Berichterstattung mit Qualität: Gegen rechte Pseudojournalisten
Die spanische Regierungspartei ergreift Maßnahmen gegen rechte Störer. Die haben Pressekonferenzen des Parlaments genutzt, um Fake News zu verbreiten.

Die Mehrheit der spanischen Parteien ist es leid. Immer wieder sprengen rechtsextreme Agitatoren die Pressekonferenzen im Parlament. Sie sind als Journalisten eingeschrieben, arbeiten jedoch nicht für herkömmliche Medien, sondern für Internetportale und Social-Media-Accounts, die Hassbotschaften und Fake News verbreiten. Am Dienstag haben die regierenden Sozialisten (PSOE) nun eine Änderung der Geschäftsordnung des Unterhauses vorgelegt.
Dieser neuen Geschäftsordnung nach sollen Störungen und Provokationen bestraft werden können. Beispielsweise mit einem zeitweiligen Ausschluss von der Pressekonferenz oder sogar dem Entzug der Akkreditierung, also der Zulassung zur Konferenz. Eine parlamentarische Mehrheit für die Änderungist sicher. Denn bis auf die konservative Partido Popular (PP) und die rechtsextreme VOX sind alle Fraktionen dafür – von Sozialisten über linksalternative bis hin zu regionalen Parteien und Provinz-Nationalisten, egal ob links oder rechts der Mitte.
Abbruch nach massiven Störungen
„Dies ist das Haus des Wortes, der Demokratie. Hier können wir Hass und Verfolgung Andersdenkender nicht zulassen“, stellte der Sprecher der sozialistischen Fraktion, Patxi López, die Änderung der Geschäftsordnung vor. Noch am selben Tag musste er wegen ständiger Zwischenrufe eines als Journalisten akkreditierten Teilnehmers eine Pressekonferenz sogar abbrechen. Der vermeintliche Journalist hatte durch sein Verhalten einen geregelten Konferenzablauf unmöglich gemacht. Auch er arbeitete für ein „Pseudomedium“. So nennen die Kritiker der beschriebenen Online-Auftritte diese Accounts. Nach dem Abbruch der Pressekonferenz verließ López den Saal, alle Journalisten von seriösen Medien folgten ihm.
Ähnliches ereignete sich schon im Februar auf einer Pressekonferenz des kleineren der beiden Koalitionspartner, dem linksalternativen Bündnis Sumar. Deren Sprecherin Verónica Martínez Barbero wurde von einem bekannten Agitator der rechtsextremen VOX, der als Journalist eingeschrieben war, regelrecht niedergebrüllt. Die anwesenden Journalisten verließen die Pressekonferenz. 80 Pressevertreter versammelten sich als Zeichen des Protestes vor dem Haupteingang des Gebäudes. Es war dieser Vorfall, der letztendlich zur Debatte über eine neue Geschäftsordnung führte.
PP und VOX bezeichnen die vorgeschlagene Änderung als „Zensur“ und verteidigen die Vertreter der „Pseudomedien“. Mitglieder der beiden Parteien sind in den Pressekonferenzen allerdings auch nicht die Zielscheibe der Pseudojournalisten. Diese bezeichnet PSOE-Pressesprecher López als „homophob, klassistisch und rassistisch.“ Auch wenn manche Politiker die Störer verteidigten, seien diese keine Journalisten. „Sie sind Aktivisten und bedienen sich der Stigmatisierung, der Verfolgung und verbaler Gewalt“ fügt er hinzu.
Pressekonferenz als Bühne für Fake News
Die fragwürdigen Journalisten sind über kleine Onlinemedien im Parlament akkreditiert. Diese Portale haben sich darauf spezialisiert zu polarisieren und Fake News zu verbreiten. Oft sind es falsche Anschuldigungen, die dann wiederum von rechtsextremen Organisationen für Klagen vor ihnen wohlgesonnenen Richtern, genutzt werden. PP und VOX nutzen diese Ermittlungen dann in der politischen Debatte. Wenn die Verfahren Monate später eingestellt werden, ist der Schaden angerichtet. Viele dieser „Pseudomedien“ leben von Werbegeldern rechter Regional- und Kommunalregierungen.
Die großen JournalistInnenverbände Spaniens und die Vereinigung der ParlamentsjournalistInnen (APP) unterstützen die Maßnahme, die die Sozialisten nun vorgeschlagen haben. Bei der Protestversammlung vor dem Kongress nach der gesprengten Pressekonferenz von Sumar lasen mehrere APP-Mitglieder ein Manifest vor. Sie prangerten „Beleidigungen und Anschuldigungen“ in den sozialen Netzwerken durch die rechten Agitatoren an. Diese würden „die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens nicht respektieren“ und sogar „damit drohen, unsere Wohnanschriften preiszugeben“, heißt es in dem Manifest. „Mit ihrem Verhalten behindern sie die Arbeit der Beschäftigten der Medien und stören das Klima des Respekts, das den notwendigen Umgang mit Politikern prägen muss.“ All das habe direkte und negative Auswirkungen auf das verfassungsmäßige Recht der Bürger auf Information, betont die APP.
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