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Bernd Pickert über die Urteile gegen Ford-Mitarbeiter in ArgentinienEin später Durchbruch

Das Urteil gegen zwei ehemals leitende Mitarbeiter der Ford-Werke in Argentinien wegen ihrer Rolle zu Zeiten der argentinischen Militärdiktatur kommt unglaublich spät – und ist doch ein Durchbruch. Bislang ist noch keiner der internationalen Konzerne, die zwischen 1976 und 1983 mit der Diktatur kooperierten und sie nutzten, um unliebsame Gewerkschafter loszuwerden, belangt worden.

Das gilt insbesondere für die argentinische Niederlassung von Mercedes-Benz. Seit vielen Jahren, und nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Recherchen der deutschen Journalistin Gaby Weber, liegen die Hinweise auf eine Beteiligung der Unternehmensleitung am „Verschwindenlassen“ von Mercedes-Gewerkschaftern auf dem Tisch. Aber weder in Argentinien noch in Deutschland ist es bislang gelungen, die mutmaßlichen Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Unter öffentlichem Druck heuerte der Konzern 2003 den bis dahin renommierten Völkerrechtler Christian Tomuschat an, der in einem Gutachten die vollkommene Unschuld des Unternehmens bescheinigte – mit den wichtigsten Zeugen allerdings gar nicht gesprochen hatte. Dass Tomuschat seither in der Menschenrechtsszene unten durch ist, hilft den Opfern wenig.

Das Ford-Urteil wäre ein guter Anlass, jetzt auch den verschwundenen Arbeitern von Mercedes-Benz Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und auch die Bundesregierung muss endlich grundsätzlich das Verhältnis zur argentinischen Diktatur aufarbeiten. Immerhin war Deutschland ein wichtiger Handelspartner, der wichtigste Rüstungslieferant und half mit bei der Vertuschung von Morden an deutschstämmigen Oppositionellen. Die Hauptverantwortlichen, von Außenminister Hans-Dietrich Genscher bis Kanzler Helmut Schmidt, sind inzwischen gestorben. Aber jene Opferangehörigen, die noch leben, haben ein Recht darauf, dass wirklich alle zur Rechenschaft gezogen werden, die ihre Verwandten auf dem Gewissen haben. In Argentinien, in internationalen Konzernen und in damals verbündeten Staaten.

der tag

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