Berliner Neutralitätsgesetz: Bitte höchstrichterlich bestätigen

Ein Rechtsgutachten stützt das Berliner Neutralitätsgesetz, nun ist eine richterliche Bestätigung des Gutachtens nötig. Ein Wochenkommentar.

EIn Mädchen mit Kopftuch sitzt vor einer Schultafel

Gezerre ums Tuch: Das Berliner Neutralitätsgesetz ist umstritten Foto: dpa

Eines ist nach dem am Donnerstag veröffentlichten Rechtsgutachten klar: Beim Neutralitätsgesetz geht es nicht um alle Religionen, auch wenn Politiker das immer betonen – es geht um den Islam. Die Behauptung, dass es diese eine Religion ist, die aufgrund ihrer „Religionskultur“ an Schulen für Konflikte sorgt, ist ein wesentlicher Strang der Argumentation.

Ein nicht unerheblicher Anteil der Muslime sei in der Vorstellung verhaftet, die Frau sei dem Mann untergeordnet und Frauen und Mädchen müssten sich bedecken. Zudem: Jeder Muslim sei in der Pflicht, diese Vorstellungen auch bei anderen Glaubensgenossen durchzusetzen.

Ob diesen Ideen wirklich ein Drittel der Berliner Muslime anhängt, sei dahingestellt. In der Tat ist dies einer der Schwachpunkte des Gutachtens, das sich beim Exkurs in die islamische Vorstellungswelt vorwiegend auf eine weltweite Studie, durchgeführt allein in islamischen Ländern, verlässt. Der grundsätzliche Befund aber stimmt. So gut wie jeder, der ein Kind an einer Berliner Schule hat, weiß: Es gibt dort nicht wenige Konflikte, die von muslimischen Kindern und Jugendlichen ausgehen – was nicht heißt, dass es dort nicht auch andere Konflikte gibt.

Aber die Geschichten von Hänseleien bis zum Mobbing, weil andere (säkulare) Muslime Wurst essen oder Gummibären oder kein Kopftuch tragen: Es gibt sie. An der Kreuzberger Schule meines Sohnes hörten wir sie schon in der ersten Klasse. Offen gesagt bin ich daher froh, dass es wenigstens keine LehrerInnen gibt, die einem intoleranten Glauben anhängen.

Kopftuch ein Zeichen der Unterdrückung

Das Kopftuch ist für mich ein Symbol von Markierung und Unterwerfung

Natürlich muss es nicht sein, dass alle Frauen mit Kopftuch so glauben. Aber das Kopftuch – für mich als im Zeichen der Aufklärung erzogene Kartoffel ein Symbol von Markierung und Unterwerfung – ist dafür ein starkes Indiz. Und wenn der Glaube einer Lehrerin so stark ist, dass sie nicht einmal für ein paar Stunden ihr Bekenntnis beiseite legen kann, habe ich Zweifel an ihrer Unparteilichkeit und Urteilskraft.

So bleibt nur zu hoffen, dass das Neutralitätsgesetz in naher Zukunft höchstrichterlich bestätigt wird. Gleichzeitig ist klar, dass es keine Lösung bietet für die Konflikte rund um Religion an Schulen. Natürlich bringen die Kinder das mit, was in den Familien, im Fernsehen, in der Welt passiert. So auch den innerislamischen Kulturkampf um Deutungshoheit zwischen Liberalen und Orthodoxen, der sich weltweit immer mehr zuzuspitzen scheint.

Leider lässt der Senat die klare politische Haltung, die er – oder zumindest ein Teil der Regierung – beim Neutralitätsgesetz zeigt, in anderer Hinsicht vermissen. So ist es das völlig falsche Zeichen, dass der Regierende Bürgermeister am Freitag seinen Amtskollegen aus Teheran empfing: einen Repräsentanten des Mullah-Regimes, das Frauen, die das Kopftuch ablegen, zuhauf ins Gefängnis wirft. Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich für einen liberalen und weltoffenen Islam einsetzen.

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Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.

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