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Bekennerschreiben der VulkangruppeMehr als Revolutionspoesie?

Vieles, was die „Vulkangruppe“ Elon Musk und Tesla vorwirft, könnte man als starken Tobak abstempeln. Doch ist auch faktenbasierte Kritik dabei?

Brandenburg, Grünheide, 6.3.2024: Strommast mit Brandspuren nahe der Tesla-Fabrik Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | „Jeder Tesla, der brennt, sabotiert die imperiale Lebensweise und zerstört faktisch das immer enger werdende Netz einer lückenlosen smarten Überwachung jeder menschlichen Lebensäußerung.“ Dieser Satz aus dem am Dienstag verbreiteten und inzwischen als echt beurteilten Bekennerschreiben der „Vulkangruppe Tesla abschalten“ klingt nach Revolutions­poesie, ist möglicherweise justiziabel – und außerdem ziemlich starker Tobak. Andererseits – und auch wenn man den Anschlag auf einen Strommast, der die Tesla-Fabrik im Osten Berlins noch Tage lahmlegen wird, nicht gutheißt: Was ist eigentlich dran an den deftigen Vorwürfen der mutmaßlich linksextremen Vereinigung?

Einiges. Ob Tesla-Chef Elon Musk ein „Technofaschist“, die „komplette Zerstörung der Giga­factory“ ein „Schritt auf dem Weg der Befreiung vom Patriarchat“ ist und die in Brandenburg produzierten Teslas „Kriegsgerät“ sind, wie die Au­to­r*in­nen schreiben, ist natürlich Ansichtssache. Allerdings: Es stimmt, dass die Tesla-Fabrik „Erde, Ressourcen, Menschen, Arbeitskraft frisst“, um „dafür 6.000 SUVs, Killermaschinen und Monstertrucks pro Woche“ auszuspucken. Wobei man hier einschränkend sagen muss: Das Werk in Grünheide produziert seit Sommer 2021 allein das vollelektrische Mittelklasse-Coupé Model Y – kein klassisches SUV, also ein familientauglicher Geländewagen. Und auch keine Lkws.

Ist Tesla nur „ein Symbol für grünen Kapitalismus“, wie die Au­to­r*in­nen schreiben? Schwierig. Einerseits ist der „grüne“ höchstwahrscheinlich nachhaltiger als der aktuelle „fossile Kapitalismus“. Andererseits: Wie nachhaltig E-Autos sind, hängt stark vom Strommix und ihrer Lebensdauer ab. Laut Studien benötigen sie bei der Produktion bis zu 130 Prozent mehr Energie als Benziner oder Diesel. Die notwendigen Batteriezellen kommen zudem oft aus China, Japan oder Südkorea, wo viel mit fossiler Energie produziert wird. Der CO2-Fußabdruck der E-Autos ist also bei der Produktion höher als der von Verbrennern. Im Fahrbetrieb können die Stromer das jedoch relativ schnell wieder ausgleichen. Fakt ist: Auch E-Autos produzieren klimaschädliches CO2. Ob sie, wie die Au­to­r*in­nen schreiben, nur einen „Ausweg aus der Klimakatastrophe suggerieren“, ist also zumindest umstritten.

Dass die Autoproduktion das „Grundwasser verseucht“, ist so auch nicht verifiziert. Allerdings: Tesla hatte dem brandenburgischen Landesamt für Umwelt im vergangenen September bereits 26 Öko-Unfälle gemeldet, darunter acht Brände sowie ausgelaufene Chemikalien wie Epoxidharz, Hydrauliköl, Farben, Lacke oder Dieselkraftstoff. Zudem entdeckten Prüfer auf dem riesigen Werksgelände angeblich eine illegale Tankstelle für Diesel, die unter einem weißen Partyzelt versteckt war. Gefährlich, denn die Fabrik steht größtenteils auf Trinkwasserschutzgebiet. Allerdings schließen die Behörden eine Gefährdung des Trinkwassers dadurch aus. Bislang.

Tesla und das Trinkwasserproblem

Korrekt ist auch die Behauptung, dass Tesla „riesige Mengen der ohnehin knappen Trinkwasserressource“ verbraucht. Brandenburg ist eine der dürrsten Regionen Deutschlands – und es hat ein Trinkwasserproblem. Der Fabrik steht jährlich ein Kontingent von 1,8 Millio­nen Kubikmeter Wasser zu, etwa ein Fünftel der aktuellen Trinkwasserförderung in der Gegend. Neue Schulen, Kitas oder Industriebauten können deshalb schon nicht mehr mit Wasser versorgt werden – die Entwicklung des Gebiets ist eingeschränkt.

Außerdem überschreitet das Sanitärabwasser der Fabrik mit ihren 12.500 Mitarbeitenden die Grenzwerte bei Phosphor und Stickstoff seit zwei Jahren um das nahezu Sechsfache. Der ­zuständige Wasserverband drohte Tesla deshalb bereits damit, die Abwasserleitung zuzudrehen.

Es stimmt auch, dass „ein großer Teil der Bevölkerung rund um Grünheide die Gigafactory wegen Wasserraub und Gentrifizierung“ ablehnt. Bei einer Bürgerbefragung in Grünheide stimmte vor zwei Wochen eine Mehrheit gegen die geplante Erweiterung des Tesla-Geländes, für die Wald gerodet werden müsste.

