Berichterstattung über Werder Bremen: Digitalisierung killt Journalismus
„Weser-Kurier“ und „Kreiszeitung“ denken über eine Kooperation bei der Werder-Berichterstattung nach. Die PR-Macht des Vereins ist zu groß geworden.
Demnächst könnte es noch ruhiger für sie werden: Dann stellen auch noch zwei große Regionalzeitungen ihren Wettbewerb um die beste Werder-Berichterstattung möglicherweise ein. „Es trifft zu, dass der Weser-Kurier auf uns zugekommen ist und wir mit dem Verlag über eine mögliche Zusammenarbeit verhandeln“, sagt Hans Willms, Chefredakteur der Kreiszeitung aus Syke, der taz. Noch sei aber nichts unter Dach und Fach.
Zuerst hatte das Lokalmagazin buten&binnen berichtet, dass der Weser-Kurier seine Werder-Bremen-Redaktion zum Jahresende auflösen wolle und mit der Kreiszeitung über eine enge Zusammenarbeit in der Berichterstattung über den Fußball-Bundesligisten verhandele.
Das ist der letzte Akt, mit der der Weser-Kurier ein Millionen-Projekt abwickelt, das er vor gut drei Jahren startete. Über die im Spätsommer 2017 mit großem Aufwand aufgerüstete App „Mein Werder“ sagte der damalige Chefredakteur Moritz Döbler dem kress-Report noch im Juni 2018: „Wir wollen erreichen, dass der Werder-Fan sagt: ‚Wenn ich etwas über Werder wissen will, dann reicht mir diese App, da steht alles drin.‘“
Christoph Bertling, Medienwissenschaftler
Die eigens dafür eingestellte elfköpfige Redaktion produzierte die Inhalte unter dem Motto „Digital first“ zunächst für die App, bevor eine Auswahl auch auf der gleichnamigen Zeitungsseite landete. Dass für die App auch Inhalte konkurrierender Angebote aufbereitet wurden, sorgte im Presseraum von Werder Bremen zwischenzeitlich für dicke Luft unter den Journalisten.
Entgegen Döblers Erwartungen waren die Werder-Fans nicht bereit, für das Abo-Modell genug zu bezahlen. Bereits Anfang 2019 wurde die Redaktion auf vier Redakteure verkleinert, kurz darauf die App in „WK Flutlicht“ umbenannt und zum 1. Oktober 2020 ganz eingestellt.
Die tägliche Werder-Seite in der Zeitung erscheint vorerst weiter, den vier verbliebenen Redakteuren soll laut buten&binnen aber gekündigt worden sein. Zwei von ihnen hätten vor dem Bremer Arbeitsgericht Klage eingereicht, die beiden anderen würde in die Nachrichtenredaktion wechseln.
„Eine Vereins-App einer Regionalzeitung ist ein mutiges Projekt, das aber ein paar Haken hat“, sagt Christoph Bertling, Medienwissenschaftler an der Sporthochschule Köln, der taz. „Dazu gehören die hohen Fixkosten, die sich nur über eine hohe Reichweite amortisieren lassen. Und die ist bei einem regionalen Angebot begrenzt.“ Für den Weser-Kurier kam erschwerend hinzu, dass es mit der „Deichstube“ der Kreiszeitung ein Konkurrenzangebot gibt, das kostenlos zur Verfügung steht.
Laut Bertling ist bei der Digitalisierung der Sportberichterstattung das Investment der Vereine viel mächtiger und strategischer als das der Verlage. „Profivereine versuchen immer stärker, ihren digitalen Content unter unternehmerischen Gesichtspunkten zu publizieren“, sagt er. „Damit erobern sie Bereiche, die vorher dem Journalismus vorbehalten waren. Es prallen zwei Welten aufeinander: die eine versucht, sich zu retten, die andere weitet sich aus.“
Ein Rettungsversuch für die journalistische Begleitung des Profifußballs in der Region könnte nun in der Bündelung der verlegerischen Ressourcen legen. „Wir schließen es nicht aus, dass die Beiträge unserer Redakteure eines Tages vielleicht auch im Weser-Kurier erscheinen“, sagt Kreiszeitungs-Chefradakteur Hans Willms.
Medienwissenschaftler Berling schätzt es allerdings im Hinblick auf Meinungsvielfalt und Unabhängigkeit kritisch ein, „wenn unter dem Deckmantel verschiedener Titel der gleiche Inhalt erscheint“. Diese Tendenz, die Medienwissenschaftler Content-Syndication nennen, greift auch in der Sportberichterstattung immer mehr um sich.
Der Weser-Kurier hat sich bislang nicht öffentlich zu seinen Plänen geäußert. Ein Kooperationsangebot an die taz liegt nicht vor.
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