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Boeing gesteht Software-Fehler ein346 Tote später

Nach zwei Flugzeugabstürzen stand die Ausbildung der Boeing-Piloten am Flugsimulator in der Diskussion. Nun bessert der US-Konzern nach.

Darf wieder: nach zwei Abstürzen wurde ein weltweites Flugverbot für die Boeing 737 Max verhängt Foto: dpa

Chicago/Washington dpa | Der US-Flugzeugbauer Boeing hat nach den Unglücken mit dem Passagierjet 737 Max jetzt auch Mängel an der Software des Flugsimulators beseitigt. Die Verbesserungen sollen sicherstellen, dass der Simulator unter verschiedenen Flugbedingungen genauso reagiert wie das Flugzeug, wie Boeing am Samstagabend (Ortszeit) mitteilte. Durch die Änderungen soll der Simulator den Angaben zufolge besser zeigen können, wie sich die Bedienung des manuellen Trimmrads durch die Piloten auf das Flugverhalten der Maschine auswirkt. Mit dem Trimmrad kann der Pilot den Flugwinkel des Jets verändern.

Beim Absturz einer Boeing 737 Max von Ethiopian Airlines im März und einer Maschine gleichen Typs der indonesischen Fluglinie Lion Air im Oktober waren insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen. In beiden Fällen war möglicherweise die MCAS-Software verantwortlich. Der Bordcomputer soll die Nase der Boeing nach unten gedrückt haben, die Besatzung war nicht mehr in der Lage, den Fehler zu korrigieren. In diesem Zusammenhang war auch die Frage aufgekommen, wie gut die Piloten über dieses System Bescheid wussten – und wie gut sie beim Training im Simulator darauf vorbereitet worden waren.

Boeing hatte zuletzt mitgeteilt, die Entwicklung eines Updates für die Steuerungs-Software des Flugzeugs selbst abgeschlossen zu haben. Die US-Flugaufsichtsbehörde FAA muss die Änderungen noch zertifizieren, bevor die Maschinen wieder starten dürfen.

Boeing hat bisher rund 370 Maschinen der 737-Max-Reihe ausgeliefert. Das Flugzeug ist die modernisierte Neuauflage des seit den 1960er Jahren gebauten Mittelstreckenjets Boeing 737. In den Auftragsbüchern stehen Bestellungen für rund 5000 Maschinen. Eigentlich sollten jeden Monat mehr als 50 neue Maschinen der Reihe gebaut werden. Allerdings sind durch das Startverbot auch die Neuauslieferungen gestoppt. Boeing hat die Produktion daher bereits deutlich gedrosselt.

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16 Kommentare

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  • Das Problem liegt überhaupt nicht an irgendwelche Software sondern, dass Boeing speziell für dieses Modell erst ein Software entwickeln müsste, damit das Flugzeug gerade fliegen kann - dh. hier liegt ein Konstruktionsfehler, denn man aus Kostengründen mit Hilfe eines Softwares zu korrigieren versucht hat! Die Situation kann man mit einem Autohersteller vergleichen, der eine neue Baureihe produziert und feststellt, dass das Auto aufgrund von Karosseriefehler stets nach Rechts zieht! In Europa bekommen solche Produktionsfehlern keine Zulassung. Stattdessen hat Boeing aber ein Software eingesetzt, der ohne Kenntnis der Piloten in das "Lenkrad" eingreift und gegenlenkt! Das ist nicht weniger als Manipulation und eigentlich kriminell. Die Frage ist, was Boeing sonst alles vertuscht hat.

    • @mo papsin:

      Das stimmt so einfach nicht. Diese Software war "nur" dazu da, das unterschiedliche Verhalten dieses Modells aufgrund der anderen Triebwerke so an das Verhalten älterer Modelle anzupassen, dass sie sich für die Piloten gleich "anfühlt".

      Damit wollte man notwendige Schulungen vermeiden. Entsprechend auf diesem Modell geschult kann ein Pilot die Maschine auch ohne diese Software fliegen, aber sie verhält sich halt anders als die Vorgängermodelle.

      Das war Murks, in vieler Hinsicht (auch die Aufsichtsbehörden haben da gemurkst und die Fluggesellschaften, die sich neue Schulungen um fast jeden Preis sparen wollen erst recht), aber man muss da echt nicht sofort mit dem Holzhammer kommen und Boeing Kriminalität vorwerfen oder so tun, als sei diese Software nur ein Pflaster für ein ansonsten untaugliches Flugzeug.

      Auch die Piloten tragen da eine Mitschuld, denn wer so ein Ding mit Hunderten von Passagieren fliegt, ohne sich aus ganz eigenem Antrieb detailliert dafür zu interessieren, was zum Vorgängermodell geändert wurde, der ist auch nicht so ganz unschuldig. Die Piloten hätten diese fehlfunktionierende Automatik mit exakt EINEM Tastendruck abschalten können und dann wäre nichts passiert.

