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Berliner Mietendeckel beschlossenRevolution auf dem Wohnungsmarkt

Fast wäre es zum Bruch der rot-rot-grünen Koalition gekommen. Nun aber steht eine Einigung, von der 1,5 Millionen Berliner Haushalte profitieren.

Der Berliner Mietendeckel ist die Mietpreisbremse, die der Bund über Jahre nicht hinbekommen hat Foto: dpa

Berlin taz | Schwarze Freitage hat es schon genug gegeben, für Berlins Mieterinnen und Mieter könnte der 18. Oktober dagegen als „goldener Freitag“ in die Nachwendegeschichte der Stadt eingehen. Nach fast sechs Stunden Verhandlungen hat die rot-rot-grüne Koalition gegen 19 Uhr beschlossen, massiv in den Wohnungsmarkt einzugreifen. „Habemus Mietendeckel“, twitterte die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop aus dem Roten Rathaus.

Statt einem finalen Clash von R2G nun also die finale Einigung. Und die kann sich, verglichen mit dem enthemmten Marktgeschehen, das in Berlin seit Jahren herrscht, durchaus sehen lassen. So werden laut der neun Punkte umfassenden Vereinbarung, die der taz vorliegt, zunächst die Mieten in Berlin, rückwirkend zum 18. Juni, für fünf Jahre eingefroren. Davon profitieren knapp 1,5 Millionen Haushalte in der Hauptstadt. Wer auf Wohnungssuche ist, darf zudem künftig nicht mehr als der Vormieter zahlen. Liegt dessen Miete über einer in einer Tabellenmiete festgelegten Obergrenze, darf sie auf diese verkürzt werden.

Alleine dieser Passus ist eine Revolution auf dem Wohnungsmarkt. Denn bei Wiedervermietungen, das ergab die jüngste Wohnungsmarkterhebung von „Mietenwatch“, liegen die Preise drastisch über den von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) in ihrem Gesetzentwurf zuletzt formulierten Obergrenzen. Bei Altbauwohnungen etwa liegen die Angebotsmieten im Schnitt bei 14,81 Euro Kaltmiete pro Monat. Die Obergrenze dagegen beträgt 6,45 Euro. Der Berliner Mietendeckel ist also die Mietpreisbremse, die der Bund über Jahre nicht hinbekommen hat. Das dürfte auch attraktiv für andere Länder sein, dem Berliner Beispiel zu folgen.

Bis zuletzt hatten sich die Berliner SPD auf der einen, Linke und Grüne auf der anderen Seite darüber gestritten, ob zu hohe Bestandsmieten auf die Obergrenzen abgesenkt werden können. Nachdem eine generelle Absenkung nicht konsensfähig war, hatte Lompscher vorgeschlagen, dass nur diejenigen das Recht auf Absenkung bekommen sollten, deren Miete 30 Prozent oder mehr des Haushaltseinkommens beträgt. Das ist, auch nach verfassungsrechtlichen Bedenken, nun vom Tisch.

„Wucherparagraph“ soll in neun Monaten in Kraft treten

Stattdessen wurde eine Kappungsgrenze eingeführt. Nun dürfen Mieten, die 20 Prozent höher als die Obergrenzen liegen, auf diesen Wert, also Obergrenze plus 20 Prozent, gesenkt werden. Die Obergrenzen orientieren sich am Mietspiegel von 2013. Dieser so genannte „Wucherparagraph“ soll in neun Monaten in Kraft treten. Vorgesehen ist auch, dass die Obergrenzen je nach Lage höher oder niedriger ausfallen. So gibt es für einfache und mittlere Lagen Absenkungen von 28 und neun Cent pro Quadratmeter, in teuren Lagen liegen sie 74 Cent über der Obergrenze.

Weil es von Vermieterverbänden, aber auch von Genossenschaften immer wieder Kritik gegeben hatte, dass sich Modernisierungen nicht mehr lohnten, sollte der Mietendeckel „atmend“ gemacht werden. Die nun gefundene Regelung besagt, dass eine Modernisierungsumlage von einem Euro pro Quadratmeter erlaubt ist. Wer umfassender modernisiert, soll die Förderprogramme des Landes in Anspruch nehmen. Zu erwarten ist, dass diese demnächst kräftig aufgestockt werden.

Die linke Wohnungspolitikerin Gaby Gottwald kommentierte die Einigung am Samstag gegenüber der taz mit den Worten: „Wir sind alle froh und erleichtert.“ Nun werde man gespannt schauen, „wie die Börsen am Montag reagieren“. So ist etwa die Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen, gegen die parallel ein Volksbegehren zur Enteignung läuft, mit 110.000 Wohnungen nicht nur Berlins größte Vermieterin, sondern auch ein am Aktienmarkt notiertes Wohnungsunternehmen.

Wir beschreiten nun wirklich Neuland, mit dem, worauf wir uns geeinigt haben

Bürgermeister Michael Müller, SPD

Die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kapek zeigte sich ebenfalls zufrieden: „Die Verhandlungen waren hartes Ringen und viel Arbeit. Aber es ist gelungen, eine Einigung für einen machbaren Mietendeckel zu finden.“ „Wir beschreiten nun wirklich Neuland, mit dem, worauf wir uns geeinigt haben“, erklärte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Das Ergebnis sei natürlich ein Kompromiss, aber ein guter und tragfähiger, der den Mietern in Berlin eine Atempause verschaffe. Die Idee zum Mietendeckel sei erst am 18. Januar entstanden, sagte Müller. Neun Monate bis zum Gesetzentwurf – „das ist wirklich verdammt schnell“.

Bevor der Berliner Mietendeckel wie geplant im Januar 2020 in Kraft treten kann, muss er noch formal vom Senat in der nächsten Woche beschlossen und ein entsprechender Gesetzestext vom Berliner Abgeordnetenhaus abgesegnet werden. Dann hätte Rot-Rot-Grün Berlin tatsächlich Mietgeschichte geschrieben. Inwieweit sie dann Bestand hat, wird am Ende im Bundesverfassungsgericht entschieden.

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12 Kommentare

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  • @Meister Eder Ja, da gibt es viele Ansatzpunkte für Rechtsstreit. Ich hoffe, dass dem Zentralkomitee sein Fünfjahresplan um die Ohren fliegt.

    Was Eigentumswohnungen angeht, haben die Berliner tatsächlich noch Nachholbedarf. Wenn man aber eine Wohnung kaufen muss, um überhaupt noch eine zu kriegen, ist das nicht sinnvoll.

    • 0G
      07301 (Profil gelöscht)
      @Thorsten:

      Ich hoffe dies auch. Dann bekommt das Experiment eine neue Wendung, die ich spannend finde.

      Einem Vermieter ist natürlich zu raten, den Bescheid auf eine Absenkung zu bekämpfen (kostet nicht viel). Das Verfahren wird mit Sicherheit beim Verwaltungsgericht ausgesetzt werden.

      Ebenso könnte man beim Bezirksamt beantragen, eine höhere Miete genehmigt zu bekommen (unter Verweis auf das BGB). Auch den Bescheid kann man bekämpfen und kommt wieder vor Verwaltungsgericht.

  • Okay, dass die Linke das Ganze nur ideologisch sieht und mit dem Mietendeckel vielleicht auch noch eine hidden agenda (Stichwort: "Das rote Berlin") verfolgt, ist klar. Aber von den anderen Parteien würden ich erwarten, dass sie mal den hoffentlich vorhandenen Verstand gebrauchen. Es ist doch offensichtlich, dass der Mietendeckel schon vor der Einführung immensen Schaden angerichtet hat: viele Vermieter, die sonst nicht auf die Idee gekommen wären, haben schnell noch die Miete erhöht, Investoren, die die Stadt braucht, sind vergrault und werden Projekte in Berlin die nächsten Jahre nicht mehr anfassen und Handwerkern sind schon Aufträge in zweistelliger Millionenhöhe flöten gegangen. Wenn die Vermieter jetzt noch gezwungen werden, bei Neuvermietung die Miete zu senken, dann gibt es keine Neuvermietung mehr, sondern Verkauf! Die Zahl der Mietwohnungen in Berlin wird definitiv sinken. Dümmer geht's echt nicht. Und das Ganze bei Mieten, von denen man in jeder anderen deutschen Grosstadt nur träumen kann.

