundsätzlich nicht mehr beim Netzbetreiber gemeldet werden müssen. Eine Registrierung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur wird dann ausreichend sein.

Erleichterungen für Wohnungseigentümer und Mieter

Für Wohnungseigentümer und Mieter will die Regierung es zudem einfacher machen, ein Balkonkraftwerk anzubringen. Konkret geht es um Änderungen im Mietrecht und im Wohnungseigentumsrecht. Die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte soll in den Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen aufgenommen wird. Das sind bauliche Veränderungen, die von Vermietern und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) nicht einfach blockiert werden können – beispielsweise Umbauten für Barrierefreiheit, E-Mobilität, Einbruchschutz und Telekommunikation.

Vermieter und die WEG sollen zwar immer noch ein Mitspracherecht haben, wenn es darum geht, wie ein Steckersolargerät am Haus angebracht wird. Ob so eine Anlage überhaupt installiert werden darf, wäre dann aber nicht mehr grundsätzlich strittig – es soll also einen Anspruch darauf geben.

Bisher stellt die Installation eines Steckersolargeräts laut Justizministerium im Regelfall eine bauliche Veränderung dar und bedarf einer Mehrheit in der Wohnungseigentümerversammlung. „In der Praxis kann es schwierig sein, die erforderliche Mehrheit zu erlangen“, heißt es im Gesetzentwurf.

Für Mieter ist Folgendes geplant: Bisher setzt die Installation eines Balkonkraftwerks die Erlaubnis des Vermieters voraus – sofern dies nicht im Mietvertrag geregelt ist. Künftig sollen Mieter vom Vermieter grundsätzlich verlangen können, dass ihnen die gegebenenfalls notwendige bauliche Veränderung zur Installation des Geräts gestattet wird. Aber: Ein Anspruch des Mieters oder der Mieterin auf Erlaubnis besteht nicht, wenn die Installation des Steckersolargeräts dem Vermieter oder der Vermieterin nicht zugemutet werden kann, so das Justizministerium zum Gesetzentwurf. Was genau aber dies bedeute, werde nicht klar, kritisierte der Deutsche Mieterbund in einer Bundestags-Anhörung.

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13 Kommentare

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  • Mir ging es gar nicht um die Förderung, und das obwohl Mainz in 2023 400EUR zugebuttert hätte, wenn die MZGV Grundstücksverwaltung nicht nur einmal pro Jahr eine Eigentümerversammlung abhielte. Kein Eigentümer im Haus wäre nach meiner Kenntnis dagegen, aber sie müssen in einer Versammlung die Hand heben und der Antrag muss natürlich vom Eigentümer eingebracht werden. Bis dahin liegt die Anlage auf dem Balkon. Schön, wenn der Amtsschimmel wiehert und das nach dem nicht ganz trivialen Aufwand eine Anlage anzumelden. Lt. Internet wären ca. über 50% aller Anlagen nicht offiziell angemeldet. Ich kann es verstehen.

  • Ein wenig beachteter Nebeneffekt der Balkonkraftwerke ist, dass sie den Strompreis in die Höhe treiben.



    Wenn abends die Sonne untergeht, müssen Netze und Kraftwerke wieder den vollen Strombedarf decken. Deren Kapital- und Unterhaltskosten müssen dann auf weniger Kilowattstunden umgelegt werden.

    • @sollndas:

      1. Das treibt nur dann den Preis, wenn die Energie, die zur zur Herstellung der kwh notwendig ist, billiger ist als die kwh Strom aus dem Balkonkraftwerk.



      2. Das gilt für jede Solaranlage



      3. Pufferspeicher federn das ab, wenn die derzeit wirtschaftlich i.d.R. nicht lohnend sind.



      4. Durch zunehmende E-Mobilität steigt der Strombedarf und die Speicher, die den Strom aufnehmen, treten hinzu. Was die Verteilung des Stroms glättet.

      • @Strolch:

        1. Nö. Es geht um die Unterhalts- und Bereitstellungskosten von Netz und Kraftwerken. Die sind unabhängig vom Erzeugungspreis einer kWh.



        2. Stimmt fast. Mit Ausnahme von Inselanlagen.



        3. Nö. Pufferspeicher verstärken den Effekt, da dann noch weniger kWh durchs Netz müssen, auf die die Fixkosten umgelegt werden können.



        4. Nö. Netze und Kraftwerkspark müssen auf Maximallast ausgelegt werden, sonst wird es öfter mal duster. Und die Maximallast tritt genau dann auf, wenn bei passendem Wetter nach 24 bis spätestens 48 Stunden die Pufferspeicher und Akkus der E-Autos leer sind; die Speicherchen schieben den Lastpeak nur vor sich her, wie eine Planierraupe den Kies, und erhöhen ihn noch (die leeren Akkus müssen ja wieder aufgeladen werden :-)). Die notwendige Auslegung auf Spitzenlast treibt die Fixkosten weiter in die Höhe...



        Übrigens glätten E-Autos nichts, die verursachen einen Lastpeak nach Feierabend.

  • Dass das sog. Solarpaket I weiterhin hängt, ist vermutlich kein Zufall. Auch bisher war die dezentrale private Stromerzeugung gespickt mit willkürlichen technischen und rechtlichen Schikanen, wobei die technischen leicht zu entkräften waren, so geschehen in Schwerpunktartikeln der ct in den letzten Jahren. Und einige rechtliche sollen jetzt auch fallen. Warum waren die vorher unverzichtbar?

