Berliner Verwaltungsgericht entscheidet: Sohn nicht wegen Vater bestrafen
Der 15-Jährige glänzt in der Schule, sein Vater terrorisiert sie. Den Jungen deswegen in eine andere Schule zu versetzen, geht aber nicht.
Die Maßnahme war keineswegs dem Verhalten des 15-Jährigen geschuldet. Dem hat die Schule nicht nur sehr gute Noten erteilt, sondern im Zeugnis auch ein gutes Verhalten bescheinigt: „Lern- und Leistungsbereitschaft, Arbeitshaltung, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Teamfähigkeit“, alles „sehr ausgeprägt“, wie Gerichtssprecher Stephan Groscurth zitiert.
Ein Problem hat die Schule hingegen mit dem Vater des Jungen: Zwischen ihm und der Schule soll es seit über zwei Jahren „erhebliche Auseinandersetzungen“ geben. Er hat laut Gericht nicht nur „zahlreiche Dienstaufsichtsbeschwerden, Petitionen, Befangenheitsanträge und Strafanzeigen“ gestellt, sondern erscheine auch vor der Schule, spreche Schüler und Lehrkräfte an und mache Videos, die er auf Facebook veröffentliche. „Ein Großteil der Lehrkräfte der Schule fühlt sich von dem Vater des Antragstellers bedroht; die beiden Klassenlehrerinnen und die Schulleiterin waren zwischenzeitlich dienstunfähig erkrankt“, so Groscurth.
Die von der Senatsverwaltung beschlossene Versetzung an eine andere Schule hat das Gericht trotzdem aufgehoben, denn: „Ein Schüler kann nicht allein wegen des Verhaltens seines Vaters gegenüber Schulleitung und Lehrerschaft an eine andere Schule überwiesen werden.“
Es fehle dafür schlicht an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Mögliche Voraussetzung für einen Ausschluss sei allein eine „Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder eine Gefährdung anderer am Schulleben Beteiligter“ durch den Schüler selbst. Das sei aber nicht der Fall.
Es geht auch anders herum
Manchmal haften Kinder dann allerdings doch für ihre Eltern – zumindest an Privatschulen: Um die Jahreswende 2018/19 war der Fall einer künftigen Erstklässlerin bekannt geworden, die eine Waldorfschule in Treptow-Köpenick nicht aufnehmen wollte, obwohl sie bereits die dazugehörige Kita besucht hatte. Grund: Der Vater ist AfD-Abgeordneter.
Damals entschied die Senatsverwaltung nach juristischer Prüfung des Falls, das Landesschulgesetz garantierte zwar jedem jungen Menschen das Recht auf „diskriminierungsfreie schulische Bildung“, ungeachtet der „religiösen oder politischen Anschauungen“. Für sogenannte Ersatzschulen gelte das Gesetz aber nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!