Blasphemiegesetze in Europa: Die Schmerzgrenze Gottes
In einigen Ländern ist Gotteslästerung kein Straftatbestand, in anderen drohen Geld- und Haftstrafen. Ein Überblick zur Rechtslage in Europa.
BRÜSSEL kna | Nach dem islamistischen Angriff auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ ist in Europa die Diskussion über Blasphemie als Straftat neu entflammt. Die Rechtslage in den verschiedenen europäischen Staaten ist sehr unterschiedlich: Jedes Land darf anders über Religiöses spotten.
Im laizistischen Frankreich ist Blasphemie kein Straftatbestand. Das garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung lassen sich die Franzosen nicht nehmen - und verweisen auf die seit 1905 gültige verfassungsmäßige Trennung von Staat und Religion. Lediglich im Departement Elsass-Mosel, das zwischen 1940 und 1945 Teile des alten deutschen Strafgesetzbuches übernommen hatte, gibt es ein Blasphemiegesetz.
In Deutschland dagegen gilt Gotteslästerung seit 1871 als Straftat. Paragraf 166 des Strafgesetzbuchs regelt den Schutz religiöser Überzeugungen vor Beschimpfung. Seit der Strafrechtsreform von 1969 ist der öffentliche Friede und nicht mehr das religiöse oder weltanschauliche Empfinden geschützt. Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sind nur strafbar, wenn sie den öffentlichen Frieden stören.
Das österreichische Strafgesetzbuch schützt die religiöse Sphäre der Bürger und kennt dafür die Tatbestände der „Herabwürdigung religiöser Lehren“ (mit Freiheitsstrafen von höchstens sechs Monaten) sowie die „Störung einer Religionsübung“ (mit bis zu zwei Jahren Haft). Tatsächlich kommt es äußerst selten zu Verurteilungen, vor allem dann nicht, wenn es dabei zu einer Kollision mit dem Grundrecht auf Kunstfreiheit geht. Aufsehen erregte 2014 ein heimlicher Pornodreh in einer Kirche bei Linz. Eine 29-Jährige Frau, die das Video gedreht und verbreitet hatte, wurde zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt.
Gottesmutterlästerung geht klar
In der Schweiz wurde 2012 ein Bergführer zu 900 Franken Bußgeld verurteilt, weil er in den Bergen Gipfelkreuze beschädigte. In Artikel 262 des Schweizer Strafgesetzbuches heißt es: „Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen - insbesondere den Glauben an Gott - beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt“, kann zu Bußgeld verurteilt werden. Angewendet wird dieser fast unbekannte Gesetzesartikel kaum. Von der Forderung der Schweizer Freidenker, ihn abzuschaffen, will derzeit trotzdem niemand etwas wissen.
In Italien wird Gotteslästerung als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldeldern bis zu 309 Euro geahndet. Bestraft wird „jede öffentliche Gotteslästerung durch Schmähreden oder beleidigende Worte gegen die Gottheit“. Bis 1995 galt der betreffende Paragraf nur für den Katholizismus, der bis 1984 in Italien den Rang einer Staatsreligion hatte. Abfällige Bemerkungen über die Gottesmutter Maria oder die Heiligen erfüllen nach italienischer Rechtsprechung nicht den Tatbestand der Gotteslästerung.
Artikel 525 des spanischen Strafgesetzes sieht Geldstrafen für die Verunglimpfung religiöser Gefühle, Lehren, Überzeugungen oder Rituale vor. In den seltensten Fällen kommt es allerdings zu Verurteilungen; das Gesetz unterliegt stark der persönlichen Auslegung des Richters. Für mediale Aufmerksamkeit sorgten zuletzt die Prozesse gegen den Sänger Javier Krahe sowie gegen den Provokationskünstler Leo Bassi, der in seinen Theatersatiren gegen die Kirchen wettert. Beide wurden freigesprochen.
In Griechenland wird Blasphemie aktiv verfolgt. Religiöse Straftaten und Gotteslästerung können laut Artikel 189 des Strafgesetzbuches mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. 2012 wurde ein Mann festgenommen, weil er auf Facebook einen berühmten griechischen Mönch verspottet hatte.
Angst seit Fatwa gegen Salman Rushdie
In Großbritannien halten sich die Medien mit der Weiterverbreitung von Mohammed-Zeichnungen zurück. Hier gelte „de facto ein Blasphemiegesetz“, so der frühere Erzbischof von Canterbury, Lord Carey - auch wenn die britische Gesetzgebung den Blasphemie-Paragrafen, der für Beleidigungen des christlichen Glaubens galt, 2008 abschaffte. „Tatsache ist, dass Verleger und Zeitungen in ständiger Furcht davor leben, den Islam zu kritisieren“, so Carey. Er führt die Zurückhaltung auf die Fatwa des iranischen Staatsklerus gegen den in London lebenden Schriftsteller Salman Rushdie von 1989 zurück.
Laut Artikel 40 der irischen Verfassung ist „die Veröffentlichung oder Äußerung blasphemischen, aufrührerischen oder anstößigen Inhalts eine Straftat“. Abschnitt 36 des Diffamierungsgesetzes von 2009 legt für Blasphemie bis zu 25.000 Euro Geldstrafe fest. Die irische Regierung kündigte 2014 ein Referendum zur Abschaffung des Gesetzes für 2015 an, verschob dies nun aber auf die nächste Legislaturperiode.
In den Niederlanden sprach sich 2012 eine Parlamentsmehrheit für die Abschaffung des seit 1932 gültigen Paragrafen 147 aus, der Gotteslästerung unter Strafe stellte. In der Begründung hieß es, seit 1968 sei niemand mehr wegen „offensiver Blasphemie“ verurteilt worden.
Das tschechische Strafgesetz stellt die öffentliche Aufstachelung zum Hass gegenüber Völkern, Rassen, Ethnien oder Religionen unter Strafe. Wer sich in diesem Sinne schuldig macht, riskiert bis zu zwei Jahre Haft. Tatsächlich gab es einige Verfahren in Zusammenhang mit Anti-Roma-Aktionen, in denen das Teil der Anklage war.
Bibelzerreißen kann Kunst sein
Auf Beleidigung religiöser Gefühle stehen in Polen bis zu zwei Jahre Haft. 2013 gab es einer offiziellen Statistik zufolge 54 Strafverfahren. Zuletzt sorgte vor allem der Freispruch des Sängers der Death-Metal-Band „Behemoth“, Adam „Nergal“ Darski, für Aufsehen. Er hatte bei einem Auftritt eine Bibel zerrissen und die katholische Kirche als „verbrecherische Sekte“ beschimpft. Die Bibelschändung sei zwar „vulgär“, aber durch die Kunstfreiheit gedeckt, entschied das zuständige Gericht Danzig Anfang 2014.
Als Reaktion auf den Skandalauftritt der Punkband „Pussy Riot“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale hob Russland im Sommer 2013 die Höchststrafe für die Verletzung religiöser Gefühle deutlich an. Seither steht auf Gotteslästerung statt drei Monaten bis zu drei Jahre Haft. Die Justiz verbietet neben kirchenkritischen Aktionen auch islamfeindliche Mohammed-Videos wie 2012 den US-Film „The Innocence of Muslims“ (Die Unschuld der Muslime).
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