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Berlin schaltet Gebäudebeleuchtungen abDer kleine Beitrag

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Berlin knipst die Lampen an vielen öffentlichen Gebäuden nachts aus. Schön. Aber es fehlt noch immer eine politische Antwort auf die Energiekrise.

Jetzt strahlt das Brandenburger Tor eben nur noch im Sonnenlicht Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

E s ist leicht, sich ein bisschen darüber lustig zu machen: Berlin schaltet die Beleuchtung vieler öffentlicher Gebäude ab, ließ Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), die auch für Verbraucherschutz zuständig ist, am Mittwoch verlauten. „Angesichts des Krieges gegen die Ukraine und der energiepolitischen Drohungen Russlands ist es wichtig, dass wir möglichst sorgsam mit unserer Energie umgehen. Das gilt auch und gerade für die öffentliche Hand“, sagte sie. Da ist er, der kleine Beitrag des Landes Berlin zur Energiekrise.

Klein ist dieser Beitrag in der Tat – so klein, dass er eher symbolisch zu nennen ist, weshalb man eben auch geneigt sein mag, über ihn zu schmunzeln: 13,9 Milliarden Kilowattstunden beträgt der Energiehunger dieser Stadt pro Jahr, weiß man beim Netzbetreiber Stromnetz Berlin. Durch das Ausknipsen von rund 1.400 Strahlern an Dom, Brandenburger Tor, dem Reiterstandbild Friedrich des Großen Unter den Linden sowie 197 weiterer Gebäude will das Land Berlin nun 200.000 Kilowattstunden davon im Jahr einsparen.

Peanuts, also – oder in einer Zahl ausgedrückt: 0,0014 Prozent des gesamten Energieverbrauch Berlins, Privathaushalte, Industrie und Gewerbekunden zusammengenommen. Etwas netter klingt es so: Der Einspareffekt entspricht in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von 100 durchschnittlichen Berliner Privathaushalten, weiß der Sprecher von Stromnetz Berlin. Wie hoch der Stromverbrauch der gesamten öffentlichen Verwaltung ist, kann die Umweltverwaltung auf Nachfrage nicht sagen.

Rundet man 0,0014 Prozent, ist man bei 0,00 Prozent – also bei nichts. Und dennoch: Dass Jarasch symbolisch das Licht ausknipst beim Alten Fritz reiht sich ein in die kleinen und Kleinst-Appelle an jede und jeden, die gerade Konjunktur haben: Licht aus machen zu Hause, wenn man den Raum verlässt (Berlins Regierende Franziska Giffey), Thermostate für die heimischen Heizkörper, überhaupt weniger heizen, und natürlich: kälter duschen, kürzer duschen.

Geste des Sparens

Wenn sich das Land Berlin nun mit dieser kleinen Geste des Stromsparens einreiht, ist das nur konsequent und prima. Was dabei allerdings noch immer fehlt: Eine politische Antwort darauf, wie man die Energiekrise eben nicht (nur) als die Privat-Angelegenheit von jeder und jedem begreift.

Wirtschaftlich ist das Ausknipsen der Strahler an Brandenburger Tor und Co. übrigens nicht

Die rot-grün-rote Koalition hat einen Energie-Nothilfefonds von 380 Millionen Euro angelegt, immerhin. Doch wie weit der reicht und wer davon profitiert: unklar. Man wartet wohl eher ab, was dem Bund noch einfällt – ob man sich dort womöglich tatsächlich noch zu einem Energiepreisdeckel durchringt, der bisher vor allem für Gas diskutiert wurde. Oder ob man die Gewinnmargen von Energiekonzernen höher besteuern könnte und mit diesen Einnahmen die Belastungen für die Ver­brau­che­r*in­nen senkt. Dem Land fehlt dafür die gesetzgeberische Kompetenz.

Wirtschaftlich ist das Ausknipsen der Strahler an Brandenburger Tor und Co. übrigens nicht: Das manuelle Abschalten koste in etwa so viel wie der Strom für die Beleuchtung pro Jahr, teilt die Umweltverwaltung mit, nämlich 40.000 Euro. Aber darum geht es wohl auch nicht. Sondern um die Botschaft, den Spar-Appell, an sich.

