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Biennale Venedig 2019Gotischer Glamour

Neunzig Nationen nehmen an der großen Kunst-Schau in Venedig teil. Da sie Platz brauchen, werden die Häuser der Stadt selbst zum Star.

Palazzina Canonica: Italiens Meeresforschungsinstitut beherbergt den neuseeländischen Pavillon Foto: nzatvenice

Venedig taz | Venedig zu Biennale-Zeiten bedeutet auch das große Vergnügen, Zutritt zu ansonsten unzugänglichen Palazzi zu erhalten. Die Biennale ist konzentriert auf zwei Orte, die Giardini mit den 28 Länderpavillons derjenigen Nationen, die bald nach Beginn der 1895 entstandenen Leistungsschau in Sachen Kunst dabei waren, und das Arsenale, ehemals Schiffswerft, Zeughaus und Flottenbasis der Republik Venedig.

Dort finden sich weitere Länderpavillons und die 1303 gegründete Seilerei, heute Ausstellungsparcours für den kuratierten Teil der Biennale. Weil aber beides nicht für die jetzt 90 teilnehmenden Nationen ausreicht, suchen diese in allen nur denkbaren Gebäuden Zuflucht.

Zum ersten Mal hat das italienische Meeresforschungsinstitut die Türen der Palazzina Canonica für die Kunst geöffnet. Konkret für den Pavillon von Neuseeland und den Künstler Dane Mitchell. Er hat in der wunderschönen, leer geräumten Bibliothek des Hauses einen Drucker mit Endlospapier aufgestellt, der ununterbrochen Phänomene auflistet, die ausgerottet, ausgestorben, vergessen und unauffindbar sind, handle es sich um Pflanzen, Land- und Seetiere, Inseln, Sprachen, alte Datenspeicher und Medienformate, Gesetze oder Nationalhymnen, um nur einige Dinge zu nennen.

Beinahe hätte er dazu auch die Archivalien aus dem 16. Jahrhundert zählen können, die bei der kürzlichen Renovierung des Hauses gefunden wurden. Allerdings wusste niemand von den Büchern, Land- und Seekarten, Dokumenten und unveröffentlichten Manuskripten, was die Grenzen von Dane Mitchells beängstigendem Projekt aufzeigt.

Weltweit erstes soziales Wohnenprojekt

Gleich nebenan am Ufer der Sette Martiri findet sich das 2006 vom Philosophen Wolfgang Scheppe gegründete Arsenale Institute for Politics of Representation. Auch hier ist das Gebäude, das das Institut beherbergt, eine Rarität. Es gehört zu den 55 gotischen Reihenhäusern des 1335 begonnenen Marinaressa-Komplexes, des wohl ersten sozialen Wohnbauprojekts der westlichen Welt. Über zwei Stockwerke hinweg setzt Scheppe den Münchner Maler Florian Süssmayr in Dialog zu Douglas Gordons 24 Hours Psycho und daran anknüpfende Momorabilia.

Ausgangspunkt des Kollateralevents zur Biennale war die Beobachtung, dass sich mit Süssmayrs Gemälden, zugespitzt gesagt, eine einzige Abfolge von Hitchcock-Szenen konstruieren ließe. Das ist eine wirklich interessante Beobachtung, überzeugen Süssmayrs Gemälde etwa von einer Gardine aus den 1970er Jahren oder von einer regennassen Fensterscheibe, vor allem als subtil in die malerische Abstraktion getriebene Bilder.

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