Bewegungstermine in Berlin: Für ein autonomes Leben
Klima, reproduktive Rechte, Iran, Wohnen – am Wochenende gilt es, Widerstand gegen Angriffe auf das selbstbestimmte Leben zu leisten.
E in großer Teil des Diskurses über Klimaschutz besteht bekanntlich aus „Blah, blah, blah“, also aus viel Greenwashing und wenig Konkretem. Eine der wenigen Ausnahmen, wo überhaupt Verbindliches zu finden ist, ist das Klimaschutzgesetz. Verabschiedet wurde es 2019 unter dem Druck der Fridays for Future, die damals 1,4 Millionen Menschen auf die Straße brachten. Erstmals wurden so – allerdings viel zu schwache – verbindliche Sektorziele für die Emissionsminderung gesetzlich verankert.
Doch das war, bevor die FDP an die Regierung kam. Seither muss man offenbar Rücksicht nehmen auf die Unfähigkeit der FDP-Minister. So sollen künftig die verbindlichen Sektorziele abgeschafft und stattdessen alle Bereiche zusammengerechnet werden, weil Verkehrsminister Wissing seine Arbeit nicht gemacht hat. Derweil erhöht die Ampel die CO2-Steuer, verweigert aber bisher die Auszahlung des Klimageldes, weil dies laut Lindner – Achtung, ernstgemeinte Rechtfertigung – bisher technisch nicht möglich sein soll.
Es wäre so leicht, sich über die sonst so auf Leistungsideologie abfahrende FDP lustig zu machen – wären die Gelackmeierten in diesem Witz nicht wir alle, die noch vorhaben, ein gutes Leben auf diesem Planeten zu führen.
Es hilft deshalb nix, Klimaschutz bleibt Handarbeit. Um das Schlimmste zu verhindern, muss die Klimabewegung deshalb beim kommenden Globalen Klimastreik (15.09, 12 Uhr, Brandenburger Tor) absurderweise für die Einhaltung eines eigentlich völlig unzureichenden Gesetzes protestieren. Notwendig ist das aber allemal: Wenn es in absehbarer Zeit keinen „system change“ geben wird, müssen wenigstens die Grünen unter Druck gesetzt werden, ihr Rückgrat zu finden, um die Marktfundamentalist:innen der FDP noch irgendwie in die Schranken zu weisen.
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Burn the patriarchy
Apropos Fundamentalist:innen: Auch in diesem Jahr werden am Samstag (16.09.) viele christliche Fundis beim so genannten „Marsch für das Leben“ gegen sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen* und gegen Sterbehilfe protestieren. Die Veranstaltung lebt von ihrer Offenheit nach Rechts: Christen, Konservative und AfDler/Rechtsextreme marschieren dort traditionell Seit' an Seit' – und setzen dabei auch schon mal Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust gleich.
Es handelt sich dabei nicht etwa um ungefährliche Durchgeknallte. Hinter dem Aufmarsch steht ein europaweit koordiniertes Projekt, das die politische Kontrolle über Frauen*körper zum Ziel hat. Gefordert wird das völlige Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen oder zumindest, dass Frauen* noch mehr genötigt werden, ungewollte Schwangerschaften auszutragen. Dabei hat der mittelalterlich anmutende Paragraf 218, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, von der nur nach unfreiwilliger Beratung und der Einhaltung gesetzlicher Fristen abgesehen wird, bis heute Bestand.
Doch die Fundis wollen noch viel mehr. Es geht nicht nur um das christliche Dogma des unantastbaren Lebens. Was ihren Protest für Rechte so anziehend macht, ist die dahinterstehende patriarchale Ideologie: Frauen* sollen dem Mann unterstehen, der arbeiten geht oder in den Krieg zieht. Die heteronormative Familie wird als kleinste Einheit eines Staates gedacht, der die konservativen bzw. religiösen Werte wahrt. Der Feminismus ist da ein Feindbild, weil dieser statt von einer hierarchischen Gesellschaftsordnung von selbstbestimmten Menschen ausgeht.
