Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz: Nie wieder Rana Plaza
Drei NGOs haben das Lieferkettengesetz getestet: In einer Beschwerde werfen sie Amazon und Ikea Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten in Bangladesch vor.
Der Vorfall war nicht der erste seiner Art, zeigte aber für viele die katastrophalen Bedingungen in Zulieferfirmen von großen Unternehmen im Textilsektor auf. Erstmals gelang es, ein breites Spektrum an Akteuren von Unternehmen bis Gewerkschaften zusammenzubringen, um gemeinsam Standards zu vereinbaren, die Gebäude- und Arbeitsschutz in der Textilindustrie in Bangladesch verankerten. Viele internationale Unternehmen unterzeichneten den sogenannten „Bangladesch Accord“ – Ikea und Amazon sind bis heute nicht darunter.
Darin sehen die Menschenrechtsorganisationen Femnet, ECCHR und die nationale Bekleidungsgewerkschaft in Bangladesh NGWF eine Verletzung des Lieferkettengesetzes, das am ersten Januar 2023 in Kraft trat. „Wir verstehen die Nichunterzeichnung als bewusste Abkehr von geeigneten Maßnahmen und daher als Verletzung der Sorgfaltspflicht“, erklärt Sina Marx, Projektleiterin bei Femnet.
Nichtunterzeichnung sei Verletzung der Sorgfaltspflicht
„Das Lieferkettengesetz sieht vor, dass Unternehmen Risikoanalysen durchführen müssen und geeignete präventive Maßnahmen ergreifen müssen um Risiken zu begrenzen“, erklärt Marx. „Der Accord ist ein Lösungsmechanismus, der sowohl von Betroffenen als auch Unternehmen breite Unterstützung hat und nachweislich zu Verbesserungen im Brand- und Gebäudeschutz geführt hat“.
Die Organisationen argumentieren daher, dass die Unterzeichnung des Accords eine präventive Maßnahme sei, um Menschenrechte von Arbeiter:innen zu gewährleisten. Ikea erklärte bislang, der eigene Menschenrechtsstandard sei gleichwertig.
Um eine Beschwerde beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) einzureichen müssen konkrete Unternehmen und Mängel genannt werden. Aus diesem Grund haben die NGOs eine Recherche in Auftrag gegeben. Diese führte NGWF im März 2023 durch. Die Gewerkschaft gibt an, Sicherheitsmängel, wie fehlende Inspektionen und Arbeitsrechtsverletzungen, wie mangelnde Gewerkschaftsfreiheit, festgestellt zu haben.
Marx betont aber, dass es den Organisationen bei der Beschwerde nicht um Mängel in einzelnen Fabrikgebäuden ginge. Sie wollen mit dem Bafa „ins Gespräch kommen“ was geeignete Präventionsmaßnahmen seien.
Das Bafa wird nun prüfen „ob die Beschwerde substantiiert ist“, schreibt die Behörde auf Anfrage der taz. Bislang seien sieben Beschwerden und Hinweise zu potentiellen Verletzungen der Sorgfaltspflichten in den Lieferketten deutscher Unternehmen eingegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana