Berlinale – Was bisher geschah (8): Kein Genre, nirgends
Warum zum Teufel gibt es ihn nicht, den deutschen Genrefilm? Darüber diskutierten namhafte Regisseure und Autoren auf einem Berlinale-Podium.
Dem deutschen Genrefilm geht es prächtig. Zumindest, was Til-Schweiger-Komödien und Sonntagabend-Krimis betrifft. Aber düstere Thriller, atmosphärische Horrorfilme, visionäre Science-Fiction, eskapistische Fantasy? Mit souveränem Auftritt, aufregend und anregend? Den filmischen Traditionen, der sozialen Wirklichkeit, dem Publikum verpflichtet? In Deutschland nahezu Fehlanzeige.
Schon ein einzelner Wettbewerbsbeitrag wie Sebastian Schippers Bankraubdrama „Victoria“ bildet da eine so herausstechende Ausnahme, dass der in einem einzigen Take gedrehte Film nicht nur wegen seiner ambitionierten Produktion, sondern insbesondere auch als Genrefilm diskutiert wird.
Wegen dieser klaffenden Leerstelle brachte sich im Kino Babylon zum nunmehr dritten Mal die „Genrenale“ augenzwinkernd grimmig in Stellung. Im Jingle hackt ein Ninja dem Berlinale-Bären den Kopf ab – als ob das arme Tier was dafür könnte.
Nur Einzelfälle
Am Donnerstag diskutierte dort ein mit Autoren, Regisseuren und Produzenten prominent (sowie rein männlich) besetztes Podium über Storytelling im und Identität des deutschen Genrefilms. Und darum ging’s: Warum zum Teufel gibt es ihn nicht, den deutschen Genrefilm? Gelegentliche Solitäre wie „Victoria“ ergeben noch kein Genrekino, das sich durch rege Arbeitskontinuität auszeichnen würde.
Viele der Gründe kennt man: Ohne Fernsehsender keine Produktion, und die Sender wünschen Primetime-Material, FSK ab 12. Und schon sind Horror und Thriller höchstens noch als fauler Kompromiss im Spiel. Ohnehin sei mit Horrorfilmen mangels Publikumszuspruch kaum etwas zu reißen, meinte Regisseur Rainer Matsutani, dessen „Zimmer 205“ im Kino ziemlich unterging.
Ein „Brecher“
Wenig Aufbruch, viel Ratlosigkeit. Es geht ums Sich-Einrichten: Wie mit Redaktionen umgehen, welche Strategien verfolgen? Spannend waren Abgleiche zwischen Dominik Graf, Deutschlands gefeiertem Polizeifilm-Regisseur, und Till Kleinert, dffb-Absolvent, der im vergangenen Jahr den queeren Horrorfilm „Der Samurai“ vorlegte.
Graf hoffte auf einen „Brecher“, der mit Wucht eine Schneise für das Genre in den Mainstream schlägt. Kleinert vertrat die subkulturelle Position: Faszinierend sei Genre immer dann, wo es transgressiv ist, Ausblicke in andere Welten biete. Ein solches Genrekino siedele traditionell an den Randgebieten. Nur nicht in Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit