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Bericht zum WohnungsbauNur 27.000 neue Sozialwohnungen

Mieterbund und Opposition kritisieren die Wohnungspolitik der Bundesregierung als unzureichend. Minister Horst Seehofer sieht andere in der Pflicht.

Es werden zu wenig Sozialwohnungen gebaut Foto: dpa

Berlin dpa | Der soziale Wohnungsbau in Deutschland verharrt trotz einer Milliardenförderung des Bundes auf niedrigem Niveau. Das geht aus einem Bericht des Bundesbauministeriums hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Danach wurden im vergangenen Jahr bundesweit 27.040 geförderte Sozialwohnungen neu gebaut. Das sind nur 809 Wohnungen mehr als 2017. Nach Einschätzung des Mieterbundes wären jährlich rund 80.000 zusätzliche Sozialwohnungen nötig, um den Bedarf zu decken. Die Opposition kritisierte die Wohnungspolitik der Bundesregierung scharf. Bundesinnen- und –bauminister Horst Seehofer (CSU) betonte, die Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung liege ausschließlich bei den Ländern.

Für die sogenannte Wohnraumförderung hatte der Bund den Ländern im vergangenen Jahr erneut rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Das Geld floss dem Bericht zufolge in die Förderung von etwa 12.000 Eigenheimen, in die Modernisierung von knapp 18.000 Wohnungen mit Mietpreisbindung sowie in den Neubau von rund 27. 040 Sozialwohnungen.

Diese rund 27.000 neuen Wohnungen verteilen sich regional sehr unterschiedlich: In Mecklenburg-Vorpommern wurden nur 68 neue Sozialwohnungen gefördert, in Sachsen-Anhalt 20, im Saarland war es keine einzige. In Bayern und Nordrhein-Westfalen waren es hingegen jeweils mehr als 6.000 neue Wohnungen, in den teuren Stadtstaaten Berlin und Hamburg jeweils über 3.000.

Für die sogenannte Wohnraum-förderung hatte der Bund den Ländern im vergangenen Jahr erneut rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt

Da staatlich bezuschusste Wohnungen nach einiger Zeit aus der Sozialbindung fallen, sank die Gesamtzahl der Sozialwohnungen trotz Neubauten auf bundesweit 1,219 Millionen. Im Jahr 2006, als die Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Länder überging, waren es noch rund 2,1 Millionen gewesen.

Die Linke fordert deshalb mehr Geld vom Bund. „1,5 Milliarden Euro reichen für eine Trendwende im sozialen Wohnungsbau nicht aus“, beklagte Linke-Fraktionsvize Caren Lay. „Der soziale Wohnungsbau bleibt das Stiefkind der Wohnungspolitik der Bundesregierung.“ Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Christian Kühn, bezeichnete die neuen Zahlen als „Armutszeugnis“ für Seehofer. „Die Mieten in Deutschland steigen und steigen, und beim sozialen Wohnungsbau herrscht Stillstand.“

Seehofer hingegen nimmt die Länder in die Pflicht. Er erklärte, insgesamt stünden fünf Milliarden Euro Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung. Gemeinsam mit den Mitteln von Ländern und Kommunen könnten damit über 100.000 Sozialwohnungen gebaut werden. Er rechne fest damit, „dass die Länder die Förderung durch den Bund aus den eigenen Haushaltskassen deutlich aufstocken und in den sozialen Wohnungsbau investieren“.

Der Sozialverband VdK verlangte, die Gelder für den Wohnungsbau deutlich aufzustocken. „Wir brauchen deutlich mehr Sozialwohnungen. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist schon jetzt prekär. Viele Menschen müssen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Miete aufbringen“, kritisierte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Nötig seien deutlich mehr Finanz- und Fördermittel für die Schaffung von barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum.

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8 Kommentare

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  • In Deutschlands Großstädten fehlen fast zwei Millionen bezahlbare Wohnungen. Allein in Berlin fehlen 310.000 bezahlbare Wohnungen und in Hamburg 150.000 Sozialwohnungen. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie von Stadtsoziologen der Humboldt-Universität Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Jahr 2018.

    Im vergangenen Jahr wurden also bundesweit 27.040 geförderte Sozialwohnungen neu gebaut. Toll, dann fehlen ja nur noch 1.972.960 Sozialwohnungen.

