Bleiberecht für gut integrierte Menschen: Hamburg bleibt hart

Hamburg will dem Bundesgesetz, das ein Bleiberecht für geduldete Menschen ermöglichen wird, nicht vorgreifen – und steht damit im Norden alleine da.

Ein Mensch hält ein Dokument in der Hand auf dem steht: "Aussetzung der Abschiebung".

Mehr als 7.000 Menschen in Hamburg haben nur eine Duldung Foto: Wolfgang Kumm / dpa

HAMBURG taz | Sie könnten vielleicht bleiben, dürfen aber nicht: In Hamburg werden Personen, die unter einer neuen Regelung Aussicht auf einen Aufenthalt hätten, weiterhin abgeschoben. Während andere Bundesländer im Norden Vorgriffsregelungen getroffen haben, um das zu verhindern, will Hamburg bis zum Inkrafttreten der Regelung warten. Die Linken-Fraktion und zivil-gesellschaftliche Organisationen kritisieren die Haltung des Senats.

Das Bundesinnenministerium brachte vor einem halben Jahr einen Gesetzentwurf heraus, der gut integrierten Menschen ein Bleiberecht in Deutschland ermöglichen soll. Das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht ist darin ein zentrales Element. Die Regelung würde Personen, die seit dem 1. Januar 2022 fünf Jahre in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich „zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“, ein Bleiberecht auf Probe ermöglichen.

Am 2. Juni 2022 gab es in Hamburg 7.494 Personen mit einer Duldung. Viele von ihnen könnten vom kommenden Gesetz profitieren. Doch bis eine verbindliche Regelung auf Bundesebene greift, dürfen die Länder über die Umsetzung von Übergangsmaßnahmen entscheiden.

Die Hamburger Innenbehörde bezieht dabei eine klare Haltung: Veränderungen des Verwaltungshandelns könnten sich nur nach aktuellem Recht richten. Es müsse daher bis zum Gesetzgebungsverfahren abgewartet werden. Auch dass der Gesetzentwurf im Koalitionsvertrag steht, spiele dabei keine Rolle, weil der nicht rechtlich bindend sei.

In Niedersachsen erhalten Betroffene eine Ermessens­duldung

Bereits Anfang des Jahres stellte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Carola Ensslen, einen Antrag. Darin forderte die Partei den Senat auf, in Anlehnung an das zukünftige Gesetz in Fällen, die unter die neue Regelung fallen würden, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. In der Antwort auf den Antrag beharrte der Senat auf seiner Position: Was nicht Bundesgesetz ist, dürfe nicht umgesetzt werden.

Peter von Auer, rechtspolitischer Referent bei Pro Asyl, hält den Starrsinn des Senats für unbegründet. Auch andere Bundesländer würden ihre Zurückhaltung damit untermauern, dass im Gesetz nichts davon stehe. „Aber jetzt gibt es einen Gesetzentwurf, und somit steht fest, dass sich etwas ändern wird“, so von Auer.

Ähnlich äußerte sich auch der Flüchtlingsrat Hamburg dazu. Eine vorzeitige Abschiebung würde den Betroffenen die ihnen zugedachte Chance auf einen legalisierten Aufenthalt nehmen. Daher sei es wichtig, eine baldige Übergangslösung zu erlassen.

Im Vergleich zur Hamburg haben andere Bundesländer im Norden Maßnahmen eingeführt, um die Ausweisungen Betroffener vorläufig auszusetzen. Bremen und Schleswig-Holstein haben Empfehlungen erlassen, die den Behörden erlauben, in Einzelfällen von Abschiebungen abzusehen. In beiden Ländern ziehen diese Maßnahmen aber keine konkreten Verpflichtungen nach sich.

Niedersachsen hat dagegen verbindliche Regelungen erlassen. Dort erhalten Betroffene bis zur endgültigen Gesetzesänderung eine Ermessensduldung. Für Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen, ist das ein positives Zeichen. Trotzdem sieht er das größte Problem darin, dass es kein einheitliches Vorgehen in den einzelnen Bundesländern gibt. So könnten sich Weber zufolge Länder ihrer Verantwortung weiter entziehen und sich weigern, der Intention des Gesetzgebers zu folgen und den Vollzug von Abschiebungen des begünstigten Personenkreises erst einmal auszusetzen, solange das Chancen-Aufenthaltsrecht kein Gesetz ist. „Aus der Perspektive der Betroffenen ist dies natürlich eine Katastrophe“, sagt Weber.

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