Berlinale, Karneval und „Friedensdemos“: Bussis und woanders wird gestorben
Wer ist größerer Infektionstreiber, die Coronale aka Berlinale oder Karneval? Gleichzeitig dreht Söder frei und das Morden in der Ukraine geht weiter.
D ie Coronale geht in die zweite Woche. Die Berlinale meine ich natürlich, auf der eine Coronaparty nach der anderen gefeiert wird: Bussi, Bussi, wer will noch mal, wer hat noch nicht? Hier ist meine Kippe, da mein Glas und dort mein Schnodder – Virenschleudern aller Länder, vereinigt euch! Oder frei nach Wilhelm Busch: „Dass sie von dem Aerosole / eine Portion sich hole / wofür sie besonders schwärmt / wenn die Krankheit aufgewärmt.“
Unsere Berlinalefreundin war bei meiner Frau zu Besuch, ich bin so lange in meine kleine Wohnung zurückgezogen, die meine ukrainischen Gäste nach zehn Monaten hier wiederum Richtung Dnipro verlassen haben. Für sie kein guter Zeitpunkt, dem jedoch praktische Zwänge zugrundeliegen. Doch für mich kam diese Ringtauschmöglichkeit gerade zur rechten Zeit, denn ich war leider einmal mehr Corona-positiv. Da wollte ich die beiden Damen natürlich nicht anstecken. Das sollen sie schon bitte selbst tun, dafür sind die Berliner Filmfestspiele schließlich da.
Am Montag und Dienstag wetteiferte das Festival noch in harter Konkurrenz mit dem Karneval. Dessen aufgrund vieler Freiluftveranstaltungen geringeres Infektionspotenzial macht er locker durch Masse wett. Wo sich Millionen Bützchen geben, fällt auch für Freund Covid sein ungesundes Scherflein ab.
Am Aschermittwoch war dann alles vorbei. Freigetestet hatte ich mich am Vortag, nun drehte in Passau ein Volkstribun frei: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zog beim politischen Aschermittwoch der CSU fett vom Leder. Im Angesicht von 74.000 Alkoholtoten im Jahr („Bavarian way of life“) warnte er vor der Legalisierung von Cannabis und der düsteren „Woke-Wolke“, die „unseren weiß-blauen Himmel zu verdunkeln droht“.
Höhnender Volkstribun
Die Ampel-Koalition verhöhnte er als „schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte“, was im Umkehrschluss ja implizit nur heißen kann: „Unter Adolf war nicht alles schlecht“, so wie ich es in meiner Jugend selbst noch häufig von Älteren zu hören bekam. Solche NS-Zombies hatte ich nämlich auch als Lehrer, bevorzugt für Geschichte. „Den Bock zum Gärtner machen“, würde man das heute nennen, damals war es Normalität.
Während hier gefeiert wurde, wurde woanders gestorben. Vor allem in den Erdbebenregionen in der Türkei und in Syrien, sowie in der Ukraine. Hier war die große Frage zum am 24. Februar sich erstmals jährenden Überfall Russlands: Was fällt den Russen „zur Feier“ dieses Tages wohl ganz besonders Fieses ein?
Denn ein symbolträchtiges Datum wie das einjährige Jubiläum ihres Terrorangriffs lassen sie üblicherweise nicht ungenutzt verstreichen. Schließlich stehen in Dnipro und anderswo noch immer ein paar Wohnhäuser, und die gut geschmierte Mordmaschinerie läuft bei solchen Gelegenheiten stets auf besonders hohen Touren; es wirkt, als begingen Mörder ihre Silvesterparty mit einem todbringenden Feuerwerk.
Putinflüsterer am Brandenburger Tor
Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses gab es noch nichts Außergewöhnliches zu vermelden, man tötet und zerstört halt so routiniert vor sich hin. Doch einen vergleichbaren Anlass haben sich die Verbrecher bislang noch nicht entgehen lassen. Dahinter steckt ein Mindset, wie es schon der Polizeipsychologe „Fitz“ in der Krimiserie „Cracker!“ erwähnt: Niemand ist sentimentaler, selbstmitleidiger und pathetischer veranlagt als Mörder. Vor sich und anderen versuchen sie, so ihre Taten zu adeln.
Eher nicht gespannt bin ich darauf, wie anderntags die Putinflüsterer auf ihrer „Friedensdemo“ erwartbar Forderungen an die Angegriffenen und deren Unterstützer stellen, den Aggressor, der sowieso nicht verhandeln will, dabei aber weitgehend außer Acht lassen. Die Empathie endet am eigenen Weinkeller. Zu denen fallen mir nur Körperteile ein, auf die ausgesprochen selten die Sonne scheint – kleiner Tipp: Die Achselhöhlen sind es nicht.
Kaum war ich wieder gesund, traf es dann leider unsere Coronalefreundin – so hatte auch sie dann noch ihren persönlichen Aschermittwoch. Das breit verkündete Ende der Pandemie haben wir uns jedenfalls anders vorgestellt. Gesünder irgendwie.
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