    Wir haben 860.000 Wohnungslose in Deutschland, davon sind 52.000 Menschen, laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, obdachlos - leben also schon auf der Straße. So sieht es in diesem reichen Land wirklich aus, das Europas Exportweltmeister ist und in dem man als Manager das 300-fache Jahresgehalt einer Krankenschwester bekommen kann, wenn man mit der Gier nach immer mehr Wirtschaftswachstum die Natur und das Klima zerstört.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Dass Herr Seehofer andere in der Pflicht sieht, hat seit langem Methode. Ob Flüchtlingskrise 2015, Der Fall Unmaaßen, jetzt der Wohnungsbau. Der Spätherbst seiner politischen Karriere zeugt von nichts Anderem als von einer Melange aus Tiefschlaf und Verhinderung angemessener Handlungen.

    Vermeiden wir es, schlafende Hunde zu wecken. Solange sie nichts tun, können sie auch nichts falsch machen.

    Im Falle von Herrn Seehofer kann nichts Besseres passieren, als dass er nichts macht.

    Schlafe weiter, bayerischer Problembär ...

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Es würde den Wohnungsmarkt deutlich entspannen, wenn man die 40 wichtigsten Hochschulstädte verpflichten würde, binnen 5 Jahren für mindestens 60% ihrer Studenten Wohnheime zu bauen. Das ist schnell umsetzbar, kostet vergleichsweise wenig und hat einen enormen, mittelbaren Einfluss auf die Miethöhe des Rests der Bevölkerung.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Der Staat gehört zu den Kunden, welche am häufigsten die ohnehin zeitlich sehr in die Zukunft taxierten Zahlungsfristen für ihre Rechnungen überschreiten. Die Firma meiner Jugendfreundin stand deshalb schon mal kurz vor dem Konkurs, weil die Mitarbeiterlöhne im gleichen Monat bezahlt werden müssen und sie so naiv war, vom deutschen Staat Aufträge anzunehmen.

  • Erschreckend ist eigentlich die Ideenlosigkeit der Akteure. "Mehr Geld!" in Zeiten zu fordern, in denen Baufirmen bereits auf Monate ausgebucht, Planungsbüros an der Belastungsgrenze und Bau- und Aufsichtsbehörden in permanenter Überforderung sind, bezeugt das Nicht- Verstehen des Problems. Mehr Geld wäre höchstens dort sinnvoll, wo es an der Erreichbarkeit zwischen den reichlich vorhanden, bezahlbaren Wohnungen und den Arbeitsorten hapert. Also bei der Anbindung und Aufwertung der Peripherie an die Metropolen und bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten. Ansonsten finanzieren wir in 20 Jahren wieder den Rückbau von Wohnraum in den völlig verbauten, unattraktiv gewordenen urbanen Zentren.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Der Staat erweist sich nicht nur hier als Minderleister, denn dort herrschen keine Leistungs-, sondern Versorgungsverträge beim handelnden Personal.

  • Den Missbrauch von Sozialwohnungen durch Besserverdiener kann man wirksam beenden, indem man die Standards deutlich senkt.

    Die Versuchung, eine Grossstadt-Sozialwohnung mit Balkon, Badewanne und moderner Einbauküche aus der Sozialbindung fallen zu lassen und für viel mehr Geld weiter zu vermieten, ist für den Vermieter einfach zu gross.

    Eine Alternative wären 10-qm-Wohneinheiten mit Bett, Schrank, Tisch und Stuhl, pro Etage mit Gemeinschaftsküche/-dusche und -WCs für alle. Das beugt Schimmelbildung, Wasserschäden und Schädlingsbefall vor. Familien können auf mehrere Wohneinheiten verteilt werden.

    Als ich von Hamburg in die Schweiz kam, habe ich hier während der Probezeit ebenfalls in einer solchen Einrichtung gelebt (PrimeStay) und die Gesellschaft und zentrale Lage der Unterkunft genossen.

    Gerade Sozialfälle sollten nicht mit ihren Problemen allein gelassen werden. In einem sozialen, WG-ähnlichen Umfeld hilft man einander, lernt neue Kulturen kennen, findet Freunde und lernt, sich anzupassen und einzugliedern.

  • Der soziale Wohnungsbau ist eine Sackgasse. Denn das traditionelle Modell ist keine nachhaltige Lösung. Das Problem ist das im Artikel angesprochene "aus der Sozialbindung fallen". Wenn das nämlich passiert, machen Großinvestoren richtig Kasse. Sozialer Wohnungsbau ist staatlich subventionierter Privatwohnungsbau mit sozialer Zwischennutzung. - diejenigen, die in Betongold investieren können, werden also zusätzlich noch staatlich gefördert. Damit muss endlich Schluss sein. Was es braucht ist staatlicher Wohnraum (in dauerhaft kommunalem Besitz), bei gleichzeitiger demokratischer Kontrolle durch die BewohnerInnen.