Boom der Balkonkraftwerke: Energiewende privat
Mehr als 400.000 steckerfertige Solaranlagen gibt es in Deutschland, Tendenz steil nach oben. Gesetze, die das Wachstum fördern, ziehen sich jedoch.
Inzwischen sind mehr als 400.000 der sogenannten steckerfertigen Solaranlagen in Betrieb, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur mit Stand vom 2. April hervorgeht. Alleine im ersten Quartal kamen demnach mehr als 50.000 dort registrierte Anlagen hinzu. Tatsächlich dürften beide Zahlen noch höher liegen, da es einerseits nicht registrierte Anlagen gibt, andererseits Anlagen auch nachgemeldet werden können. Zum Vergleich: Vor neun Monaten – Mitte 2023 – lag die Zahl der als in Betrieb gemeldeten Anlagen bei etwa 230.000.
Die meisten Anlagen gibt es mit deutlich mehr als 80.000 in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern mit mehr als 60.000 und Niedersachsen mit mehr als 50.000. Für Baden-Württemberg wurden Anfang April knapp 50.000 Anlagen angezeigt, die Realität dürfte auch hier darüber liegen. Grob folgt die Verteilung also den Landes- und Bevölkerungsgrößen, Schlusslichter sind entsprechend die Stadtstaaten und das Saarland.
Wachstum geht weiter, aber gedämpft
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hält es für wahrscheinlich, „dass die Nachfrage nach Solartechnik insgesamt auch 2024 weiter zunehmen wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Allerdings werde sich das Marktwachstum abflachen, das in der Vergangenheit noch im dreistelligen Prozentbereich gelegen habe. Es liege in der Natur der Sache, dass sich das nicht beliebig oft wiederholen lasse. Zudem habe es zuletzt unter anderem durch die Energiekrise im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Sonderkonjunktur gegeben, die jetzt etwas abebbe.
Ein Stück weit helfen könnte die zum Monatswechsel in Kraft getretene Änderung bei der Registrierung neuer Balkonkraftwerke. „So wie jede unverhältnismäßige Marktbarriere die Nachfrage bremst. So führt umgekehrt fast jeder Abbau von Bürokratie zu einer Belebung der Nachfrage“, sagt Körnig. „Wir begrüßen die vereinfachte Registrierung der Steckersolargeräte ab dem 1. April sowie weitere Anstrengungen der Bundesregierungen zum Bürokratieabbau außerordentlich.“ Die Bundesnetzagentur hat zum 1. April die Registrierung von Balkonkraftwerken im Marktstammdatenregister bereits vereinfacht und verweist auf weitere geplante Maßnahmen in einem geplanten Solarpaket.
Schon im vergangenen August hatte das Bundeskabinett ein Solarpaket auf den Weg gebracht. Es enthält unter anderem den Abbau bürokratischer Hürden für den Ausbau der Sonnenenergie. Nur: Das Paket hängt seit Monaten in den parlamentarischen Beratungen fest. Umstritten ist vor allem eine gezielte Förderung der heimischen Solarindustrie mit Steuergeldern – angesichts von chinesischen Dumpingpreisen. Das will die FDP nicht mitmachen. Zusammen mit dem Solarpaket verhandeln die Ampel-Fraktionen außerdem eine Reform des Klimaschutzgesetzes, die ebenfalls umstritten ist. Eine Einigung über beide Vorhaben könnte es bald geben.
„Wir hoffen, dass es noch im April zu einer Verabschiedung des Solarpakets I im Bundestag kommen wird“, heißt es dazu vom BSW. Der Gesetzesentwurf enthält eine ganze Reihe an Maßnahmen zum Bürokratieabbau, unter anderem ist vorgesehen, dass Balkonkraftwerke grundsätzlich nicht mehr beim Netzbetreiber gemeldet werden müssen. Eine Registrierung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur wird dann ausreichend sein.
Erleichterungen für Wohnungseigentümer und Mieter
Für Wohnungseigentümer und Mieter will die Regierung es zudem einfacher machen, ein Balkonkraftwerk anzubringen. Konkret geht es um Änderungen im Mietrecht und im Wohnungseigentumsrecht. Die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte soll in den Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen aufgenommen wird. Das sind bauliche Veränderungen, die von Vermietern und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) nicht einfach blockiert werden können – beispielsweise Umbauten für Barrierefreiheit, E-Mobilität, Einbruchschutz und Telekommunikation.
Vermieter und die WEG sollen zwar immer noch ein Mitspracherecht haben, wenn es darum geht, wie ein Steckersolargerät am Haus angebracht wird. Ob so eine Anlage überhaupt installiert werden darf, wäre dann aber nicht mehr grundsätzlich strittig – es soll also einen Anspruch darauf geben.
Bisher stellt die Installation eines Steckersolargeräts laut Justizministerium im Regelfall eine bauliche Veränderung dar und bedarf einer Mehrheit in der Wohnungseigentümerversammlung. „In der Praxis kann es schwierig sein, die erforderliche Mehrheit zu erlangen“, heißt es im Gesetzentwurf.
Für Mieter ist Folgendes geplant: Bisher setzt die Installation eines Balkonkraftwerks die Erlaubnis des Vermieters voraus – sofern dies nicht im Mietvertrag geregelt ist. Künftig sollen Mieter vom Vermieter grundsätzlich verlangen können, dass ihnen die gegebenenfalls notwendige bauliche Veränderung zur Installation des Geräts gestattet wird. Aber: Ein Anspruch des Mieters oder der Mieterin auf Erlaubnis besteht nicht, wenn die Installation des Steckersolargeräts dem Vermieter oder der Vermieterin nicht zugemutet werden kann, so das Justizministerium zum Gesetzentwurf. Was genau aber dies bedeute, werde nicht klar, kritisierte der Deutsche Mieterbund in einer Bundestags-Anhörung.
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