Berichte über russische Bitte an China: Taktisches Kalkül der USA
Angeblich hat Russland von China militärische Hilfe erbeten. China nennt das Fake News – die Beziehungen zu den USA sind am Tiefpunkt.
G leich mehrere angelsächsische Medien haben berichtet, dass die russische Führung bei ihrem strategischen Partner in Peking nach militärischer Hilfe angefragt haben. Dabei beziehen sie sich auf anonyme Quellen innerhalb der US-Regierung. Vom chinesischen Außenministerium wurden die Artikel wenig überraschend als „fake news“ kritisiert. Interessant dabei ist, dass Sprecher Zhao Lijian die Anschuldigung streng genommen nicht formal dementiert hat.
Doch ganz gleich, ob es wahr ist: China würde momentan unter keinen Umständen Russland Waffen für den Krieg in der Ukraine liefern. Denn eine solche Aktion wäre eine regelrechte Steilvorlage für die USA und Europa, Peking in diesem Konflikt wirtschaftlich zu sanktionieren. Das jedoch möchte Staatschef Xi Jinping unter allen Umständen vermeiden.
Das einzig denkbare Szenario für einen militärischen Rettungsanker von China nach Russland wäre es, wenn das Putin-Regime kurz vor dem Zusammenbruch stünde. Derzeit sieht es jedoch ganz im Gegenteil nach wie vor so aus, als ob die russische Armee trotz starkem Widerstands der ukrainischen Bevölkerung ihre militärischen Ziele großenteils erreichen kann. Auf eine „Rettungslieferung“ aus Peking ist Moskau also nicht angewiesen.
Tatsächlich sollte man die Berichte vor allem als taktisches Kalkül der Amerikaner bewerten, die Chinesen in eine defensive Position zu manövrieren. Ob der Plan aufgeht, bleibt fraglich: In China ist man deutlich verschnupft darüber, dass Washington regelmäßig während kritischer Zeitpunkte Interna an die Presse durchsticht.
Derzeit befinden sich die angespannten Beziehungen der zwei Weltmächte ohnehin an einer Gabelung: Eine weitere Eskalation ist jederzeit möglich. Ob das Treffen zwischen Sicherheitsberater Jake Sullivan und dessen Gegenüber am Montag in Rom für ein wenig Entspannung gesorgt hat, werden wir möglicherweise erst in den kommenden Wochen und Monaten erfahren – angesichts der festgefahrenen Fronten möchte derzeit keine der zwei Seiten ein Zurückweichen der eigenen Position öffentlich zugeben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen