Berliner Wochenkommentar II: Die AfD drängt auf die Straße
Die Zahl rechter Gewalttaten ist in Berlin und auch Brandenburg gesunken. Doch noch immer ist das Niveau der flüchtlingsfeindlicher Mobilisierungen hoch.
Ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, was die Opferberatungsstellen in Berlin und Brandenburg am letzten Dienstag verkündeten? In beiden Ländern ist die Zahl rechter Gewalttaten im letzten Jahr deutlich gesunken – das lässt aufatmen. Doch ebenso wichtig ist: Noch immer werden deutlich mehr solcher Straftaten begangen als in den Jahren vor 2015, das heißt vor der massiven Welle flüchtlingsfeindlicher Mobilisierungen, die eben auch mit einem deutlichen Anstieg der Gewalttaten einherging.
Unterm Strich bleibt: Es ist in den letzten drei Jahren gefährlicher geworden für Flüchtlinge und Migranten, für Homosexuelle und Juden, für politische Gegner und alle anderen, die Rechten ein Dorn im Auge sind. Der Zusammenhang zwischen rechten Straßenmobilisierungen und rechter Gewalt – aus Worten werden Taten – ist dabei augenfällig.
Dass es heute weniger rechte Kundgebungen und Demonstrationen und auch weniger rechte Gewalttaten gibt als noch 2016, wird oft mit dem Einzug der AfD in die Parlamente in Verbindung gebracht. Die Rechten, so das Argument, haben nun ihre politische Vertretung gefunden und müssen deswegen weniger selbst auf der Straße präsent sein.
Wie stark dieser Zusammenhang wirklich ist, lässt sich schwer sagen. Klar ist jedenfalls: Dass die Rechten gerade von Ausnahmen wie Cottbus abgesehen eher in den Parlamenten als auf der Straße aktiv sind, muss nicht so bleiben.
Eroberung der Stadtgesellschaft
Das hat mit der AfD selbst zu tun, die sich immer stärker zur Bewegungspartei entwickelt und erst kürzlich etwa ihr Kooperationsverbot mit Pegida aufgehoben hat. In Brandenburg ist diese Entwicklung schon weit vorangeschritten, in Berlin sind die Berührungsängste zumindest nach außen noch etwas stärker.
Wie stark dieser Schulterschluss zwischen Partei und Bewegung schon ist, wird sich im Mai zeigen, wenn die AfD in Berlin eine Großdemonstration veranstalten will, für die sie bundesweit mobilisiert.
Auch die Berliner AfD gibt jedenfalls als interne Parole bereits aus, dass nach der Eroberung der Parlamente nun die Eroberung der Stadtgesellschaft kommen muss: in den Vereinen, in der Zivilgesellschaft, auf der Straße. Die Zahl rechter Mobilisierungen könnte also wieder zunehmen – und die Gefahr, dass auch dann wieder aus Worten Taten werden, ist groß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!