      Vielleicht bin ich da ja nur großkotzig, aber ich lese sogar bei einem Update einer unternehmenswichtigen Software alle dokumentierten Änderungen und probiere alles durch, und frage den Support, wenn irgendetwas unklar ist, und davon hängen noch nicht einmal Menschenleben ab. Von Piloten würde ich genau das auch erwarten, das sind halt nicht nur Busfahrer, auch wenn das in der Praxis letztlich genau so aussieht und man das nunmal nicht immer von jedem 100% erwarten kann.

      • @Mustardman:

        Ihre mit der Erklärung von Boeing Übereinstimmende Behauptung, "die Piloten wären Schuld" ist aufgrund der Auswertung der Flugdaten von Blackbox nicht haltbar! Denn die Daten haben in beiden Fällen gezeigt, dass die Piloten sich sehr wohl an die Anweisungen von Boeing gehalten, und verzweifelt versucht haben das Software auszuschalten! Denn ein Sensor hat das Software permanent solange eingeschaltet, bis das Flugzeug abstürzte! Daher wird ein Softwareupdate das Problem nicht lösen können! Denn der Sensor reagiert auf analoge Signale, die wohl aufgrund eines Konstrunktionsfehler in diesem Modell zu registrieren ist. Mit "einfachen" Worten: Der Sensor startet das Software genau wie der Pilot manuell ein. Es sind also zwei manuelle Schaltungen, die unabhängig voneinander das Software kontrollieren können! Hier in Europa wird es übrigen als kriminell eingestuft, wenn man seinen eigenen Produkten Tüv gibt - deswegen haben wir unabhängige Institutionen, die diese Aufgabe erledigen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Softwarefehler"

    Wenn Menschen mit den ihnen anvertrauten Maschinen nicht umgehen können, ohne dass es tödliche Folgen hat, ist es ein "Softwarefehler"? Vielleicht ist auch einfach "menschliches Versagen" wenn die Pilot*innen nicht genügend Praxisstunden in richtigen Flugzeugen bekommen.

    Im Jahr 2018 sind in Deutschland 3265 Menschen im Straßenverkehr umgekommen. Liegt dass an einem Fehler im Lehrplan bei der Fahrschule? Warum ist es vergleichsweise akzeptabel, wenn - auf den Straßenverkehr umgerechnet - aller 2-3 Wochen dieselbe Anzahl Menschen umkommen wie bei einem Absturz eines Jumbo-Jets?



    Bei Boing stürzen die Aktien ab, während die Opfer von VW, BMW etc höchstens noch eine Randnotiz im Lokalteil abgeben.

    Die Flugzeugabstürze beschäftigen wochenlang die Medien, während in derselben Zeit im Straßenverkehr dieselbe Anzahl Menschen sterben, ohne dass es medial derartig thematisiert wird. Gibt es ein Menschenrecht darauf, vielleicht aus Versehen jemanden umzufahren, nur weil man so bequem wie möglich von A nach B kommen will.



    Eine These lässt sich wohl vertreten: Wenn bei der Bahn jede Woche so viele Leute sterben würden wie im Autoverkehr, dann wäre sie längst abgeschafft.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Das ist ein verdammt schwieriges Thema, mit dem man kaum rational umgehen kann. In der Anfangszeit der kommerziellen Luftfahrt sind die Flugzeuge förmlich massenhaft abgestürzt, die Wahrscheinlichkeit, dass ein kommerzieller Linienpilot bei der Arbeit ums Leben kam, war bei über 50%. Geflogen sind trotzdem alle.

      Heute sind Flugzeuge so sicher wie noch nie, auch aufgrund immer ausgefeilterer Technik. Aber WENN da mal was schiefgeht mit dieser Technik, ist das Geschrei groß, weil sich damit ja wunderbar Stimmung machen läßt.

      Das ändert nichts daran, dass jeder Tote einer zu viel ist, aber heutige Flugzeuge sind immer noch sicherer als jemals zuvor. Und ich wage zu behaupten, dass sie noch sicherer werden, je mehr Arbeit den Piloten abgenommen wird, denn genauso wie fast überall sonst ist mittlerweile menschliches Versagen die Hauptunfallursache. Hätte Boeing diese Ausgleichssoftware nicht nur als Hilfe für die Piloten verbaut, sondern tatsächlich als Bestandteil des Autopiloten, hätte sie den Input von mehreren Sensoren benutzt und das Problem hätte niemals zu diesen Folgen geführt. Denn das war ja nur deshalb so, weil die (eher nebensächliche) Automatik sich nur auf einen Sensor verlassen hat und die Piloten nicht wussten, wie sie mit der dann auftretenden Fehlfunktion zurechtkommen können.

      Wie gesagt, schwieriges Thema.

      • @Mustardman:

        Da muss ich widersprechen.

