Bigotte Symbolpolitik: Und was ist mit Afghanistan?
Draußen protestieren auch Politiker gegen rechts. Es sind dieselben, die eine rechte Politik machen, konkret gegen Afghaninnen und Afghanen.
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W ährend in Deutschland der Kampf gegen rechts proklamiert wird, wurden jene, die seit nun mehr als zwei Jahren auf Hilfe hoffen, vergessen: Tausende von Afghanen und Afghaninnen hätten nach dem Fall Kabuls an die militant-islamistischen Taliban evakuiert werden sollen, darunter Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, ehemalige Justizangestellte, Parlamentarier oder Ortskräfte. Voller Elan verkündete die Bundesregierung 2022 ihr Aufnahmeprogramm für gefährdete Menschen aus Afghanistan. Doch geschehen ist seitdem nicht viel.
„Das Programm ist doch tot“, meinte ein befreundeter Kollege vor Kurzem, als wir in einer Pizzeria saßen und an unsere zurückgelassenen Freunde und Kollegen dachten. Der erste Evakuierungsflug erreichte Deutschland erst im vergangenen Sommer – mit ganzen 13 Insassen. Weitere 188 Menschen, die in Pakistan gestrandet waren und dort neuen Repressalien ausgesetzt waren, wurden vor einigen Wochen nach langem Warten ausgeflogen. Der große Rest wartet weiterhin und ist verzweifelter denn je.
Ein Kollege, der für deutsche Medien über Taliban-Repressalien berichtete, hat mittlerweile Taliban-Offizielle als Nachbarn, während bewaffnete Kämpfer nahe seiner Haustür patrouillieren. Für ihn und andere gefährdete Afghanen und Afghaninnen klingt das politische Geschehen in Deutschland nach einem schlechten Witz. Die etablierten Parteien positionieren sich gegen Rechtsextremisten und Remigrationsfantasien, während sie zur selben Zeit die Weltanschauung von Martin Sellner und Co bedienen und ihren Forderungen nachgeben.
Anders lässt sich das deutsche Afghanistandilemma mittlerweile nicht mehr beschreiben. In den verantwortlichen Ämtern arbeitet man absichtlich langsamer denn je. Jeder bärtige Afghane und jede kopftuchtragende Afghanin auf deutschen Straßen scheint einer und eine zu viel zu sein und könnte einen Sieg der AfD herbeiführen. Das ist zynisch. Denn während die bürgerliche Mitte ihren Kampf in Theatern inszeniert, geht es nicht nur in Afghanistan um das blanke Überleben.
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