Bibliotheken in Berlin: „Vor Ende April kein Ergebnis“
Anna Jacobi, Sprecherin der Zentral-und Landesbibliotheken, vermutet keine baldige Öffnung
taz: Frau Jacobi, im vergangenen März war Freitag, der 13., auch ein schwarzer Tag für die NutzerInnen von Berlins öffentlichen Bibliotheken: Im Zuge des Shutdowns wurden alle Standorte von heute auf morgen geschlossen. Mittlerweile geht es um eine vorsichtige Rückkehr zur Normalität. Wie werden Sie den Betrieb wieder hochfahren?
Anna Jacobi: Genau darüber wird zurzeit intensiv nachgedacht. Es gibt verschiedene Modelle, wie wir die Nutzenden wieder analog mit Medien versorgen können, aber wir müssen das im Verbund diskutieren. In Berlin haben sich ja mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin als Stiftung des öffentlichen Rechts und den zwölf bezirklichen Bibliotheken sozusagen 13 „Firmen“ zusammengeschlossen, die sich über gemeinsame Schritte abstimmen müssen. Der Senat ist an diesen Gesprächen natürlich auch beteiligt. Vor Ende April werden wir wohl kein Ergebnis haben, dafür sind es zu viele Player.
Ist es nicht vorstellbar, dass eine Bezirksbibliothek ihren Wiedereinstieg im Alleingang entscheidet?
Vorstellbar ja, aber ich halte es nicht für sinnvoll und hoffe nicht, dass das jemand tut. Am schlauesten ist es, der Verbund agiert gemeinsam.
Anna Jacobi leitet seit 2013 die Unternehmenskommunikation der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB).
Wie sähe das optimale Szenario der ZLB aus?
Natürlich haben wir das Bedürfnis, unsere Medien bald wieder allen zur Verfügung zu stellen, aber ich will da nicht vorgreifen. Was leider zu vermuten ist: Wir werden die Bibliotheken nicht so schnell wieder als Arbeitsorte öffnen können.
Seit fast fünf Wochen sind nun ausschließlich digitale Medien online leihbar. Gab es keinen Mittelweg: zum Beispiel stärker auf den Lieferservice nach Hause zu setzen, der ja Teil Ihres Angebots ist?
Der Lieferservice ist ein sehr schönes, aber auch nicht gerade billiges Angebot. Sie zahlen pro Medium 3,50 Euro und müssen es dann auf eigene Kosten wieder zurückschicken. Tatsächlich wird das vor allem von Behörden, Anwaltskanzleien oder ähnlichen Einrichtungen genutzt. Wirklich kostendeckend ist das für uns nicht. Wenn es in größerem Maßstab genutzt würde, wäre das ein Problem. Es gibt aber noch ein anderes: Als ZLB liefern wir jeden Tag gerade einmal 4 bis 5 Sendungen nach Hause, während 3.500 bis 4.500 Menschen unsere Standorte besuchen. Würde auch nur die Hälfte der Leute nun etwas zu sich nach Hause bestellen, müssten wir erst einmal ganz schön an der Logistik schrauben.
Haben denn die MitarbeiterInnen zurzeit genug zu tun?
In den Bezirken wurden viele KollegInnen zur Bewältigung der Coronakrise in die Gesundheitsämter abgezogen. Ich habe meine MitarbeiterInnen ins Homeoffice geschickt und ihnen empfohlen, Zeit, die ihnen jetzt eventuell übrig bleibt, für Weiterbildung zu nutzen, etwa im Bereich Content Management. Wir haben ja selber extrem viel Lernsoftware in unserem Angebot.
Wie werden diese Angebote gerade nachgefragt?
Sehr gut! Die Ausleihen von Lernsoftware sind von rund 3.000 im Februar auf 5.500 im März gestiegen. Viele Menschen haben ja nun mehr Zeit als sonst und wollen die etwa nutzen, um eine Sprache zu lernen oder aufzufrischen. Daneben bietet der VÖBB auch einen großen Bestand an E-Books und Hörbüchern. Wir haben das Angebot mit dem digitalen Bibliotheksausweis noch mal verstärkt auf rund 170.000 Exemplare.
Was hat es mit dem Ausweis auf sich?
Seit Monatsbeginn bieten wir einen digitalen Bibliotheksausweis für drei Monate kostenlos an. Seitdem sind schon 6.600 zusätzlich gebucht worden. Wenn Sie einen Ausweis haben und der gerade abläuft, können Sie ihn auch für drei Monate kostenlos verlängern. Ich sage immer allen: Probieren Sie es einfach mal aus, leihen Sie sich ein E-Book, streamen Sie Musik oder Filme über unser Portal. Wir können nicht mit Netflix konkurrieren, aber wir haben ausgezeichnete Arthouse-Filme, Serien oder Kinderfilme im Angebot. Und die Naxos Library, einen Streamingdienst für Klassik und Jazz. Vielleicht werden Sie finden, dass der Zugang bei uns ein kleines bisschen komplizierter ist als bei kommerziellen Anbietern. Dafür sind Ihre Daten bei uns aber auch viel besser geschützt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!