Mietenwatch legt Zahlen vor: Nachhilfe für die Politik
80.000 Wohnungsinserate wurden ausgewertet. Was die Zahlen von Mietenwatch für Mietdendeckel und rot-rot-grüne Koalition bedeuten. Ein Wochenkommentar.
BERLIN taz | Der Aufschlag kam zur rechten Zeit. Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche hat das Projekt Mietenwatch die Ergebnisse einer Wohnungsmarktanalyse veröffentlicht – vorab auch in der taz. Die Auswertung von 80.000 Wohnungsinseraten platzte damit auch in die Verhandlungen der rot-rot-grünen Koalition um den geplanten Mietendeckel.
Zwischen SPD, Linken und Grünen ist der Fahrplan für den Mietendeckel, der eigentlich am 15. Oktober im Senat beschlossen werden sollte, zuletzt ins Stocken geraten. Bremser sind vor allem die Sozialdemokraten, die die Möglichkeit, die Miete zu senken, wenn sie mehr als ein Drittel des Einkommens ausmacht, ablehnen. Nun soll eine weitere Sitzung des Koalitionsausschusses Kompromisse ausloten. Bei einer ersten hatten sich alle drei Parteien bereits über eine Senkung verständigt.
Dass der Deckel überfällig ist, zeigen die Zahlen von Mietenwatch. Vor allem bei Neuvermietungen liegen die Preise drastisch über den von Bausenatorin Katrin Lompscher in ihrem Gesetzentwurf formulierten Obergrenzen. Bei Altbauwohnungen etwa liegen die Angebotsmieten im Schnitt bei 14,81 Euro Kaltmiete pro Monat. Die Obergrenze dagegen beträgt 6,45 Euro. Vor allem Wohnungssuchende sind derzeit also einem komplett enthemmten Wohnungsmarkt ausgeliefert.
Kompromissentwurf der Grünen
Sie wären auch diejenigen, die am meisten von einem Mietendeckel profitieren würden, der keine Senkung der Bestandsmieten auf die Obergrenze vorsieht. Denn jede Wohnung, die neu vermietet wird, darf nicht über die Obergrenze hinausgehen. Wer also demnächst umziehen will, sollte warten, bis Deckel und Obergrenzen in Kraft sind.
Wer dagegen in einer völlig überteuerten Wohnung lebt, darf sich lediglich damit trösten, dass seine Miete fünf Jahre lang nicht weiter steigen darf.
Aber vielleicht sind die Zahlen von Mietenwatch ja auch bei den Berliner Sozialdemokraten angekommen. Ein Kompromissentwurf der Grünen liegt auf dem Tisch. Erst einfrieren, später dann absenken, lautet er. Wird er angenommen, können auch Bestandsmieter und -mieterinnen, die schon jetzt tief in die Tasche greifen müssen, auf eine Absenkung hoffen.
Leser*innenkommentare
Thorsten
Ich frage mich, wie die auf diese Zahlen kommen. Immobilienscout24 weist für das 2. Quartal 2019 eine durchschnittliche Angebotsmiete von 10,42 Euro pro Quadratmeter in Berlin aus. Kann man mit einem Klick recherchieren.
07301 (Profil gelöscht)
Gast
Die Studie von mietenwatch hat 2 systematische Fehler:
1) es umfasst nur online-Angebote auf immoscout. Hiervon nicht umfasst sind natürlich die meisten genossenschaftlichen, staatlichen und privaten Angebote, die "unter der Hand" erfolgen.
2) Es wurden täglich die Angebote automatisch gescreent. Dies führt dazu, dass viele Angebote mehrfach erfasst werden. Erstaunlicherweise sind teure Angebote allerdings länger online als günstige. Es findet also bereits hier eine Verzerrung statt.
Vielleicht sollte man dies den Förderern der Studie mitteilen...
doriang
@07301 (Profil gelöscht) Naja Herr Eder, was bringen die Angebote unter der Hand, wenn man keinen Zugriff hat. Oder es nur noch wie in der DDR über Beziehungen klappt.
Die Angebote auf Immoscout zeigen gut wohin die Reise bei einem ungesteuerten Markt gehen würde.
Gastnutzer 42
@doriang Aber genau dahin geht doch die Reise wieder, wenn ich den offenen Markt reguliere - Angebote jenseits des Marktes und unter der Hand nehmen zu.
Einen Lebensmittelschwarzmarkt kann ich auch nur unterbinden, indem ich genug Lebensmittel für alle anbiete.