Kleines Manko übrigens dabei: Viele dürften zumindest jetzt in den Sommermonaten gar nicht viel von dieser Botschaft bemerken: Bisher wurde per Zeitschaltuhr „bei Einbruch der Dunkelheit angeschaltet und gegen 23 Uhr abgeschaltet“, teilt die Umweltverwaltung mit. Das heißt: Besonders lange war die Lampe am Brandenburger Tor gerade eh nicht an. Vielleicht geht der Koalition ja dafür bis zum Herbst noch ein Licht auf, wie man Symbolpolitik tatsächlich in Verbraucherschutz übersetzt.

Hinweis: In einer frühreren Version dieses Artikels hieß es, die Abschaltung bei der Gebäudebeleuchtung entspreche dem Verbrauch von 10 Berliner Durchschnitts-Haushalten. Tatsächlich sind es 100 Durchschnitts-Haushalte.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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7 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Sehr gut.



    Auch ich atme jetzt deutlich flacher, damit ich nicht so viel CO2 in die Umwelt puste.

  • Hm, hm allet ganz richtig hier.



    manuelle Abschalten = Verbrauch im Jahr



    Wie das?



    H.C. Ströbele brachte auch- beleuchtete Werbung aus- ins Spiel.

  • "Wirtschaftlich ist das Ausknipsen der Strahler an Brandenburger Tor und Co. übrigens nicht: Das manuelle Abschalten koste in etwa so viel wie der Strom für die Beleuchtung pro Jahr, teilt die Umweltverwaltung mit, nämlich 40.000 Euro". "Bisher wurde per Zeitschaltuhr „bei Einbruch der Dunkelheit angeschaltet und gegen 23 Uhr abgeschaltet“, teilt die Umweltverwaltung mit. Das heißt: Besonders lange war die Lampe am Brandenburger Tor gerade eh nicht an."

    Wieso kostet denn das Abschalten der Lichter am Brandenburger Tor per Schaltuhr 40.000 Euro und muß manuell erfolgen? Ist die Schaltuhr vielleicht defekt? Eine Erneuerung der Schaltuhr ist sicher günstiger als 40.000 Euro.



    Wo bleibt die große Liste der Verwaltung für den nötigen Pressetermin?

    Darüber hinaus kann die Verwaltung z.B. bei Ihren Glasbauten die Beleuchtung in den Glasaufzügen ausschalten. Dem wurde bislang immer aus gestalterischen Gründen widersprochen (auch bei Tageslicht!). Auch könnte die Lichtverschmutzung durch Anstrahlen der Gebäude abgeschaltet werden und Strom gespart werden.



    Gibt es denn noch immer Warmes Wasser in der städtischen Verwaltung zu Berlin? Werden denn die Bäder immer noch beheizt.



    Wann kommt das Verbot von mobilen öl- oder gasbeheizten Heizzentralen bei städtischen Bauvorhaben? In der Schweiz ist das schon seit vielen Jahren Standard.



    Nicht warten - Taten!

  • Den aktuellen Peicher-Füllständen nach fehlen noch immer Hinweise auf die Existenz einer "Energiekrise". Im Gegensatz zu einer offensichtlich politisch gewollten Energiepreiskrise, die unzählige Menschen im Land in existentielle Nöte und den Energiekonzernen Rekordgewinne bringt. Und auf den Ukrainekrieg selbstverständlich exakt Null Einfluss hat.



    Demnächst gibt's dann noch 5c pro kW/h extra als Zwangsgeschenk made by Habeck (quasi der große Bruder des Lindner'schen "Tankrabatts")- da wünscht sich kein fossiler Lobbyist einen Gasgerd zurück...

  • RS
    Ria Sauter

    In der Stadt, in der ich lebe, sind nun einige Rolltreppen abgeschaltet. Sie laufen nur noch in einer Richtung.



    Auch sehr sinnvoll.

    • @Ria Sauter:

      Da hatte man am BER mehr Weitblick. Da gibt es oft nur Rolltreppen in eine Richtung (aufwärts).

  • Der DFB lässt jetzt die Pokalspiele der ersten Rund eine Minute später anpfeifen, um Werbung für's Energiesparen über die Lautsprecheranlage des Stadions zu machen. Und danach ein Fußballfest unter Flutlicht zu feiern.



    Ohne Wort.