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Bezahlung künstlerischer ArbeitMuss man sich leisten können

In der künstlerischen Arbeit arbeiten viele kostenlos. Unsere Kolumnistin erfährt derzeit, wie es auch anders sein kann und wünscht sich das für alle.

Ein Traum: Zeichnen, kreativ sein und davon leben können Foto: Oleksandr Latkun/imago

I ch habe noch nie so glücklich gearbeitet wie an dem Comic, das ich gerade zeichne. Nichts daran ist schmerzhaft, wie es das Schreiben so oft ist. Und wie wir uns so oft erzählen, dass es dies sein müsste. Kein Imposter-Syndrom, keine Selbstzweifel, keine Schnappatmung, einfach nur Freude. Daran, mir Figuren auszudenken, sie miteinander sprechen zu lassen, ihnen eine Backstory zu geben, die nur ihnen gehört.

Wie beim Schreiben habe ich Vorbilder, manche für das Erzählerische wie Alison Bechdel, die Königin der Lesbenchronik, manche für den Stil wie Sonny Liew oder Jeff Lemire, die offene Striche benutzen und Skizzenhaftes integrieren statt es wegzuretuschieren. Ich recherchiere die besten Pinselmarker im Netz und freue mich über die Zeichner:innen, die dort zeigen, mit welchen Tools und Methoden sie arbeiten. Ganz ohne Gatekeeping teilen sie das einfach mit anderen.

Oft erlauben wir uns nicht, Dinge zu tun, die wir uns immer gewünscht haben. Bis ich mir erlaubt habe, künstlerisch zu arbeiten, hat es bis in meine 30er gedauert. Mit dem Medium Comic, das mich begleitet, seit meine Mutter mich immer in die Kölner Stadtbibliothek mitgenommen hat, wo es ein ganzes Regal voller „Gaston“ und „Marsupilami“ gab, hat es noch mal eine ganze Weile länger gedauert.

Dass der Gig gut bezahlt ist und mir jemand mit einer Carte Blanche vertraut hat, ich also auch von Außen eine Art Erlaubnis bekommen habe, ist dabei nicht unerheblich.

Ich muss an Irland denken, wo ein Pilotprojekt 2.000 Künst­le­r:in­nen zwei Jahre lang wöchentlich 325 Euro zur Verfügung stellt. Ja, das ist versteuert und ja, je nach Wohnort und Mietpreisen ist das mal mehr und mal weniger. Wie die New York Times diese Woche berichtete, halten sich viele der Teilnehmenden eher bedeckt, da sie wissen, dass 1.000 weitere Künst­le­r:in­nen in einer Testgruppe die Zuwendung nicht erhalten und sich noch über 5.000 weitere Menschen beworben hatten, auf die das Zufallslos eben nicht gefallen ist.

Gewöhnt, kostenlos zu arbeiten

Wie sie sich fühlen, weiß ich nicht, aber vielleicht hilft der Gedanke, dass da etwas ernst genommen wird und auf lange Sicht erprobt und im Idealfall verstetigt werden soll.

Ein Comiczeichner erzählte der New York Times dann aber doch, dass er kurz davor war, aufzugeben, bevor die Nachricht zur Aufnahme kam. Wir sind in der Bildenden Kunst alle gewöhnt, kostenlos zu arbeiten, auszustellen, auf Podien zu sitzen. Wie bei Akademiker:innen, die für ihre Publikationen nicht honoriert werden, ist das der ungeschriebene Preis, den man (drauf)zahlt, um dabei zu sein.

Dass dadurch das Bürgertum überrepräsentiert bleibt und dass sich das seit der Erfindung der Uni und der Kunstakademie bis heute nicht geändert hat oder sogar schlimmer wird – Stichwort geplantes WissZeitG – verwundert nicht. Es erinnert uns aber daran, warum die Idee des Grundeinkommens so viel mehr entgegenwirkt als nur der Ungleichverteilung von finanziellen Ressourcen. Ich geh’ dann mal weiter zeichnen.

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Noemi Molitor
Redakteur:in
Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. 2022-2024 Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle von Queer-Theorie, abstrakter Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.
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4 Kommentare

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  • Da stellt sich die Frage: Was ist ein "Künstler"? Geht es da nur um die Selbsteinschätzung oder auch darum, ob das künstlerische Niveau auch objektiv betrachtet hoch ist? Ist letzteres der Fall, dann ist die Vermarktung meist auch kein Problem.

    Ist bei Literatur ganz ähnlich. Es werden viel zu viele mittelmäßige Bücher geschrieben. Natürlich können all die Autoren da von den Erlösen nicht leben. Wer soll das alles kaufen? Mit ChatGPT wird das jetzt alles noch schlimmer werden. Und bei den bildenden Künsten ist die Konkurrenz der KI ebenfalls auf dem Vormarsch.

    • @Winnetaz:

      Zitat: "Was ist ein "Künstler"? Geht es da nur um die Selbsteinschätzung oder auch darum, ob das künstlerische Niveau auch objektiv betrachtet hoch ist? Ist letzteres der Fall, dann ist die Vermarktung meist auch kein Problem."

      Das finde ich hochproblematisch. Erstens halte ich es für sehr zweifelhaft, Kunst objektiv und unabhängig von Moden und Zeitgeist zu bewerten. Zweitens fallen mir doch gleich Gegenbeispiele ein von Künstlern, die möglicherweise (von ihren Zeitgenossen) verkannt wurden/werden: Vincent van Gogh versus Dieter Bohlen.

      Und das ist ja nur die Spitze des Eisbergs, niemand kann wissen, wieviele verkannte Genies uns nie bekannt wurden, weil sie ihre Potenziale gar nicht entfalten konnten, sondern die ganze Zeit mit (möglicherweise sinnloser oder sogar schädlicher) Erwerbsarbeit beschäftigt waren. Oder da sie im Globalen Süden lebten, als Kind verhungert oder an irgendeiner leicht vermeidbaren Krankheit verreckt sind.

      Das gilt im Übrigen ja nicht nur für die Kunst, sondern zumindest auch für die Wissenschaft.

  • "Wir sind in der Bildenden Kunst alle gewöhnt, kostenlos zu arbeiten, auszustellen, auf Podien zu sitzen."

    Das ist das Problem der "Leistungserbringung ohne Nachfrage". Die gleiche Situation kennen die Mitglieder des örtlichen Sportvereins (2x die Woche Training, am Wochenende ein Spiel), die Garagen-Deathmetal-Band des Nachbarsohns und auch der Typ, der Reaction-Videos zu Bundestagsreden macht und dafür angesichts nicht vorhandener Reichweite leider wöchentlich nur mit dem Gegenwert von zwei Briefmarken entschädigt wird.

    Alle oben genannten bereichern die Gesellschaft (teils ungefragt) mit ihrem Tun, die Frage ist: Sollten wir ihnen dafür Geld geben und falls ja: wieviel?

    • @Questor:

      "Leistungserbringung ohne Nachfrage"

      Ich denke, das trifft es nicht so ganz. Präziser wäre: "Leistungserbringung ohne mit Kaufkraft unterlegte Nachfrage"

      Wir wissen in Wahrheit nicht, ob es eine Nachfrage gäbe, wenn mehr Leute mehr Geld hätten (sich das Vermögen nicht so stark konzentrieren würde).

      Und ja: Wir sollen ihnen Geld geben, aber nicht zwingend "dafür" (also für ihre Kunst), sondern einfach, damit sie leben können. Das ist eh sowohl ethisch als auch ökonomisch geboten.