Berliner Clubszene: Clubben ist jetzt Hochkultur
In Berlin gelten Clubs nun als Kulturstätten und sind damit Theatern gleichgestellt. Das hat Vorteile – wenn denn irgendwann wieder getanzt werden darf.
Jetzt ist es offizell: Clubben ist in Zukunft in Berlin eine kulturelle Tätigkeit. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition hat im Berliner Abgeordnetenhaus den Beschluss gefasst, Clubs und Live-Musiklocations fortan nicht mehr als Vergnügungs-, sondern als Kulturstätten anzuerkennen. Bislang wurden Clubs etwa in Fragen des Baurechts oder des Lärmschutzes bewertet wie Spielhallen oder Bordelle, jetzt sollen sie auf eine Stufe mit Opernhäusern oder Theatern gestellt werden. Von dem Berliner Lobbyverband Clubcommission wurde diese Aufwertung schon lange gefordert, seit der Coronakrise zum besseren Schutz der Clubs vor drohender Verdrängung immer vehementer. Nun wurde dieses „Zeichen der Anerkennung an die Berliner Clubkultur“, so Georg Kössler, clubpolitischer Sprecher der Grünen, von der Berliner Politik gesendet.
Eineinhalb Jahre lang habe er an seinem Antrag gearbeitet, so der Grünen-Politiker. Am Ende wurde er von der Koalition beschlossen und von der CDU, die erst einen eigenen Antrag formuliert hatte, mitgetragen. Nur von der AfD nicht und auch nicht von der FDP, die sich nicht gegen einen Antrag der Partei auf Bundesebene stellen wollte, so Kössler.
Welche Auswirkungen der Beschluss genau haben wird, bleibt abzuwarten. Denn bei dem Bestreben, auf Bundesebene die Clubkultur zu stärken, was auch den Beschluss in Berlin sattelfester machen würde, konnte immer noch kein Durchbruch erzielt werden. Seit Monaten versucht ein parteienübergreifendes „Parlamentsforum Clubkultur“ Innenminister Horst Seehofer (CSU) dazu zu bewegen, bei der sogenannten Baunutzungsverordnung Änderungen vorzunehmen. Bislang ohne Erfolg. Er hoffe, so Kössler, dass sich hier im Laufe des nächsten Jahres doch noch etwas bewege, „spätestens dann aber in der nächsten Legislaturperiode“.
In der bundesweit geltenden Baunutzungsverordnung werden Clubs also weiterhin als Vergnügungs- und nicht als Kulturstätten angesehen. Kössler nennt den Vorstoß der Berliner Koalition, Clubs in Zukunft dennoch anders zu bewerten, als es die Baunutzungsverordnung vorsieht, „rein politisch“ und nicht als rechtlich wirkmächtig.
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Clubs müssten nicht mehr für Schallschutz bezahlen
Konkret bedeutet das: Die Neubewertung der Berliner Clubs ist erst einmal nicht mehr als eine Aufforderung an den Senat und die zuständigen Behörden, die Ausgehläden wie Kulturstätten zu behandeln. Bei Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen in Zukunft Clubs aufgrund ihrer nun zuerkannten kulturellen Bedeutung also auch in Wohngebieten erlaubt sein und nicht mehr bloß in Gewerbegebieten. Zudem soll das sogenannte Agent-of-Change-Prinzip zur Anwendung kommen. Das bedeutet, dass im Falle einer Neubebauung in unmittelbarer Nähe eines Clubs, etwa durch ein Hotel, nicht der bereits existierende Club für die Kosten einer eventuell nötig werdenden Verbesserung beim Schallschutz aufkommen muss, sondern der Bauherr der neuen Immobilie.
Das Ziel ist also klar erkennbar: Clubs sollen in der sich ständig verdichtenden Stadt vor Verdrängung geschützt werden und weiter in der Innenstadt sichtbar bleiben. Bei rechtlichen Auseinandersetzungen, etwa mit Anwohnern oder Investoren, reichen diese Bemühungen zugunsten der Clubs jedoch möglicherweise nicht aus, räumt Kössler ein, solange die Baunutzungsverordnung im Bund nicht angepasst wird.
Pamela Schobeß, Betreiberin des Kreuzberger Clubs Gretchen und Vorstandsvorsitzende der Clubcommission, begrüßt dennoch den Vorstoß der Regierungskoalition, und zwar eindeutig. „Das ist das richtige Signal, um nun eine Änderung der Baunutzungsverordnung auf Bundesebene hinzubekommen“, sagt sie, „Berlin geht mit extrem gutem Beispiel voran und wir hoffen, dass der Bund jetzt endlich aufwacht.“ Sie verspricht sich durch die Aufwertung der Clubs noch weitere Vorteile: Diese „können sich jetzt zum Beispiel eher um Kulturförderprogramme bemühen, was bislang schwierig war, weil wir eben nicht als Kultur galten“.
Und nicht zuletzt wird nun auch verstärkt für die Clubs das gelten, was sich das Berghain bereits vor vier Jahren vor Gericht erkämpft hat: Sie werden als politisch anerkannte Kulturstätten mit kuratiertem Programm nur noch 7 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen müssen und nicht die 19 Prozent, die sie als Vergnügungsstätten berappen müssen.
Schnelltests in Griffweite
Klingt eigentlich alles so, als könnten für die Berliner Clubkultur jetzt herrliche Zeiten anbrechen. Wenn da nur nicht diese Pandemie wäre. Denn Kulturstätten hin oder her: Bis auf Weiteres werden die frisch geadelten Clubs wohl geschlossen bleiben. „Niemand weiß, wie lange das noch dauert mit Corona“, sagt Pamela Schobeß, „und niemand weiß, wie genau es bei einer Besserung der Lage dann weitergeht. Wir werden ja nicht irgendwann das Signal bekommen: So, ihr dürft jetzt wieder aufmachen und alles ist wie vorher.“
Der Impfstoff wird kommen, das macht auch ihr Hoffnung. Und die Coronaschnelltests, von denen sich die Clubcommission einiges verspricht, werden auch immer genauer. In welcher Form diese eine baldige Neueröffnung der Clubs begünstigen könnten, ist auch für Georg Kössler jedoch noch unklar: „Der 1. FC Union, die Theater, alle wollen gerade Schnelltests, um wieder Zuschauer zulassen zu können. Ich sag es mal so: Wenn diese in die Massenproduktion gehen und wenn der 1. FC Union mit diesen operieren darf und die Deutsche Oper, dann wird deren Einsatz auch bei den Clubs möglich sein.“ Und er fügt dann noch hinzu: „Wir haben diese ja immerhin gerade als Kulturstätten anerkannt.“
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