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Bezeichnung als „Holocaustleugner“Schuster darf AfD-Politiker so nennen

Nicht nur Menschen, die die planmäßige Ermordung der europäischen Juden gänzlich leugnen, dürfen so benannt werden – sondern auch die Relativierer.

Darf nicht mehr den Holocaust bagatellisieren: AfD-Mitglied Wolfgang Gedeon Foto: dpa

Berlin taz | Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, darf den baden-württembergischen AfD-Politiker Wolfgang Gedeon weiter als „Holocaustleugner“ bezeichnen. Dies sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, entschied am Dienstag das Berliner Landgericht.

Damit unterlag der AfD-Politiker, dessen antisemitische Einlassungen 2016 zur Spaltung der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag geführt hatten, in einem Rechtsstreit, den er selbst auf den Weg gebracht hatte.

„Auch in Stuttgart konnte sich die Landtagsfraktion nicht durchringen, den Holocaustleugner Wolfgang Gedeon aus der Fraktion auszuschließen“, so hatte sich Schuster in einem schriftlichen Statement, aus dem unter anderem der Berliner Tagesspiegel zitiert hatte, im Januar 2017 geäußert.

Damals hatte AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in seiner berüchtigten Dresdener Rede das Holocaustmahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert. Wenige Tage später beantragte die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Fördergelder für die Gedenkstätte Gurs in Frankreich, wohin die Nazis Juden vor allem aus dem Südwesten Deutschlands deportiert hatten, zu streichen.

In diesem Zusammenhang fiel Schusters Äußerung über Gedeon. Alles zusammen, so der Zentralratspräsident damals weiter, ergebe das Bild einer Partei, die sich immer mehr vom Rechtspopulismus auf dem Weg zum Rechtsextremismus befinde.

Bagatellisierung und Relativierung zählen auch

Gedeon forderte von Schuster eine Unterlassungserklärung, doch dieser lehnte ab. Der Präsident des Zentralrats stellte aber klar, dass er die Formulierung ausschließlich so gemeint hatte, dass Gedeon „in der Vergangenheit Dimension, historische Bedeutung und Einordnung des Holocaust bagatellisiert und relativiert“ habe.

Das reichte Gedeon nicht, er klagte. Er habe den Massenmord an den Juden in keiner seiner Veröffentlichungen „je geleugnet oder auch nur verharmlost“, so seine Begründung. Schusters Aussage sei eine „Diffamierung“.

Die Richter aber betonten in der mündlichen Verhandlung, dass der Begriff „Holocaustleugner“ in der Öffentlichkeit nicht nur für jene benutzt würde, die die planmäßige Ermordung der europäischen Juden gänzlich leugnen, sondern auch für die, die Teilaspekte verneinen oder diese relativieren.

Schusters Rechtsanwalt führte aus, dass Gedeon genau dies in seinen Schriften mache. „Ich kann mir in Zukunft sowohl eine Modifikation einzelner Teilaspekte des Holocaust vorstellen, insbesondere was die Zahlendimension anbelangt“, zitierte der Anwalt beispielhaft aus Gedeons Buch „Christlich-europäische Leitkultur“, das dieser im Selbstverlag herausgegeben hat.

Gedeon gehört dem Stuttgarter Landtag derzeit als fraktionsloser Abgeordneter an. Er ist aber weiter Mitglied der AfD. Das Landesschiedsgericht der Partei hatte jüngst den Antrag des Landesvorstandes auf einen Parteiausschluss zurückgewiesen.

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9 Kommentare

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  • In der gedruckten Ausgabe der taz ist dem Schreiber der Überschrift aber ein dummer Lapsus unterlaufen: Statt "Holocaustleugner" steht dort "Holocaustgegner":

  • Niemand darf den Holocaust leugnen. Aber jemanden als Holocaustleugner zu bezeichnen, bleibt straffrei, auch wenn er eigentlich gar keiner ist. Das fällt jetzt unter Meinungsfreiheit.

    Mit dem gleichen Recht auf Meinungsfreiheit darf ich das natürlich auch von mir selbst behaupten. Wenn also jemand anstatt den Holocaust direkt zu leugnen, sich als Holocaustleugner bezeichnet, fällt das unter Meinungsfreiheit und bleibt damit straffrei.

    Wenn sich dieser Meinung die höchsten Gerichte anschließen sollten, wäre die Strafbarkeit der Holocaustleugnung ausgehebelt. Ich bin mir nicht sicher, ob der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wirklich einen tollen Sieg errungen hat. Aber er hat offenbar den bekommen, den er wollte.

    Sehr gut vorstellen kann ich mir aber, dass es kleine Gruppen gibt, bei denen jetzt die Sektkorken fliegen und die als Anerkennung für dieses Prozeßergebnis die Verfahrenskosten übernehmen werden.

  • Auf der einen Seite ist das Urteil gefährlich. Künftig bedeutet "Holocaustleugner" nicht notwendig eine strafbare Handlung. Durch die Ausweitung des Begriffs wird er gleichzeitig verwaschen.

    Auf der anderen Seite ist es vielleicht auch wieder konsequent. Man kann damit auch Merkel "Mörderin" nennen (z.B. wegen den im Mittelmeer umgekommenen Flüchtlingen) ohne zu meinen oder belegen zu müssen, dass Frau Merkel einen Mord tatsächlich begangen hätte oder eben Soldaten "Mörder" ohne dass damit die juristische Wertung "Mord" gemeint ist.

    Damit wird im Endeffekt die Verleumdung straffrei. Das ist aber genau eine Bremse gegen die Hetzjagd auf Hassrede. Wenn man denn einen rechten Politiker "Holocaustleugner", Soldaten oder eine Kanzlerin "Mörderin" nennen kann - wie kann man dann die Strafbarkeit begründen, wenn Flüchtlinge als "Vergewaltiger" bezeichnet werden?

    Freut Euch nicht zu früh: Wenn Beleidigungen gegen rechts straffrei werden, werden auch Beleidigungen von rechts straffrei. Umgekehrt bedeutet jede Strafverschärfung gegen rechts auch eine Einschränkung unser aller Meinungsfreiheit.

    • @Velofisch:

      Wenn ich mich recht entsinne, ist zwischen dem Vorwurf, was zu leugnen und dem Vorwurf, jemanden ermordet oder vergewaltigt zu haben, noch ein kleiner Unterschied.

    • @Velofisch:

      Richtig wie dramatisch.

  • Da kann man nur sagen, "Baruch atta adonai, elohenu melech ha-olam, hatow we-hametiw."

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      Hebräische Buchstaben sind auf Ihrer Tastatur wohl nicht zu finden ?

    • @Sven Günther:

      Ah, ein Hebräer.

       

      Aber ganz so optimistisch sollte man das nicht sehen, immerhin ist der Typ in einen Landtag gewählt worden. Und dass die AfD sich weigert, den auszuschließen, deutet daraufhin, dass man damit rechnen muss, dass dieses Bagatellisieren schon ziemlich Mainstream dort sein muss.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Immerhin wurde Richter am Landgericht Maier wegen der Bezeichnung von Beckers Junior als "Halbneger" von seiner Partei abgemahnt ...