Dazu kann nur gesagt werden: „What the fuck?!“. Zum Glück werden Menschen aus dem Umfeld eines gleichnamigen queerfeministischen Bündnisses auch in diesem Jahr unter dem Motto „Burn the Patriarchy“ versuchen, den Aufmarsch zu stören. Am Washingtonplatz wird es ab 10:30 Uhr einen Infopunkt geben. Auf der Webseite der Gruppe finden sich auch Termine der Fundis jenseits des Marsches, die mensch besuchen könnte, um einfach mal „Hallo“ zu sagen.
Einen etwas niedrigschwelligeren Protest veranstaltet das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, ein breiter Zusammenschluss etwa aus Beratungsstellen, feministischen Gruppen, Parteien und Gewerkschaften. Die Auftaktkundgebung zum Aktionstag unter dem Motto „Leben und lieben ohne Bevormundung“ beginnt um 12 Uhr am Brandenburger Tor, von wo aus ein Protestzug zum Bebelplatz ziehen wird. Auf dieser Aktionskarte hat das „What the fuck?!“-Bündnis die Protestlage anschaulich zusammengefasst.
Jin, Jiyan, Azadî
Wohin es letztlich führt, wenn religiöse Fundamentalist:innen in einer Gesellschaft das Sagen übernehmen, davon können die iranischen Aufständigen ein Lied singen. Am 16. September vor einem Jahr wurde Jina Amini von der iranische Sittenpolizei höchstwahrscheinlich getötet, nachdem sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Zwangsverschleierung verhaftet worden war. Seither reißt der Aufstand unter der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ gegen das Mullah-Regime nicht ab, welches sich nur noch dank seines brutalen Repressionsapperates an der Macht halten kann.
Zum Jahrestag des Aufstandbeginns rufen iranische Diaspora-Gruppen zu Protesten auf. Unter dem Motto „Liberation is our right, Jina symbol of our fight“ ruft das Jina Collective am Freitag (15.09.) zu einer Abenddemo auf, die um 20 Uhr vom Hermannplatz zum Kottbusser Tor zieht. Am Samstag (16.09., 17 Uhr) ruft etwa das Woman*, Life, Freedom-Kollektiv zu einer Demo am Bebelplatz auf. Das RegenbogenKino zeigt auch einen Film über politische Arbeit im Iran der 1980er Jahre (16.09., 16 Uhr).
Wohnungskämpfe nicht vergessen
Berlin steht also ein munteres Protestwochenende bevor. Abgerundet werden kann dieses noch am Sonntag mit dem Kampf gegen die Immobilienkonzerne, die das Leben in dieser Stadt unbezahlbar machen. Ein stadtpolitisches Mittel, dagegen vorzugehen, war lange das bezirkliche Vorkaufsrecht – bis dieses von Eigentümern weggeklagt wurde. Doch laut Linken und Grünen greift unter bestimmten Bedingungen das Vorkaufsrecht weiterhin, etwa, wenn Häuser in Milieuschutzgebieten Leerstand aufweisen oder verfallen gelassen wurden.
Möglicherweise ist das Vorkaufsrecht also noch nicht final gestorben. Für die Weichselstr. 52 und die Hermannstr. 123 in Neukölln will der Bezirk derzeit erstmals wieder das Vorkaufsrecht ziehen. Besonders kein Bock haben die Bewohner:innen der Weichselstraße auf ihren möglichen neuen Inhaber, die Hansereal Gruppe, der AfD-Verbindungen nachgesagt werden und die derzeit auch die berüchtigte Liebigstr. 14 und die Rigaer Str. 95/96 verscherbeln will. Gemeinsam rufen die Häuser den Senat auf, Geld für den Vorkauf herauszurücken und das Vorkaufsrecht so wiederzubeleben. Am Sonntag (17.09.) startet um 13 Uhr eine Demo in der Weichselstr. 52 und zieht zum „Dorfplatz“ im Friedrichshainer Nordkiez.
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