    Es war und ist der Politik wichtig, dass den großen Energieversorgern nicht das Geschäft streitig gemacht wird. Dafür bremst sie lieber die Energiewende aus. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wo soll denn der zigfache Strom herkommen, der in den nächsten Jahren gebraucht wird, wenn nicht aus der Fläche?

    In anderen Ländern (Niederlande, Österreich, selbst beim Öko-Loser Australien) ist man längst weiter, da ist die zulässige Leistung höher angesetzt und Zähler dürfen auch rückwarts laufen, man muss kein Gewerbe anmelden, wenn man zurückspeist und bekommt dafür nicht nur Peanuts. Und das Ganze erstens bezahlbar und zweitens schnell rentabel.

    DAS wären Anreize, die einen satten privaten Solarboom erst auslösen. Denn dann verschenkt man a) den Strom nicht an den Netzbetreiber und hat b) Anlagen in einer Größenordnung, die über Spielerei hinausgehen. Und komisch, dass die neuen Smart Meter nicht rückwärts laufen können, technisch gibt es keinen Grund dafür.

    Die genannten Installationszahlen dürften übrigens eher doppelt so hoch liegen, weil viele sich sagen, diese durch Lobbyismus verursachte Blockade mache ich nicht mehr mit. Richtig so, denn da kann man lange warten, bis die Politik unabhängig vom Lobbyismus vernünftige Rahmenbedingungen schafft. Da entlang ist die Kopplung mit der Förderung der PV-Industrie ein gängiger Trick, um Zeit zu schinden oder das Paket zu verwässern oder ganz entgleisen zu lassen.

  • Nun wartet mal ab. Es wäre eine Überraschung, sollte die Pseudo-Partei FDP nicht doch noch den Querulanten geben und Probleme machen....

    • @Perkele:

      Sie scheinen einen FDP Komplex zu haben und all die schlechte Arbeit der Ampel alleine der FDP anhängen zu wollen.



      Daher zwei Frage an sie:



      1) Warum ist die ihrer Ansicht nach eine "Pseudo-Partei", wo sie doch gewählt wurde?



      2) Warum kündigen SPD und Gründe nicht die Ampel, wenn das regieren mit der FDP so unsagbar schlecht geht?



      Ich meine alle drei Parteien liefern ein schlechtes Bild ab, keiner ist besser als der andere.

      • @Rudi Hamm:

        Es ist deshalb eine Pseudo-Partei weil sie keine wirkliche Verantwortung für die Allgemeinheit tragen will. Die sind ausschließlich an ihrer eigenen Klientel orientiert. Warum sollten die beiden anderen Parteien das Regierungsbündnis aufkündigen? Der Köingsmörder ist seit jeher ein Verlierer. Ja, auch SPD und GRÜNE haben Fehler gemacht, doch sind sie längst nicht so uneinsichtig wie die "Liberalen". Ja, die FDP ist zu einem Riesenanteil verantwortlich für das miserable Bild der Koa. Scholz ist ein Ausfall - er führt nicht und labert nur....

  • Unzulässige Koppelung zweierlei Dinge



    Die Erleichterung eines Balkonkraftwerks (hauptsächlich 800W, Schukostecker) mit der Förderung deutscher PV-Industrie zu koppeln ist ein Unding. Macht zwei Pakete daraus, gebt das Paket "Balkonkraftwerk sofort frei und streitet euch beim anderen, wenn es sein muss.

    Das ist wie mit S21, da wurde auch der Bahnhof mit der Strecke Stuttgart Ulm verknüpft, obwohl es zweierlei Dinge waren.

  • Das ist keine Energiewende sondern Spielerei und Netzbetreiber bekommen noch was geschenkt. Vermieter müssten verpflichtet werden, PV aufs Dach zu machen. Und srlbst wenn sie sowieso wolken, PVStrom vom Dach an Mieter ist bislang quasi unmöglich, dieser Sumpf an Verordnungen wird wohl noch lange bestehen bleiben.

    • @Momo33:

      Ich glaube nicht, dass die Netzbetreiber über das Geschenk glücklich sind. Die letzten Tage haben wir um die Mittagszeit negative Strompreise gehabt. Dann, wenn die Balkon- (und andere Solarkraftwerke) soviel Strom produzieren, der nicht genutzt wird, muss der Netzbetreiber draufzahlen. Bei schlechtem Wetter und im Winter (wenn der Strom für den Netzbetreiber einen Wert hätte) wird der Strom vom Balkonkraftwerk i.d.R. komplett im Haus verbraucht und es gibt kein Geschenk.

    • @Momo33:

      Jein. Individuen können so von jetzt auf gleich mit einfachen Mitteln ihre Stromkosten reduzieren und einen persönlichen Beitrag zur Energiewende leisten. Auch wenn der insgesamt betrachtet nicht groß ist, werden sie doch Teil der Energiewende. Eine Verpflichtung der Vermieter*innen zu PV auf ihren Immobilien samt Reduzierung von Bürokratie sollte gleichwohl angestrengt werden.

  • Gut, dass Konzerne wie in diesem Fall Energieerzeuger keinerlei Einfluss auf die Gesetzgebung haben. Man könnte ja sonst meinen, Politiker wären durch Lobbyisten beeinflussbar.