Bildungskongress in Berlin: So viel Revolution wie nötig
Die Initiative „Was bildet ihr uns ein“ fordert die Demokratisierung des Bildungssystems. Auf einem Kongress sollen die Betroffenen sprechen.
BERLIN taz | Sie wirken eigentlich nicht wie Revolutionäre. Einen Sammelband über die Hürden des Bildungssystems haben sie herausgegeben, um die bildungspolitische Debatte zu beeinflussen. Auf ihrer Webseite fordern sie Altbekanntes: eine Schule für alle, mehr Chancengerechtigkeit, die Abschaffung des Notensystems. Das alles wäre kaum der Rede wert, wäre da nicht der radikaldemokratische Anspruch, den die Aktivisten der Initiative „Was bildet ihr uns ein?“ vertreten, ihre explizite Bezugnahme auf alle jene, die beschult werden, sich in ihrer Ausbildung oder im Studium befinden.
„Wir wollen, dass alle, die sich im Bildungssystem befinden, dauerhaft an der Ausgestaltung ihrer Bildung beteiligt werden,“ sagt Susanne Czaja von der vor zwei Jahren gegründeten Initiative. Wenn sie von „Bildungsbetroffenen“ spricht, ist ihre Kritik am Zustand des jetzigen Systems nicht zu überhören. „Vor allem junge Menschen verbringen die meiste Zeit ihres Tages in Bildungseinrichtungen, können aber kaum darüber mitbestimmen, was und wie gelernt wird. Das wollen wir ändern“, so Czaja – oder wie es im Untertitel ihres Buches heißt: „Eine Generation fordert die Bildungsrevolution“.
Nach zahlreichen Aktionen und Auftritten in Politik-Diskussionen soll nun ein „junger Bildungskongress“ dazu beitragen, diesem Ziel ein Schritt näher zu kommen. Bei dem Kongress, der am kommenden Wochenende in der Evangelischen Schule in Berlin-Mitte stattfinden wird, werden mehr als 100 bereits angemeldete „Bildungsbetroffene“ in Werkstätten über ihre Kritik und Visionen diskutieren. Die Ergebnisse sollen anschließend zusammen mit Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis gemeinsam ausgewertet werden.
Als Gast wird dabei auch Robert Rauh erwartet, ein Berliner Geschichtslehrer, der im vergangenen Jahr auf Vorschlag seiner Schüler mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet wurde. Für ihn ist der Kongress etwas Besonderes, weil nicht „selbsternannte Bildungsexperten“ den Diskurs vorgeben, sondern die jungen Menschen selbst. „Normalerweise wird über sie gesprochen, jetzt kommen sie selbst zu Wort“, sagt Rauh.
In seinem Unterricht hat sich der junge Pädagoge die Beteiligung seiner Schüler zur Maxime gemacht. Er überlässt ihnen nicht nur die Wahl, mit welchen Themen sie sich beschäftigen wollen, sondern bezieht sie auch bei der Bewertung von Leistungen, etwa bei Vorträgen und Präsentationen mit ein. „Viele Lehrer haben die Befürchtung, zu viel aus der Hand zu geben und dadurch an Autorität zu verlieren“, sagt Rauh, „doch das Gegenteil passiert“. Erst so könne eine „entspannte Lernatmosphäre“ entstehen.
Eine Revolution muss es für Rauh nicht gleich sein, der Zustand des Bildungssystems ist für ihn „keine Katastrophe“. Was er aber fordert ist eine neue „Beziehungskultur zwischen Lerngruppe und Lehrkraft“. Auch wenn Rauh andere Begriffe verwendet und weniger zuspitzt als die Kongress-Initiatoren, ihre Kernforderung teilt er voll und ganz: „Bildungspolitik sollte nicht ohne die Betroffenen gemacht werden“.
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