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Bewohntes Wohnhaus in EimsbüttelErst Verfall, dann Abriss

Der Eigentümer eines Wohnhauses in Hamburg-Eimsbüttel lässt das Gebäude geplant vergammeln. Das Bezirksamt weiß längst Bescheid, handelt aber nicht.

Runtergerockt gekauft und nichts getan: Der Eigentümer der Methfesselstraße 80 spielt auf Zeit Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Herr F. zeigt stumm auf das Loch in der Wand. „Schauen Sie“, sagt er. Herr F. heißt eigentlich nicht Herr F. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er sei ein alter Mann mit kleiner Rente und möge keinen Aufruhr, sagt er. Herr F. steht an diesem Nachmittag im Treppenhaus eines Hauses, dessen Verfall einen anschreit: kaputte Wände, ein undichtes Dach, marode Türen, ein vermülltes Souterrain, in dem früher ein Atelier war. „Hier wurde seit Jahrzehnten nichts gemacht“, sagt F. und geht ein paar Stufen nach oben.

Dass die Methfesselstraße 80 in Eimsbüttel mal ein schmucker Altbau gewesen sein muss, verraten ihre hohen Decken und der dunkle Holzboden, der Treppenhaus und Wohnungen durchzieht. Herr F. und sein Nachbar in der ersten Etage sind die einzigen verbliebenen Mieter des Hauses, der Rest ist weg. „Dem Ehepaar über uns haben sie eine Abfindung gezahlt, damit sie ausziehen“, erzählt F. und blickt hoch in Richtung des zweiten Stocks. Fast zwei Jahre stehe deren Wohnung nun leer. Auch ihm sei Geld geboten worden, aber darüber wolle er nicht sprechen, sagt Herr F.

Vor drei Jahren bekam die Methfesselstraße 80 neue Eigentümer. Die Grundstücksgesellschaft Dirk und Andreas Toed­ten kaufte das Haus. Herr F. berichtet, dass die neuen Besitzer sich freundlich vorgestellt hätten. Man liebe es, alte Häuser zu renovieren, sollen sie den Mie­te­r:in­nen erzählt haben. Es sei eine Art Hobby für sie. Man wolle nun zügig mit der Modernisierung beginnen. Niemandem solle gekündigt, die Miete moderat angepasst werden, erinnert sich F. an die ersten Gespräche mit der neuen Hausverwaltung. Herr F. fand das gut: „Ich dachte, dass nun endlich etwas gemacht wird“, sagt er.

Einige Zeit später seien alle Be­woh­ne­r:in­nen zu Einzelgesprächen in die Brandstwiete 36 eingeladen worden. Hier sitzt die City 21 Immobilien GmbH. Sie verwaltet das Haus. Dirk Toedten ist Geschäftsführer der Firma, die keine Homepage, aber zwei Adressen besitzt: die Brandstwiete und die St. Benedictstraße 8 in Harvestehude. Beim Gespräch in der Brands­twiete, einer feinen Adresse nahe der Speicherstadt, habe man über die geplante Modernisierung gesprochen, erzählt Herr F. Hier sei ihm auch die Abfindung angeboten worden, die er ablehnte. Danach habe sich in der Methfesselstraße nichts mehr getan: Eine Modernisierung fand nie statt.

Vermieter lassen Häuser bewusst verfallen und kündigen den Bewohnern

Siegmund Chychla, Mieterverein zu Hamburg

Stattdessen wurde Herrn F. und seinen Nachbarn gekündigt. Die Begründung der City 21: Das Haus sei wirtschaftlich nicht mehr verwertbar. Man werde es abreißen lassen. Herr F. solle in neun Monaten ausziehen. Das wäre am 31. Januar gewesen. Doch Herr F. legte Widerspruch ein. Seitdem habe er von Dirk und Andreas Toedten nichts mehr gehört. Wie es weitergeht, weiß er nicht. Auf die E-Mails, die Eigentümer mögen doch das kaputte Dach reparieren, hätten er und sein Nachbar keine Antwort erhalten. Dabei regne es seit Monaten rein. Auf die Forderung, den Keller im Winter zu heizen, damit es dort nicht zufriere, hätten Toedtens ebenfalls nicht reagiert.

