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Bleirecycling in Kenia„Das Blei ist überall!“

Die kenianische Aktivistin Phyllis Omido kämpft für strengere Umweltauflagen beim Recyceln von Blei. Auch Deutschland stehe in der Verantwortung.

Ohne Schutzkleidung führt der Umgang mit dem Schwermetall zu Gesundheitsschäden Foto: dpa
Interview von Leonie Asendorpf

taz: Frau Omido, seit Jahren kämpfen Sie für strengere Auflagen in Bleischmelzen in Kenia und haben sogar die Regierung verklagt. Anfang nächsten Jahres soll das Urteil kommen. Was ist da los?

Phyllis Omido: Die Situation in Owino Uhuru in der Nähe von Mombasa, wo die Batterie-Recycling-Fabrik EPZ steht, ist immer noch schlecht. Die Fabrik ist zwar mittlerweile geschlossen. Aber die Menschen sind immer noch krank, die Umwelt ist vergiftet, der Boden nicht mehr fruchtbar. Wer hier früher gefischt oder Gemüse angepflanzt und die Produkte verkauft hat, kann das nun nicht mehr.

Was hatten Sie sich erhofft, als Sie anfingen, in der Fabrik zu arbeiten?

Ich dachte damals, dass mein Leben besser werden würde. Ich bekam ein gutes Gehalt und ein Auto. Ich war alleinerziehend mit meinem Sohn, brauchte diese Dinge also. Ich wollte meinem Sohn ein gutes Leben ermöglichen.

Was haben Sie in der Fabrik gemacht?

Ich habe im Büro gearbeitet. In der Fabrik wurden Bleibatterien für den Weltmarkt recycelt. Aber die Technologie, die dort benutzt wurde, war sehr alt. Die Bleidämpfe waren überall. Wir haben gesehen, wie die indischen Manager Masken getragen haben. Wir wussten damals noch nicht, dass sie ihr Leben schützen, während wir alle dem giftigen Blei ausgesetzt waren.

Jedes Jahr werden etwa 800.000 Tonnen Blei in Afrika recycelt. Auch aus Deutschland werden Altbatterien illegal ins Ausland exportiert. Welche Verantwortung hat Deutschland für gesundheitliche Folgen und Umweltverschmutzungen durch das Recycling in Ländern wie Kenia?

Deutschland gehört zu den führenden Mächten dieser Welt. Wenn Deutschland kein Blei mehr aus unsicheren Quellen kauft, wo Menschenrechte verletzt werden, dann werden auch Länder wie Indien oder China ihr Verhalten ändern. Wenn Deutschland jedoch so weitermacht wie bisher, wird sich nichts verändern.

Ihr Sohn erkrankte. Später kam heraus, dass der Bleianteil in seinem Blut um das 37-Fache erhöht war. Wussten die Ärzt*innen, was ihm fehlte?

Im Interview: Phyllis Omido

41, ist eine kenianische Umweltaktivistin. Für ihren Aktivismus wurde sie mehrfach inhaftiert und erhielt zahlreiche Todesdrohungen. 2015 erhielt Omido den Goldman-Umweltpreis.

Nein. Sie testeten ihn auf Malaria oder Dengue-Fieber. Die Symptome sind sehr ähnlich wie bei einer Bleivergiftung: Fieber, Unruhe, wässrige Augen. Kein einziges Krankenhaus in Mombasa konnte auf Bleivergiftung testen. Letztlich schickten wir eine Blutprobe meines Sohns nach Südafrika. Die Ergebnisse waren positiv. Doch es gab keine richtige Behandlung. Die Ärzte konnten ihm nur Schmerzmittel geben. Das war schrecklich für mich. Später konnte mir meine Tante Medikamente aus den USA schicken, mit denen ich meinen Sohn behandeln konnte. Ich hatte also noch Glück.

Wie ging es weiter?

Ich habe die Blutproben von drei weiteren Kindern aus der Community genommen. Alle drei hatten eine Bleivergiftung. Ich nahm die Ergebnisse mit zur nationalen Umweltbehörde. Sie schrieben mir daraufhin einen Brief, dass ich unrecht hätte und sie vor Gericht gehen würden, wenn ich weitermachen würde.

