„Bild“-TV im Kabelnetz: Die Bild-Bams-Glotze
Ab dem 22. August gibt es die „Bild“ auch über Kabel und Satellit. Dafür holt die Zeitungen sogar Protagonisten aus der Versenkungen zurück.
B ei Springer wird im Rahmen einer „Mein Arbeitsplatz soll schöner werden“-Initiative eine Laien-Theater-Gruppe gefördert. So was ist ja bekanntlich gut fürs Betriebsklima und setzt auch schon mal ungeahnte Talente frei. Aktuell lässt sich das im Trailer für den Start von Bild TV als richtig echtem Fernsehsender bewundern. Am 22. August sendet das Bild-Team ihr milde hyperventilierendes Programm nämlich nicht mehr nur im Netz, sondern auch über Kabel und Satellit.
Um das der staunenden Weltöffentlichkeit wahrhaftig und live näherzubringen, spielen sie also mal Redaktionschef*innensitzung. Da werden Phrasen geklopft, dass es wehtut. Bild-Chef Julian Reichelt hat beim Sprechen immer was im Mund. „Warum schmatzt er den so, erst kauen, dann sprechen!“, sagt die Mitbewohnerin. Soll wohl authentisch wirken. Chefreporter Paul Ronzheimer ist dabei. Ihm schicken alle Politiker*innen immer alles aufs Handy, bevor es in ihrem eigenen Hirn ankommt. Er bekommt natürlich ’ne Exklusivmeldung. Claus Strunz, der früher mal die Bild am Sonntag machen durfte und dann in der Versenkung verschwand, ist auch wieder dabei. Er darf allen ernstes sagen: „Lasst uns live-haftiges Fernsehen machen.“
„Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu enthüllen“, meint die Mitbewohnerin trocken. Damit im Wahljahr auch ja nichts schiefgeht, wird der neue Kanal schnell mal zur Bild-Partei, die die Zuschauer*innen wählen sollen. „Weil wir da hingehen, wo andere wegsehen“, und dann rennt, erraten, Paul Ronzheimer mal wieder mit Helm durchs Krisengebiet. Aber sie gehen echt da hin, wohin niemand will. Deswegen taucht im Trailer Altkanzler Gerhard Schröder beim Frisör und mit einer gepimpten Renterweste in der Küche auf. Thomas Gottschalk ist als US-Experte kurz vor irgendwas mit den US-Wahlen reingeschnitten „weil wir kein Blatt vor den Mund nehmen und unbeugsam sind“. Hä?
Dann sagt Strunz noch: „Ein Bollwerk der Demokraten“, was sie selbst bei Springer anscheinend lustig finden. Schließlich sagt Strunz sonst so demokratiefördernde Sätze wie „Populismus ist das Viagra der Demokratie“. Jedenfalls fragt die Moderatorin im nächsten drangeklatschten Ausschnitt „Wo bleibt der Aufschrei?“ Dieses „Programm“ droht jetzt 24/7. Wobei die alles bestimmende „News-Show“ zum Glück nur Montag bis Freitag von 9 bis 14 Uhr läuft.
Als Axel Springer 1952 die Bild-Zeitung erfand, war sie für ihn die „gedruckte Antwort auf das Fernsehen“. Wenn Bild jetzt selber so ’ne Art Fahrstuhl-TV wird, können sie ja zumindest die gedruckte Ausgabe einstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker