Bewegungsforscher über FFF bei Merkel: „Es geht um symbolische Politik“
Ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel? Bringt etwas für das Anliegen der Fridays-AktivistInnen, sagt Bewegungsforscher Simon Teune.
taz: Herr Teune, was können Greta Thunberg und Luisa Neubauer bei so einem „Meinungsaustausch“ mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gewinnen?
Simon Teune: Zwei Dinge: Erstens dass das Thema bei denen, mit denen sie sprechen, weiter oben auf die Agenda rutscht. Zweitens dass die öffentliche Diskussion wieder auf die Klimakrise gelenkt wird. Das muss nicht passieren, aber die Tatsache, dass die jungen Frauen sehr berühmt sind und ihr Auftreten an sich schon Nachrichtenwert hat, gibt ihnen die Möglichkeit, das strategisch zu nutzen.
Aufmerksamkeit hatten sie ja schon sehr viel, aber die hat das Klima auch nicht gerettet.
Nein, aber was die Aktivistinnen machen, passt stringent zu ihrer bisherigen Strategie, diejenigen Entscheidungsträger*innen direkt zu adressieren, die etwas verändern könnten. In dieser Situation sind wir jetzt mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zum zweiten Halbjahr 2020 und einer deutschen EU-Kommissionspräsidentin, die mit der Kanzlerin sehr vertraut ist. Deshalb entspricht es auch dem bisherigen Vorgehen von Fridays for Future, an dieser Stelle Druck auszuüben und Angela Merkel an ihre Verantwortung zu erinnern.
Dabei hat die Bundesregierung doch in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass sie zu grundlegenden Änderungen in der Klimapolitik nicht bereit ist.
Es ist ja auch nicht der einzige Zugriff, den Fridays for Future haben. Thunberg und Neubauer spielen die Prominenz-Karte und an anderer Stelle gibt es andere Aktionen wie Blockaden und Proteste im Rheinland und in den Städten. Das Treffen ist Teil einer mehrgleisigen Strategie.
Also eher ein Medientermin – aber nützt das eher Thunberg oder Merkel?
Angela Merkel würde das nicht machen, wenn sie nicht das Gefühl hätte, sie hat etwas davon. Aber die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass die Aktivist*innen sich nicht einfach einkaufen lassen. Außerdem, dass solche Treffen für Politiker*innen, die sich dialogbereit geben, kein Selbstläufer sind. Ich denke da zum Beispiel an die Anfangsphase der Bewegung im Januar 2019, als CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier den Protest als Bühne nutzen wollte, dann aber von den Schüler*innen an seine magere klimapolitische Bilanz erinnert wurde. Das waren unschöne Bilder für ihn.
Wie viel Druck können Neubauer und Thunberg bei so einem Termin wirklich ausüben?
Bei dem Treffen selbst relativ wenig, aber es geht um symbolische Politik. Die kommen als Vertreterinnen von 1,4 Millionen Menschen, die in Deutschland beim größten Klimastreik auf der Straße waren, und haben ein Anliegen, um das man als Politiker*in nicht herumkommt. Das weiß auch Frau Merkel. Und hinsichtlich der Bundestagswahl im nächsten Jahr ist klar, dass die Parteien dahingehend Angebote machen müssen.
Der 43-Jährige ist Vorstand des Instituts für Protest und Bewegungsforschung und Co-Leiter des Bereichs „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ der Technischen Universität Berlin.
Aber über konkrete Inhalte wird am Donnerstag im Kanzleramt wohl eher nicht verhandelt, oder?
Es gehört zur Strategie von Fridays for Future, möglichst konkrete Forderungen und Ziele aufzustellen. Das wird dieses Mal, vor allem hinsichtlich der EU-Ratspräsidentschaft, nicht anders sein. Insofern ist es nicht nur ein Termin, um nett zu plauschen. Es gibt ja konkrete Maßnahmen, die Frau Merkel und Frau von der Leyen angehen können, um den Pariser Klimazielen näher zu kommen – und die werden vermutlich auch auf den Tisch kommen.
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