    • 0G
      07301 (Profil gelöscht)
      @Thorsten:

      Ich denke, dass viele Artikel in dem geplanten Gesetz rechtswidrig sind. Mir fällt zB die Absenkmöglichkeit von im Einklang mit geltendem Recht vereinbarten Mieten ein, die jetzt populistisch und willkürlich als Wucher bezeichnet werden. Jedes Gutachten, welches dies untersucht hat (v.a. die von RRG) hat dies verworfen.

      Da rollt ein ordentlicher Aufwand auf alle zu (Verw.beh., Gerichte, Schadenersatz) - ganz zu schweigen von der jahrelangen Rechtsunsicherheit.

      Ich frag mich wirklich, ob es klug ist, nur noch Eigentum statt Miete zu forcieren. Aber vielleicht ist es tatsächlich der Plan, mit faktischem Zwang die Eigentumsquote in Berlin zu erhöhen.

  • So wird also in Berlin dem Kapitalismus ein Riegel vorgeschoben. Ob der Mietdeckel überhaupt was bringt, darüber können wir in 10 Jahren reden.



    Aber wo bleibt der Aufschrei, wenn sich die selben Politiker, die die Vermieter wegen Geld Optimierung ans Kreuz nageln, sich selber eine Diätenerhöhung von 60 % gönnen.



    Alle im Senat vertretenen Parteien ( außer der AFD ) waren sich da einig.



    Wasser Predigen und Wein trinken

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Deckel drauf ist wie Dreck unter Teppich gekehrt.



    Es läuft weiter so verkehrt.



    Nur in Berlin nicht. Grundrechte allerorts?

    Danke. Berlin baut eine Schranke.



    Alle nach Berlin. Gebet allerorts die Wohnungen auf den nimmt das Weiter So einen Deckellauf.

    Dumm nur das die Nettohaushaltsgelder nicht mehr werden. Und dumm das Miete bereits den Nutzanteil Abnutzung Renovierung Modernisierung schon bei Bezahlung enthielt. Dumm nur das bereits darauf Steuern gezahlt wurden. Dumm das Vermieter bereits Abgeschrieben hatte und Steuererleichterungen bekamen.

    Gut das Kapitalismus nicht ist. Jeder seine Fehler Risiken und Dreck selber frisst. Sondern wie Kapitalfaschist. Wenige mit Regierung und Politik ihren Dreck und Mist anderen unterschieben mit Tücke und List.

    Ciao Bella

    Wenn der letzte Euro dem letzten Haushalt aus der Tasche gezogen ohne das der Haushalt je betrogen. Wer hat den für Weiter So gelogen? Betrogen? Verbogen?



    Vielleicht wäre Sozialwohnraum für Hartz 4 besser in Bulgarien. Da bekäme ich für das Geld Vollverplegung und Meerblick.

  • 0G
    07301 (Profil gelöscht)

    Super! Endlich geht das Experiment los. Im Sinn aller sollte die Rechtssicherheit schnell hergestellt werden. Ich würde mir daher von allen Parteien einen Antrag auf Normenkontrollverfahren erwarten. Wahrscheinlich kneift RRG aber.

    Um einmal einen anderen Folge als in Stockholm oder Lissabon zu haben, wäre es toll, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit feststellt (zB mangelnde Kompetenz, Eingriff in Grundrechte).

    Dann hätte man vielleicht eine andere Folge als nur die, dass es keine Mietwohnungen mehr gibt.

  • Sehr gut! Hoffe, dass das Gesetz durchkommt.

  • Schön für Bestandsmieter, schlecht für alle anderen. Die Mieten für Neubauten dürften damit nochmals steigen.

  • Schon etwas verwegen, das herumdoktern an Symptomen als epochal zu bezeichnen, ohne die Wirkung, die ohnehin nur kurzfristig ist, tatsächlich abschätzen zu können.

  • alleine achon der passus sich auf den Mietspiegel von 2013 zu beziehen wird von den Gerichten zerfleischt werden.Wenn schon was gemacht wird warum dann so stümperhaft 2013 auf 2022 beziehen das sind 9 Jahre ohne Inflattionsausgleich und die Anwälte werden noch genug andere Sachen finden gut die Mieter werden die Strafe nicht zahlen aber das Land Berlin bekommt eine aufgebrumt.

  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    Die Mieten generell einzufrieren trifft ausgerechnet die Vermieter am härtesten, die aus Fairness stets nur eine Miete am unteren Ende des Spektrums erhoben haben.