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Bewegungstermine in BerlinSchlagkräftige Demokratie

Dass Berliner An­ti­fa­s zur Stelle waren, um Teil­neh­mende des Bautzener CSD zu verteidigen, ist richtig. Raue Zeiten erfordern Selbstbehauptung.

Man muss sich gegen Nazis wehren – nur wie? Foto: Daniel Wagner/dpa

E in abgesetzter Notruf in internen Chatgruppen – und nur zwei Stunden später finden sich 200 An­ti­fa­s am Alex zusammen, um zurückreisende Teil­neh­me­r:in­nen des CSDs in Bautzen zu beschützen, die im Zug von Nazischlägern bedroht werden. Vor Ort treffen die Antifas zwar nicht auf die Nazis: Die steigen am Ostkreuz aus, wo sie zwei Jung­jour­na­lis­t:in­nen angreifen. Trotzdem ist es gut, dass auch in Berlin mal eine kurzfristige Antifa-Mobilisierung funktioniert.

Denn die Zeiten werden rauer. Inzwischen gerät eine oft wiederholte Behauptung ins Wanken: Dass sich der historische Faschismus von seiner Neuauflage dadurch unterscheidet, dass es heute immerhin weniger Straßenterror gibt. Und natürlich ist die Bundesrepublik weiterhin weniger brutalisiert als beispielsweise die Weimarer Republik. Doch mit Gruppen wie der „Deutschen Jugend Voran“ (DJV) wächst eben wieder eine Schlägergeneration heran, die sich zumindest dem Gewaltlevel der 1990er Jahre anzunähern droht.

Auf den Schutz der Polizei gegen die Nazigewalt kann allerdings zumindest nicht bedingungslos gezählt werden. Man muss anerkennen, dass die Berliner Polizei die Neonazis am Ostkreuz effektiv festgesetzt hat. Aber wie konnte es überhaupt passieren, dass gewaltbereite Nazischläger in demselben Zug landen, wie die queeren Teil­neh­me­r:in­nen des CSD? Pures Glück war es, dass es den Nazis während der Rückfahrt aus Bautzen nicht gelang, die Tür zwischen den Zugabteilen aufzubrechen, die die Nazis von ihren Hassobjekten trennte.

Was macht die Bewegung?

Auswertung der Pride-Saison

Wie lief die Antifa-Unterstützung der diesjährigen Pride-Saison? Wie lief die Mobi der Rechten? Linke Gruppen wollen's auswerten – beim Kaffeeklatsch.

Samstag, 16. 8., Kiezladen Sonnenallee 154, 15 Uhr

Udo Voigt Gedenken stören

Der Nazi Udo Voigt ist tot – was wirklich nur die NPD (heute: „Die Heimat“) blöd findet. Die will um ihren Ex-Führer trauern – doch das passiert nicht ohne Gegenprotest.

Samstag, 16. 8., Mandrellaplatz, ab 10 Uhr

Gedenken an sexualisierte Gewalt

Das Netzwerk gegen Feminizide und der Korea Verband laden zu einer Prozession zur Friedensstatue, in Erinnerung an die Opfer japanischer Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg.

Sonntag, 17. 8., Bremer Str. 41, 19 Uhr

Tech-Oligarchie kaputtmachen!

Soziale Medien zerstören die die Grundlage für politische Willensbildung und Organisierung – von der Tech-Oligarchie gewollt. Ein Vortrag informiert, was zu tun ist.

Mittwoch, 20. 8., Buchladen Schwarze Risse, Mehringhof, 19 Uhr

In dieser Situation – die nur zuzuspitzen droht, da sich der anhaltende Rechtsruck auch in der Staatsgewalt niederschlägt – braucht es eine antifaschistische Selbstverteidigung des vielfältigen Lebens: Defensiv, aber nicht zurückschreckend. Doch wer das sagt, bekommt schnell den Vorwurf an den Kopf geknallt, selbst die Gewaltspirale anzufachen, die „den Staat“ und „die Demokratie“ bedroht.

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Nazi-Angriff nach Bautzen-CSD

Eine junge Person mit kurzen Haaren steht vor einem Schild mit der Schrift „Berlin Ostbahnhof“ und schaut ernst in die Kamera. Dazu die Zeile „Nach dem CSD von Nazis angegriffen“
Eine junge Person mit kurzen Haaren steht vor einem Schild mit der Schrift „Berlin Ostbahnhof“ und schaut ernst in die Kamera. Dazu die Zeile „Nach dem CSD von Nazis angegriffen“

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Doch antifaschistischer Selbstschutz ist eine Folge, nicht die Ursache des Staatsversagens im Umgang mit dem Faschismus. Auch wenn also die ästhetische Ablehnung von vermummten Antifas verständlich ist: Den Glauben an die vielfältige Gesellschaft im Stich lassen gerade diejenigen, die den Opfern von Nazigewalt vorwerfen, dass sie sich zu wehren wagen. Denn vor allem eines dürfen die von den Nazis bedrohten Bevölkerungsgruppen wirklich nicht verlieren: Den Rückhalt der Mehrheitsgesellschaft, die sich nicht dem Faschismus anzuschließen bereit ist.

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Timm Kühn
Redakteur
Textplaner taz Berlin. Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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4 Kommentare

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  • "Man muss sich gegen Nazis wehren – nur wie?"

    Gesamte Freizeit und eigenes Leben, aufzuopfern, um den Typen hinterher zu wischen, bin ich nicht Fan von. Eher Sinn macht, (an Otto Braun anknüpfendes) unabhängiges Preußen, wo wir Preußen frei leben können, und wo es nicht alles westlich von Oder-Neiße braucht, um Wohnraum für arme preußische Familien zu schaffen. Und in dem Land, da sind Neonazis Ausländer, womit nicht unmittelbar Gefahr, dass bei uns einen Innenminister stellen.

  • Also so ne Art schlagkräftige Bürgerwehr zum Schutz, hier halt mal die Antifa.

  • "Aber wie konnte es überhaupt passieren, dass gewaltbereite Nazischläger in demselben Zug landen, wie die queeren Teil­neh­me­r:in­nen des CSD?"

    Das wäre doch eine Anfrage bei der Bundespolizei wertgewesen.

    Ich wäre an einer Antwort interessiert gewesen.

  • Die Kommunisten galten in der DDR als "schlagkräftige Demokraten", in der BRD als eine von zwei Bürgerkriegsparteien. Wie werden die Antifas von heute in der Geschichtsschreibung von morgen dastehen? Hängt offenbar davon ab, in welchem System wir morgen leben werden.