Bewegungstermine in Berlin: Der Frieden bleibt unbequem
In Berlin setzen sich weiter Menschen für einen gerechten Frieden in Nahost ein – auch wenn das unmöglich scheint. Ihr Kampf muss weitergehen.

T äglich rauschen Todesmeldungen aus Gaza und der Westbank durch die Social-Media-Feeds. Jede einzelne ist ein verzweifelter Versuch von Angehörigen, Freund:innen oder Genoss:innen, der Statistik der palästinensischen Toten ein Gesicht zu geben. Doch in ihrer Masse sind sie längst zu einem Strom geworden. Die Gesichter verschwimmen, sie sind kaum noch als Individuen ausmachen. Zumindest für jene, die sie nicht kannten.
Doch das ändert sich schlagartig, sobald es eine Verbindung gibt – und sei sie auch noch so dünn. Dann wird aus dem anonymen Fluss wieder ein schmerzhafter Stich ins Herz. Am Dienstag verbreitete sich die Meldung, dass der Aktivist Odeh Hadalin, bekannt durch seine Mitwirkung an der Oscar-prämierten Dokumentation No Other Land, im Dorf Umm al-Kheir in der Westbank von israelischen Siedlern erschossen wurde.
Ich durfte Hadalin vor einigen Jahren kennenlernen – zumindest ein bisschen. Wie so viele andere Menschen aus aller Welt führte er auch mich vor einigen Jahren durch Umm al-Kheir: einem Beduinendorf aus Zelten und Behelfsbauten, direkt neben einer israelischen Siedlung gelegen, in der Häuser im Stil US-amerikanischer Vorstädte stehen. Als ich aus Jerusalem ankam, wollte er mich abholen – doch die Straße, auf der der israelische Bus hielt, durfte er nicht betreten. Schon damals hatte er Angst, erschossen zu werden.
Ich kann nicht allzu viel über den Menschen Odeh Hadalin sagen. Er brachte den Kindern des Dorfes Englisch bei und war ein großer Fußballfan. Vor allem aber war er ein Mensch, der von einem aufrichtigen Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit angetrieben war. Sein Motiv war nicht die Rache, was er wollte, war Sicherheit für sein Dorf und für alle Palästinenser:innen. Er war einer jener Menschen, mit denen ein gerechter Frieden möglich gewesen wäre – trotz aller erlebter Ungerechtigkeit.
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Gerechtigkeit, obwohl die Gerechten ermordet werden?
Aber es hilft nichts: Hadalin ist jetzt tot. Sein vermuteter Mörder, laut dem Guardian: Yinon Levi, ein israelischer Siedler, den die Trump-Regierung von der US-Sanktionsliste gestrichen hat. Yinon Levi wurde festgenommen, aber Medienberichten zufolge bald darauf wieder in einen Hausarrest entlassen. Zudem hat die israelische Armee die Trauerfeier für Hadalin gestürmt und dabei mehrere Menschen aus Umm al-Kheir verhaftet, darunter zwei internationale Aktivist:innen. Die Zerstörung des Beduinendorfs, die Hadalin nur wenige Tage vor seinem Tod in einem berührenden Text im +972 Magazine beschrieben hat, wird wohl weitergehen.
Bei der anhaltenden Vernichtung des palästinensischen Lebens durch Israel scheint die Frage berechtigt: Was macht es mit dem Traum von Frieden, wenn Menschen wie Hadalin ermordet werden? Ist es nicht grotesk, Aussöhnung und Vergebung zu fordern, während die Gerechten erschossen werden? Sucht man einen Grund, warum auf Palästina-Demos so wenig von Frieden die Rede ist, wird man hier ansetzen müssen: Bei der von Israel mit deutscher Unterstützung immer weiter befeuerten Gewaltspirale, betrieben von dem wahnsinnigen Gedanken, man könne den Widerstand gegen die Besatzung und den Terrorismus ausbomben.
Und trotzdem – der Frieden bleibt eine zwingende Notwendigkeit. Denn die Erde dreht sich unerbittlich weiter, wer je einen Menschen verloren hat, weiß das. Soll also irgendwann mal eine Generation von palästinensischen und israelischen Kindern nicht der Gewaltspirale zum Opfer fallen, darf der Traum von Menschen wie Hadalin nicht sterben. Egal, wie hoffnungslos es wirkt: Die Arbeit von Friedensaktivist:innen bleibt alternativlos.
Für den Frieden auf die Straße
Einer dieser Friedensorganisationen, die unermüdlich gegen die Gewaltspirale ankämpfen, ist die israelische Organisation Standing Together. Wie jede Woche findet auch am kommenden Freitag (1. August) eine Mahnwache der Berliner Sektion von Standing Together vor der Amerika Gedenkbibliothek statt. Friedensaktivist:innen kommen hier zusammen, um gegen das Aushungern von Gaza und für einen gerechten Frieden für alle Menschen in Palästina und Israel zu demonstrieren. Die Mahnwache findet von 17 bis 18 Uhr am Blücherplatz 1 statt.
Die Palästina-Bewegung ruft indes unter dem Motto „Gaza is starving – Open Rafah Crossing now!“ für Samstag, den 2. August, auf die Straße. Die Proteste sind Teil einer internationalen Mobilisierung, um die ägyptische Regierung unter Druck zu setzen, den Grenzübergang Rafah nach Gaza zu öffnen – damit die humanitären Hilfsgüter, die sich dort stauen, nach Gaza gebracht werden können. Ort und Zeit der Demonstration werden im Laufe der Woche verkündet werden.
Aber nicht nur in Israel und Palästina, auch in Deutschland muss der Kampf gegen Rechtsextremismus fortgeführt werden. Dafür gibt es am Samstag (2. August) gleich zwei Gelegenheiten. Am Roederplatz in Lichtenberg startet um 17 Uhr erneut eine Stadtteildemonstration unter dem Motto: „Nach den Rechten sehen“. Denn die rechte Gewalt spitzt sich in Lichtenberg zu – von Attacken von Jungnazigruppen gegen Linke bis zu Femiziden.
In Mitte rufen antifaschistische Gruppen derweil dazu auf, sich einer Querdenken-Demonstration entgegenzustellen. Angeblich, um für den Weltfrieden zu demonstrieren, mobilisiert nämlich unter anderem der rechtsextreme Verleger Jürgen Elsässer zu dem x-maligsten Revivalversuch der Bewegung. Zu erwarten ist die übliche Mischung aus AfDlern, Verschwörungsgläubigen und/oder Antisemit:innen. Der Gegenprotest unter dem Motto „Gegen rechte Friedenslügen“ startet um 12:30 Uhr am Neptunbrunnen am Alexanderplatz.
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