Für den Hamburger Mieterverein klingt das nach einem bekannten Muster. „Vermieter lassen Häuser bewusst verfallen und kündigen den Bewohnern“, sagt Geschäftsführer Siegmund Chychla. Mit dieser Methode wolle man den Mietern Angst machen. Chychla kennt das Haus in der Methfesselstraße. Es sei eindeutig zu sehen, dass es nicht vollständig bewohnt ist, sagt er. Es müsse dringend instand gesetzt werden. Chychla betont, dass das Haus im Bereich der Sozialen Erhaltungsverordnung liegt. Deshalb müsse ein möglicher Neubau zu den gleichen Bedingungen wie zuvor der Altbau vermietet werden.

Beim Bezirksamt Eimsbüttel ist man über die Hausnummer 80 informiert. Der Eigentümer sei kooperativ, sagt der Behördensprecher auf Anfrage. Man stehe seit 2019 in Kontakt. Ein Antrag auf Abriss sei bislang nicht eingegangen. Bei einer Begehung vor Ort habe das Bezirksamt festgestellt, dass die leerstehenden Wohnungen erhebliche Mängel aufwiesen und nicht bewohnbar seien. Eine Zwischenvermietung wäre „unverhältnismäßig“. Noch im März sei eine erneute Prüfung des Falls geplant.

Damit stehen – in Absprache mit dem Bezirksamt – drei Wohnungen seit mindestens zwei Jahren leer. Druck auf die Eigentümer, die Wohnungen instand setzen zu müssen, scheint es vom Bezirk Eimsbüttel nicht gegeben zu haben.

Die City 21 Immobilien GmbH äußert sich am Telefon nur knapp: „Uns sind da die Hände gebunden“, sagt ein Mitarbeiter. Kurz darauf kommt eine E-Mail: Die GmbH habe das Objekt im Jahr 2018 im derzeitigen Zustand erworben, schreibt Dirk Toedten. Leider hätten die Voreigentümer nicht in das Haus investiert. Man arbeite gemeinsam mit der Stadt an einer Lösung. Mehr könne er aufgrund der laufenden Vorgänge nicht sagen.

Herr F. wünscht sich Klarheit darüber, wie es für ihn weitergehen soll. In seiner Wohnung halte ihn nicht mehr viel, er suche bereits nach etwas neuem. „Das wird schwer, ich weiß“, sagt er. Er hätte die Vermieter gebeten, ihm eine neue Wohnung zu stellen. Dann würde er ausziehen. Doch die hätten abgelehnt.

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5 Kommentare

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  • Es ist schon unglaublich, wie diese Leute vorgehen. Dass die Politik da indirekt mitspielt - unglaublich.

    • @Andreas_2020:

      Bitte differenzieren: Hier spielt die Bezirksverwaltung ihr bekanntes, ganz eigenes Spiel, bei dem wir von der Linksfraktion Eimsbüttel ganz gewiss nicht mitspielen. Das war und ist schon in der Grindelallee 80 so, in der Osterstraße 162 "Schimmelhaus" und anderen Skandalhäusern und Leerständen. [RWg]



      www.linksfraktion-eimsbuettel.de

  • Angesichts der in Ballungsräumen hemmungslos steigenden Grundstückspreise, ist den Hedgefonds und ihren Handlangern egal, ob die darauf stehenden Häuser bewohnt sind, oder nicht. Unbewohnt verfallen lassen, ist billiger. In London stehen ganze Straßenzüge mit Luxuswohnugnen leer, da die Bodenspekulation lukrativer ist, als Verkauf, Vermietung und Verwaltung.

  • 1G
    13566 (Profil gelöscht)

    Aha, Bezirk Eimsbüttel läßt solche Miethaie schalten und walten. Keine Auflagen, keine Fixtermine setzen...nichts?



    Eimsbüttel, ist das nicht einer der Bezirke in HH, wo die GRÜNEN die meisten Stimmen bekamen und zusammen mit der SPD die absolute Mehrheit in der Bezirksversammlung haben?



    Wenn man solche Klientel unterstützt, muss man natürlich auf EFH's in HH möglichst verzichten.

    • @13566 (Profil gelöscht):

      Zur Parteienlandschaft im Bezirk Eimsbüttel, da Sie die offensichtlich nicht kennen: Es gibt eine Koalition zwischen Grünen und CDU, die natürlich die Mehrheit in der Bezirksversammlung hat. Der Bezirksamtsleiter, der die gesamte Verwaltung leitet, ist Herr Kay Gätgens von der SPD. Leider und peinlicherweise waren Grüne und CDU nicht in der Lage ihn abzuwählen.



      Was so ein Fall (dass Miethaie unbehelligt bleiben) mit dem Verzicht von EFH in einem verdichteten Bezirk zu tun hat, erschließt sich mir nicht so richtig.