        Boeing hätte bei einem System mit solchen Fehlerfolgen auf jeden Fall mit voller Redundanz arbeiten müssen. Egal wie man das System benennt.

        Ich weiß nicht, wo Sie den Begriff "Ausgleichsssoftware" her haben. Ich gehe davon aus, das es sich um das prozesstaktische Wording von Boeing handelt.

        Grund: Eigentlich gehören da einige Manager vor Gericht und angesichts des so offensichtlich krassen Umgehens einschlägiger Sicherheitsnormen eventuell auch ins Gefängnis.



        Von Schadenersatzforderungen mal ganz zu schweigen.

        Wenn Boeing das zugeben würde, wäre Boeing pleite.

        • @Sonntagssegler:

          Nein, das Wort "Ausgleichssoftware" war meine Erfindung.

          Dieses System sollte das unterschiedliche Verhalten dieses Modells (durch die größeren und weiter vorn angebrachten Triebwerke) so anpassen, dass es sich genauso verhält wie die älteren Modelle, damit die Piloten nicht extra auf den neuen Modellen geschult werden mussten. Was wiederum ein Verkaufsargument ist, das den Fluggesellschaften immer gefällt (wegen Kostenersparnis und besserer Einsetzbarkeit der Piloten).

          Dass die Kombination von fehlerhaften Sensoren, deren fehlende Redundanz und das fehlende Wissen der Piloten, wie man diese Funktion bei Problemen abschaltet (das geht mit einem Tastendruck, wenn man weiß welche Taste man drücken muss) tragische Folgen haben kann, wissen wir jetzt. Und ja, man hätte das auch vorher wissen können bzw. müssen.

          Wie fast immer bei solchen Unglücken gibt es da nicht eine Ursache, sondern eine Verkettung von mehren Ursachen, die zusammenkommen. Deswegen macht man es sich fast immer zu einfach, wenn man da einfach mit dem Finger auf irgendwas oder irgendwen zeigt und meint, das sei die Ursache oder der Schuldige.

          Und ein Boeing-Problem ist in der Tat, dass sie irgendwo in Niemandsland zwischen Fly-by-Wire (wie bei Airbus) und lediglich softwareunterstütztem manuellem Fliegen hängengeblieben sind, denn wenn dieser Sensor wirklich entscheidend für die ordnungsgemäße Funktion des Systems gewesen wäre, wäre volle Redundanz selbstverständlich gewesen. DAS ist das tiefere Problem hier. Das war eine drangefrickelte Komfortfunktion mit tragischen Folgen, und so ein Gefrickel macht man nur, weil man sich ja immer auf den Piloten verläßt.

  • Shit happens! Das ist bei Flugzeugen auch nicht anders, als bei Wahlen. Man kennt das Risiko und kann es eingehen, oder auch nicht. Schließlich wird doch niemand zum Fliegen gezwungen. Das läuft also alles völlig korrekt ab.

    • @Rainer B.:

      @Rainer B:



      Ok, wir nehmen dann mal diesen Thread auch bei Atomkraftwerken, Medikamenten, Autos, ... genau so auf.

      Sorry, es gibt immer noch Regularien zur Safety, um eben das Risiko einschätzbar und behandelbar zu machen. Diese sind augenscheinlich zumindest sehr weitgehend ausgelegt worden und damit wurde dieselben einer Profitlogik unterworfen. Und da liegt das Problem.

      • @J_CGN:

        Nun - Atomkraftwerke sind mindestens so sicher wie Flugzeuge, sonst hätten die doch niemals gebaut und in Betrieb genommen werden dürfen. Gut, hier und da ist schon mal was schief gelaufen, aber ein bisschen Schwund ist schließlich immer und überall. Wenn Sie die Betreiber von Atomkraftwerken fragen, dann haben die das alles doch nur für uns getan und überhaupt niemals dabei Profit erwirtschaftet. Ohne jahrelange fette Subventionen aus den Staatskassen und speziell in Deutschland ohne die großzügigen Ausstiegsgeschenke müssten diese Leute doch heute in den Einkaufzonen rumlungern und wie abgehalfterte Versicherungsvertreter die Passanten anhauen: „Eh, Alter, haste mal 150 Euro für mich?“ Das kann doch keiner wollen - oder?

    • @Rainer B.:

      Haben auch diejenigen eine Wahl, die nicht mitmachen, denen die Sache aber dennoch auf den Kopf fällt, wenn etwas schiefgeht ?



      Wohl kaum.



      Fliegen muß unattraktiver und weniger selbstverständlich werden.



      Flugbenzin / Kerosin muß besteuert werden.



      Nachtflugverbote müssen eingehalten und erweitert werden.



      Kurzstreckenflüge gehören gänzlich verboten.

      • @Nichts_als_Gezänk:

        Eine Boenig 737 Max 8 ist bisher noch niemandem auf den Kopf gefallen. Luftfahrt-Experten von Boeing schließen solches auch aus. Was wollen Sie denn noch mehr?