Bewerbungen für Linken-Vorsitz: Aus verschiedenen Richtungen
Jan van Aken und Ines Schwerdtner wollen Parteichefs der Linken werden. Sollten sie gewählt werden, wären sie ein ungleiches Führungsduo.
Gut möglich, dass es noch weitere Bewerbungen geben wird. Aber die Aussichten für van Aken und Schwerdtner – die unabhängig voneinander kandidieren – gelten als gut, die Nachfolge der scheidenden Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan anzutreten. Sollten die beiden auf dem Bundesparteitag Mitte Oktober in Halle gewählt werden, würde ein recht ungleiches Duo die in einer Existenzkrise befindliche Linke anführen – was zugleich eine Chance und ein Risiko ist.
Geboren 1961 im schleswig-holsteinischen Reinbek, hat van Aken seine politischen Wurzeln in der westdeutschen Friedens- und Umweltbewegung. Lange Jahre bei Greenpeace aktiv, war der promovierte Biologe von 2004 bis 2006 als Biowaffeninspektor für die Vereinten Nationen im Einsatz. Der Linkspartei trat er in ihrem Gründungsjahr 2007 bei, 2009 zog er für sie in den Bundestag ein. Nach zwei Legislaturperioden verzichtete er auf eine erneute Kandidatur. Von 2012 bis 2014 war der Vater dreier Kinder bereits stellvertretender Parteivorsitzender. Dem Vorstand gehörte er bis 2021 an. Seinen damaligen Rückzug verband van Aken mit einer scharfen Kritik an der „Beutegemeinschaft“ der Reformer:innen um den damaligen Fraktionschef Dietmar Bartsch mit dem inzwischen ausgetretenen Wagenknecht-Lager.
Ines Schwerdtner wurde 1989 im sächsischen Werdau geboren und wuchs in Hamburg auf. In Berlin studierte sie Politikwissenschaften und Anglistik, in Frankfurt am Main Politische Theorie. Zeitweise für die marxistische Wissenschaftszeitschrift Das Argument tätig, sympathisierte sie 2018 mit der sogenannten Sammlungsbewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht. Von 2020 bis 2023 war sie Chefredakteurin des linken Politmagazins Jacobin. In die Linkspartei trat die Mutter eines Kindes erst im August vergangenen Jahres ein, drei Monate später wurde sie auf Platz 5 der Linkenliste für die Europawahl gewählt, der allerdings nicht zum Einzug ins Parlament reichte.
Rosa-Luxemburg-Stiftung als einzige Gemeinsamkeit
Wie van Aken ist Schwerdtner derzeit bei der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigt – eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Während van Aken auf die Unterstützung der Bewegungslinken und des progressiven Flügels bauen kann, hat Schwerdtner sowohl die Unterstützung ostdeutscher Reformer:innen als auch des westdeutsch dominierten traditionslinken Flügels. Zu ihren Förderern gehört neben Bartsch auch Heinz Bierbaum, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Ein Führungsduo van Aken und Schwerdtner würde den Großteil der Partei repräsentieren. Die Frage ist nur, ob es gelingt, auch konstruktiv und vertrauensvoll miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten. Der Anspruch, die alten destruktiven Richtungskämpfe zu überwinden, scheint zumindest vorhanden. „Wir haben nun die Gelegenheit, über alle Lager und Differenzen hinweg einen Umgang zu etablieren, der von gegenseitigem Vertrauen und einem Fokus auf die gemeinsamen politischen Ziele geprägt ist“, verspricht Schwerdtner in ihrer Bewerbung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin