Berliner Maßregelvollzug: Tod im Isolierraum
Trotz einer 24-Stunden-Überwachung ist ein Patient des Maßregelvollzugs im Isolierraum erstickt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft zu dem Todesfall.
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Der 27 Jahre alte Mann befand sich bisherigen Erkenntnissen zufolge in einem gesonderten Isolierraum. Dort werden Patient*innen untergebracht, die sich in akuten Krisensituationen befinden. In diesen Räumen ist eigentlich eine Bewachung rund um die Uhr durch Panzerglasfenster vorgesehen. Dennoch wurde sein Tod zunächst nicht bemerkt. Die Gesundheitsexpertin der Grünen, Catherina Pieroth, sagte dem RBB, ihren Informationen zufolge sei der Mann erstickt.
Erst Anfang April war in einer Station für Suchterkrankte in Buch ein 32-jähriger Mann nach dem Konsum eines Graffiti-Entferners gestorben. Auch hier ermittelt die Staatsanwaltschaft noch zur Todesursache, wie die Behörde auf Anfrage mitteilte.
Die für den Maßregelvollzug zuständige Senatsgesundheitsverwaltung erklärte gegenüber der taz, bei nahezu allen Todesfällen in der Einrichtung würden Obduktionen angeordnet, außer bei Suiziden. Es habe bislang noch keine Ermittlungen „in Bezug zu möglichen vom Maßregelvollzug verschuldeten Todesfällen“ gegeben. 2023 waren dort sechs, im Jahr davor acht Patient*innen gestorben, keiner von ihnen durch Suizid.
Chefarzt kündigte aus Gewissensgründen
In den Maßregelvollzug kommen Straftäter*innen, wenn ein Gericht sie als psychisch auffällig oder suchtkrank einstuft. In Berlin befindet sich die Einrichtung seit vielen Jahren in einer schweren Krise. Die Klinik ist überfüllt und leidet zugleich unter einem eklatanten Personalmangel.
Die Zustände sind so katastrophal, dass der Chefarzt und Vollzugsleiter Sven Reiners im April aus Gewissensgründen zurücktrat. Die Überbelegung habe „ein bisher ungekanntes Maß erreicht“, sagte er Zeit Online: „Teils müssen Patienten auf dem Fußboden schlafen.“
Es mangelt an Therapieangeboten
Derzeit sind im Maßregelvollzug 618 Patient*innen stationär untergebracht. Behördlich genehmigt sind 549 Betten. Immer wieder werden Patient*innen abgewiesen und vorerst im Justizvollzugskrankenhaus untergebracht, wo sie nicht angemessen versorgt werden können.
Doch auch im Maßregelvollzug selbst gebe es keine ausreichenden Therapieangebote, betonte der Linken-Gesundheitspolitiker Tobias Schulze gegenüber der taz: „Das medizinische Personal ist oft gezwungen, die Leute mit Medikamenten ruhigzustellen.“
Die Gesundheitsverwaltung versucht, die Krise mit weiterem Personal und mehr Betten zu lindern. Allerdings stockt die Besetzung der zusätzlich geschaffenen Stellen: Von den insgesamt 674 Planstellen waren Ende April 527 besetzt. Ein Fünftel ist also weiterhin vakant. Laut Gesundheitsverwaltung werden im Juni aber weitere Fachkräfte eingestellt.
In einem ehemaligen Abschiebeknast in Lichtenrade sollen außerdem 50 neue Betten entstehen. Doch der Umbau kommt nicht voran. Es würden noch Sicherungsmaßnahmen vorgenommen, sagte Schulze.
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