Bewegungstermine in Berlin: Schlagkräftige Demokratie
Dass Berliner Antifas zur Stelle waren, um Teilnehmende des Bautzener CSD zu verteidigen, ist richtig. Raue Zeiten erfordern Selbstbehauptung.
E in abgesetzter Notruf in internen Chatgruppen – und nur zwei Stunden später finden sich 200 Antifas am Alex zusammen, um zurückreisende Teilnehmer:innen des CSDs in Bautzen zu beschützen, die im Zug von Nazischlägern bedroht werden. Vor Ort treffen die Antifas zwar nicht auf die Nazis: Die steigen am Ostkreuz aus, wo sie zwei Jungjournalist:innen angreifen. Trotzdem ist es gut, dass auch in Berlin mal eine kurzfristige Antifa-Mobilisierung funktioniert.
Denn die Zeiten werden rauer. Inzwischen gerät eine oft wiederholte Behauptung ins Wanken: Dass sich der historische Faschismus von seiner Neuauflage dadurch unterscheidet, dass es heute immerhin weniger Straßenterror gibt. Und natürlich ist die Bundesrepublik weiterhin weniger brutalisiert als beispielsweise die Weimarer Republik. Doch mit Gruppen wie der „Deutschen Jugend Voran“ (DJV) wächst eben wieder eine Schlägergeneration heran, die sich zumindest dem Gewaltlevel der 1990er Jahre anzunähern droht.
Auf den Schutz der Polizei gegen die Nazigewalt kann allerdings zumindest nicht bedingungslos gezählt werden. Man muss anerkennen, dass die Berliner Polizei die Neonazis am Ostkreuz effektiv festgesetzt hat. Aber wie konnte es überhaupt passieren, dass gewaltbereite Nazischläger in demselben Zug landen, wie die queeren Teilnehmer:innen des CSD? Pures Glück war es, dass es den Nazis während der Rückfahrt aus Bautzen nicht gelang, die Tür zwischen den Zugabteilen aufzubrechen, die die Nazis von ihren Hassobjekten trennte.
Auswertung der Pride-Saison
Wie lief die Antifa-Unterstützung der diesjährigen Pride-Saison? Wie lief die Mobi der Rechten? Linke Gruppen wollen's auswerten – beim Kaffeeklatsch.
Samstag, 16. 8., Kiezladen Sonnenallee 154, 15 Uhr
Udo Voigt Gedenken stören
Der Nazi Udo Voigt ist tot – was wirklich nur die NPD (heute: „Die Heimat“) blöd findet. Die will um ihren Ex-Führer trauern – doch das passiert nicht ohne Gegenprotest.
Samstag, 16. 8., Mandrellaplatz, ab 10 Uhr
Gedenken an sexualisierte Gewalt
Das Netzwerk gegen Feminizide und der Korea Verband laden zu einer Prozession zur Friedensstatue, in Erinnerung an die Opfer japanischer Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg.
Sonntag, 17. 8., Bremer Str. 41, 19 Uhr
Tech-Oligarchie kaputtmachen!
Soziale Medien zerstören die die Grundlage für politische Willensbildung und Organisierung – von der Tech-Oligarchie gewollt. Ein Vortrag informiert, was zu tun ist.
Mittwoch, 20. 8., Buchladen Schwarze Risse, Mehringhof, 19 Uhr
In dieser Situation – die nur zuzuspitzen droht, da sich der anhaltende Rechtsruck auch in der Staatsgewalt niederschlägt – braucht es eine antifaschistische Selbstverteidigung des vielfältigen Lebens: Defensiv, aber nicht zurückschreckend. Doch wer das sagt, bekommt schnell den Vorwurf an den Kopf geknallt, selbst die Gewaltspirale anzufachen, die „den Staat“ und „die Demokratie“ bedroht.
Doch antifaschistischer Selbstschutz ist eine Folge, nicht die Ursache des Staatsversagens im Umgang mit dem Faschismus. Auch wenn also die ästhetische Ablehnung von vermummten Antifas verständlich ist: Den Glauben an die vielfältige Gesellschaft im Stich lassen gerade diejenigen, die den Opfern von Nazigewalt vorwerfen, dass sie sich zu wehren wagen. Denn vor allem eines dürfen die von den Nazis bedrohten Bevölkerungsgruppen wirklich nicht verlieren: Den Rückhalt der Mehrheitsgesellschaft, die sich nicht dem Faschismus anzuschließen bereit ist.
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