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Börsencrash nach Trump-ZöllenÖkonomen befürchten drittes Rezessionsjahr

Demnächst-Kanzler Merz plädiert für Steuersenkungen als Reaktion auf die Baisse an den Finanzmärkten. Experten rechnen mit anhaltender Rezession.

Bärige Zeiten an den Börsen Foto: Jan Huebner/imago

Berlin rtr/taz | Der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Handelskrieg lässt nicht nur weltweit die Börsenkurse crashen. Er macht eine erneute Rezession der deutschen Wirtschaft nach Prognose von Ökonomen wahrscheinlicher. CDU-Chef Friedrich Merz fordert nach dem Absturz von Aktienkursen an weltweiten Börsenplätzen deutliche Konsequenzen für die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.

„Die Lage an den internationalen Aktien- und Anleihemärkten ist dramatisch und droht sich weiter zuzuspitzen“, sagte der voraussichtliche Kanzler der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Am Morgen war der Deutsche Aktienindex Dax mit einem Minus von 10 Prozent in den Handel gestartet.

„Es ist deshalb dringlicher denn je, dass Deutschland so schnell wie möglich seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt“, fügte Merz hinzu. „Diese Frage muss jetzt im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen. Wir brauchen Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, einen spürbaren Rückbau der lähmenden Bürokratie, die Senkung der Energiepreise und eine Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme.“ CDU, CSU und SPD haben ihre Gespräche am Montag fortgesetzt und streben eine Einigung noch in dieser Woche an.

Ökonomen befürchten anhaltende Rezession

Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass die kommende Bundesregierung schnell einen entscheidenden Beitrag leisten kann. „In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern“, schrieben die Ökonomen Marc Schattenberg und Robin Winkler von Deutsche Bank Research am Montag in einer Analyse. Daher könnte sich die bisherige Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2025 als zu optimistisch herausstellen, falls sich die angekündigten „reziproken“ US-Zölle als dauerhaft erweisen sollten. „Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge“, so die beiden Experten. Europas größte Volkswirtschaft ist bereits 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft, 2024 dann um weitere 0,2 Prozent.

„Kurzfristig hat sich mit dem Handelskrieg die Wahrscheinlichkeit auf eine richtige technische Rezession in Deutschland erhöht“, sagte auch ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Nach dem leichten Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt von 0,2 Prozent im Schlussvierteljahr 2024 könnte es im ersten und zweiten Quartal 2025 nun ebenfalls sinken. Schon bei zwei Negativ-Quartalen wird von einer technischen Rezession gesprochen. „Damit ist das Gesamtjahr nicht mehr zu retten, auch wenn eine neue Bundesregierung noch etwas unternehmen sollte“, sagte Brzeski.

Handelsverband senkt Exporterwartungen

Der deutsche Außenhandelsverband BGA will wegen des massiven Handelskonflikts seine ohnehin geringen Exporterwartungen für das laufende Jahr senken. „Unsere Prognose von minus 2,7 Prozent war schon historisch düster, wir werden sie im Laufe der nächsten Wochen aber noch deutlich nach unten korrigieren“, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura der Nachrichtenagentur Reuters. „Auch wenn Verhandlungen mit den USA noch im Raum stehen, werden die Folgen dieses Handelskriegs, den die USA begonnen haben, zu einem Einbruch des Wirtschaftswachstums, höherer Inflation und Arbeitsplatzverlusten in den USA und Europa führen.“

Präsident Trump hat vorige Woche hohe Zölle auf Einfuhren aus fast allen Ländern angekündigt. So soll für fast alle Waren aus der Europäischen Union ein Zoll von 20 Prozent fällig werden. Für Stahl, Aluminium und Autos sind es sogar 25 Prozent. China hat Vergeltungszölle von 34 Prozent auf US-Importe angekündigt. An den Börsen kam es weltweit zu einem Kursrutsch.

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4 Kommentare

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  • Mir ist nicht ganz klar, was Herr Merz gedenkt, mit grossflächigen Steuersenkungen für die Unternehmen zu erreichen. Zwar senkt das die Kosten, sicher, aber der Exporteinbruch ist ja nun nicht nurcden Produktionskosten sondern den schwindenden Absatzchancen zu verdanken. Z.B. der Handelskrieg mit China, ein zunehmender Protektionismus in der Welt, gestörte Lieferketten, gestiegene Transportkosten wg. höherer Versicherungskosten und/oder Umwege, allgemeine Unsicherheit bzgl. des Fortbestehens internationaler Regelungen usw. Insgesamt importieren viele Länder weniger aus Europa. Geldmangel, veränderte Schwerpunkte, Kriege.... die Liste der Ursachen ist divers. Zum Teil werden wir das durch eine verstärkte Binnennachfrage und einen weiter verstärkten innereuropäischen Handel kompensieren müssen. Es werden auch Überkapazitäten abgebaut werden. Andere Firmen müssen ihre Produktpalette ändern. Etc. Das kriegt man doch nicht mit generellen Steuerentlastungen in den Griff. Ist Merz jetzt Liz Truss???



    Die Steuersenkungen belasten doch nur den öffentlichen Haushalt, zusätzlich zu den Zinsen für die milliardenschweren Kreditpakete. Wir brauchen einen Strukturwandel, keine Kosmetik.

  • Es kommt doch darauf an. Fällt sinnloses oder gar umweltschädliches Zeugs weg (Auto-Poser-Felgen, Atomkraftwerke, ...), hat man ähnliche Wohlfahrt mit weniger Ressourcenverbrauch (der bekanntlich schon überhoch ist).



    Mensch müsste noch genauer hinsehen.

  • Ja ich denke auch, dass man die wegfallende Auslandsnachfrage aus den USA wegen der Zölle am besten kompensiert, indem man die Inlandsnachfrage senkt. Friedrich Merz ist halt ein echter Wirtschaftsexperte.

    • @TeeTS:

      Hahaha, ja genau :-).