Biden, Georgien, Frankreich: Vorhöllisches Unterscheiden
Biden begnadigt seinen Sohn und schadet seiner Partei. Die EU sollte aus der Vergangenheit lernen. Und Macron kann Regierungskrise besser als Scholz.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Keine Ahnung von der Situation in Syrien.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Syrien. Hoffentlich.
taz: US-Präsident Joe Biden hatte betont, er werde seinen Sohn Hunter nicht begnadigen. Nun hat er es doch getan. Gerechtfertigt oder skandalös?
Küppersbusch: Hunter Biden hat Steuern hinterzogen, auch um ausschweifendes „Erwachsenen-Entertainment“ zu finanzieren; beim Waffenkauf seine Drogensucht unterschlagen und in allen Punkten kräftig rumgelogen. Kurz: Unter Trump würde er Minister, ein absoluter no brainer. Seine Begnadigung ist ein familiärer Blauhelm-Einsatz – gemessen an den Ankündigungen Trumps, die Capitol-Stürmer straffrei zu stellen, Sonderermittler zu jagen und seinen abtrünnigen Ex-Armeechef an die Todesstrafe zu erinnern. Aus dieser Zukunft gelesen sind die beiden Biden fast harmlos – in der Gegenwart ein Debakel für die Democrats. Das Biden-Exempel wird ihnen bei jeder Kritik an Trump auf die Füße fallen. Schlussfrage: Wie schön egal sind Biden inzwischen seine Parteifreunde?
taz: Die Demonstrationen in Georgien gegen den Anti-EU-Kurs der Regierung werden niedergeknüppelt. Kann die EU etwas tun?
Küppersbusch: Ja, aus der Ukraine-Katastrophe lernen. Vor dem Krieg eskalierte ein würdeloses Gezerre um das Land; Russland wollte eine Zollunion, die EU ein Assoziierungsabkommen. Darüber eskalierte der Maidan, stürzte Präsident Janukowitsch, scheiterten Steinmeiers Verhandlungen. Und das gebar das russische Narrativ vom „Putsch“ und den Weg ins verbrecherische Kriegselend. Janukowitsch forderte damals, zu dritt zu verhandeln – dazu kam es nicht mehr. Dabei wäre ein Status als gemeinsamer Freund beider Lager ein Glücksfall für die Ukraine, für Georgien eine Zukunft. Solange auch die EU mit einer „The winner takes it all“-Anmaßung drangeht, hat sie nichts draus gelernt.
taz: Die AfD distanziert sich von der eigenen Jugendorganisation „Junge Alternative“. Was bedeutet das?
Küppersbusch: Da ist die AfD mal schneller, als die Polizei erlaubt bzw. als der Verfassungsschutz verbietet: Der Verein „JA“ kann als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ umstandslos verboten werden. Dem will die AfD zuvorkommen und mit der Neugründung „Junge Patrioten“ ein Rettungsboot für verdiente Jungkader auswerfen. Einige „JA“-Vorständler unterstützen den Selbstputsch: Als offizielle Parteigliederung wären sie vom Parteiengesetz geschützt, bekämen tüchtig Zuwachs und könnten bei den Alten Nazi-sein-und-trotzdem-unschuldig-Gucken üben. Zugleich könnte die AfD in ihre Jugend hineinregieren – und also Gründe liefern, warum ein paar Premiumverpeilte die „Junge Alternative“ daneben am Leben erhalten. Kurz: Die AfD hätte zwei Jugendorganisationen. Und wieder einmal kommen wir so in die düstere Vorhölle, wo man zwischen Nazis und Nazis unterscheiden soll. Dafür bin ich zu alt.
taz: Die Oxford Press kürt „Brain Rot“ zum Wort des Jahres 2024. Gemeint ist das „Gammeln des Gehirns“ nach zu viel Medienkonsum. Wäre ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige nach australischem Vorbild auch für Deutschland sinnvoll?
Küppersbusch: Wäre der Ausschank von Alkohol und freier Eintritt ins Pornokino für Kinder sinnvoll? Selbstverständlich erwarten wir von den Anbietern einschlägiger Sauereien, dass sie ihren Schlamm nicht auf Minderjährige kippen. Und mehr verlangt das australische Gesetz auch nicht von Social-Media-Anbietern wie TikTok, Facebook, Insta und X. Klar, eine Altersüberprüfung generiert interessante Daten, mit denen die Plattformen herumhökern, davon leben sie. Auch davor sind die Kinder zu schützen. Chatprogramme und Gaming-Plattformen bleiben zugänglich, also Kinder, was wollt ihr denn noch!? Fortschritt ist, wenn die Blagen sich selber was ausdenken, um ihre Hirne zu verrotten.
taz: Frankreichs Premierminister Michel Barnier muss nach einem Misstrauensvotum zurücktreten. Wird Macron ihm folgen?
Küppersbusch: Ein Nachteil der französischen Verfassung ist das „destruktive Misstrauensvotum“, bei dem sich Radikalinskis aller Couleur nur drauf einigen müssen, dagegen zu sein. Daran erstickte in Deutschland „Weimar“. Und stürzte nun Barnier. Ein Vorteil ist, dass Präsident Macron noch Zeit bleibt, Erfolge aufzufahren: Notre-Dame-Sanierung, Trump-Besuch, Weltdiplomatie. Bundeskanzler Scholz kann nur zuschauen, wie mögliche Erfolge unter Neuwahlen beerdigt werden. Ist auch gut, wenn noch irgendjemand ans Telefon geht, falls die Welt in Europa anruft.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: 35te Spielminute 0:0 gegen 1860 München. Fragt später nochmal. Oh. 40te 0:1.
Fragen: Christina Koppenhöfer
Hinweis: In einer vorherigen Version stand fälschlicherweise, dass Präsident Poroschenko über das Gezerre an der Ukraine gestürzt sei. Richtig ist, dass es sich dabei um Präsident Janukowitsch handelt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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