Laut der Deutschen Umwelthilfe werden mehr als die Hälfte aller Elektrogeräte aus Deutschland auf widerrechtliche Weise recycelt, in illegalen Verwertungsanlagen verschrottet oder ins Ausland exportiert. Was läuft hier falsch?

Wir müssen verstehen, dass die Entscheidungen, die wir treffen, um Profit zu machen, später immer andere Aspekte unserer Gesellschaft beeinflussen werden. Menschen zu töten, damit andere reich sein können, ist nicht ethisch. Kein Mensch verdient es, für andere zu sterben.

Nachdem Sie den ersten Schritt getan und die Vergiftungen der Kinder öffentlich gemacht hatten, konnten Sie viele weitere Menschen in ihrer Community mobilisieren, die Regierung zum Handeln zu drängen. Hat sich dadurch etwas verändert?

Die Regierung hat die Fabrik manchmal für ein paar Tage geschlossen, um sie danach wieder zu öffnen. Das war alles wie ein Spiel. So ging es jahrelang. Als wir 2012 eine Demonstration organisierten, wurde ich wegen Anstiftung zu Gewalt und illegaler Versammlung angeklagt und festgenommen. 2013 wurde ich wieder freigesprochen und wir haben direkt die nächste große Demonstration gemacht.

Todesdrohungen, Verhaftungen und Bedrohungen – all diese Dinge haben Sie nicht aufgehalten, weiterzukämpfen.

Mitglieder meiner Community wurden teilweise bedroht oder sogar geschlagen. In solchen Zeiten wollte ich manchmal aufgeben. Doch Menschen, die mit mir auf der Straße waren, sind in meinen Armen gestorben. Ich fühle mich, als würde ich es ihnen schulden, weiterzumachen.

Mittlerweile ist die Fabrik geschlossen. Was fordern Sie als Nächstes?

Wenn wir den Prozess gewinnen, muss die Regierung den Menschen in Owino Uhuru eine Entschädigung zahlen. Wir fordern das Gericht außerdem dazu auf, anzuerkennen, dass die Menschenrechte der Owino-Uhuru-Community verletzt wurden. Die Regierung soll den gesamten Ort entgiften und das Blei entfernen, denn das ist immer noch überall: auf den Dächern, in der Erde, an den Wänden und Fenstern. Danach sollen die Menschen, die in der Fabrik gearbeitet haben oder in der Nähe wohnen, entgiftet werden.

Sie erwarten also ein positives Urteil?

Wir haben gut recherchiert und viele Zeugen vor Ort. Wir haben unseren Anteil also getan. Das Problem ist: Wir wissen nicht, ob das Urteil des Gerichts dann von der Regierung eingehalten und umgesetzt wird.

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1 Kommentar

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  • „Deutschland gehört zu den führenden Mächten dieser Welt. Wenn Deutschland kein Blei mehr aus unsicheren Quellen kauft, wo Menschenrechte verletzt werden, dann werden auch Länder wie Indien oder China ihr Verhalten ändern. Wenn Deutschland jedoch so weitermacht wie bisher, wird sich nichts verändern.“



    So ist es. Und die Bundesregierung bremst entsprechende Normen und internationale Abkommen nach Kräften aus:



    taz.de/Bessere-Nor...ernehmen/!5632860/



    Stattdessen, und wenn’s gar nicht mehr unter dem Teppich gehalten werden kann, „freiwillige Selbstverpflichtung“ für die Industrie.



    Hier interessiert‘s doch die Wenigsten, wenn die Leute dort verrecken. Die müssen es erst als Elendsflüchtlinge bis ans oder ins Mittelmeer geschafft haben. Und dann ist das Geschrei groß: Wahlweise „alle aussperren!“ oder „alle reinlassen!“. Im Ausmaß der Ignoranz gegenüber den Ursachen, und mehr noch den Nutznießern derselben, unterscheiden sich die beiden Lager (schon, aber) nicht übermäßig, so kommt’s mir mittlerweile vor.