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10 Kommentare

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  • Sicher war das ein „Terroristischer Anschlag“. Unabhängig von dem Bekennerschreiben der Vulkangruppe und ihren Motiven zeigt der Anschlag wie verwundbar eine Industrienation ist. Der eigentlich Skandal ist der, dass es zeit Jahrzehnten bekannt ist wie fragil unsere Stromversorgung ist. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag veröffentliche in 2010 seinen Endbericht „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften - am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung“. Die großen Stromausfälle im Münsterland 2005, Niedersachsen 2006 und München 2012 waren auf Schlamperei und Unwetter zurückzuführen. Jetzt kommt die terroristische Komponente hinzu. Ein Anschlag auf die Energieversorgung wird als kriegerischer Akt bewertet. Leider ist seit Jahrzehnten keine Änderung zu erkennen gewesen um unsere Stromversorgung gegen Schlamperei, Unwetter und Terrorismus abzusichern. Wie das BAYERNWERK schon 1989 titelte „Im Prinzip geht alles, aber ohne Strom läuft nichts“.

  • "Einerseits ist der „grüne“ höchstwahrscheinlich nachhaltiger als der aktuelle „fossile Kapitalismus“."



    Hier fehlt der Kontext. Dieser ist die befeuerte Klimakrise und Massenaussterben der Tiere, damit Vernichtung der Lebensgrundlage, ein bereits extrem hoher Bestand an Autos in Deutschland bzw. weltweit, eine bereits riesige Produktionskapazität an Autos in Deutschland und eine gigantische Produktion an unzähligen anderen Gütern. Vor diesem Hintergrund wird anhand obigen Zitates in Kauf genommen, für ein bisschen kurzweiligen Luxus die Lebensgrundlagen zu riskieren. Dass neuproduzierte knapp 2 Tonnen schwere Autos zusammen mit unzähligen anderen Gütern nachhaltig sein können, ist eine Illusion und Lüge. Es scheint so, dass deutliche Zeichen wie fortschreitende Erhitzung mit zwangsläufig zukünftig lebensfeindlichem Klima sowie eine Dezimierung ganzer Arten (bspw. im Vergleich zu Anfang 1980er 75 prozentige Rückgang an Insekten) bzw. dessen Ausmaße und Bedeutung nicht realisiert bzw. ignoriert werden. Es wird sich in die eigene Tasche gelogen.

  • Jedes der benannten realen Probleme für sich gesehen wäre jeweils schon ein Grund, die Fabrik zu schliessen, bzw vor dem Bau gar nicht erst zu erlauben. Aber sie wurde gebaut... und den Menschen vor Ort geht das Wasser aus - schade! Da zeigt sich wohl, was wichtiger ist...



    Individuelle Mobilität auf batterieelektrischer Basis ist meines Wissen nicht möglich, die ganzen Ressourcen sind doch gar nicht da, die Strommengen, die verfahren werden sollen werden überall fehlen, es geht nicht weiter mit mit "immer mehr", schnallt das keiner?!

    Die e-Mobilität selbst scheint mir ein green washing Trick, um weiter wie gewohnt produzieren und konsumieren zu können. So, wie "wir" das die ganze Zeit gemacht haben. Eben so, "als gäbs kein morgen" - und darauf läuft's ja dann auch hinaus ... wohl bekomm's!

  • In einer sehenswerten Ankündigung der ARD-Mediathek auf Instagram www.instagram.com/...h=MzRlODBiNWFlZA== heißt es:

    》Wir haben ja den perfekten Sturm im Augenblick rund um Rohstoffe



    Und plötzlich sind Rohstoffe wieder ganz strategisch《 (es geht da wohl um Aserbaidschan)

    Bundeswirtschaftsminister Habeck hat zur Eröffnung der Tesla-Gigafactory in Brandenburg (22.03.2022)

    www.bmwk.de/Redakt...-habeck-tesla.html







    erklärt:

    "Der Tag, an dem eine Batteriefabrik für elektrische Fahrzeuge aufmacht, ist ein schlechter Tag für Putin und Putins Reichtum"

    Bei merkur.de lässt sich nachlesen: 》[...] oft wird übersehen, dass die Ukraine auch über viele verschiedene Arten der sogenannten kritischen Rohstoffe verfügt: Lithium, Kobalt, Titan, Beryllium und eine Reihe von Seltenen Erden“ [...] Deren kombinierter Wert werde auf 6,7 Billionen Euro geschätzt《 is.gd/VK64HT

    6,7 Billionen Euro!

    Und weiter: 》Im Juli 2021 hatte die EU eine Partnerschaft mit der Ukraine über eben diese kritischen Rohstoffe geschlossen. [...] „Im Herbst folgte eine erste Auktion, um Unternehmen die Möglichkeit zur Erkundung der Vorkommen zu geben. Im Februar 2022 folgte der russische Angriff《

    Hängt auch das mit Tesla zusammen? Wird gerade die Frage entschieden, ob es russische oder ukrainische Oligarchen sein werden, die dem Westen diese für die Energiewende so dringend benötigten Rohstoffe verkaufen würden?

    Wie ökologisch kann eine Energiewende überhaupt sein, die insgesamt - und in Grünheide speziell - als großindustrielles Wachstumsprojekt angelegt ist?

  • Lieber Kai Schönberg,



    Was an dem ersten von Ihnen zitierten Satz des Vulkanergusses "ziemlich harter Tobak" ist bleibt auch nach dem zuende Lesens des Kommentars Ihr Geheimnis.



    Für mich bleibt es durchaus ein Fakt das mit der Zunahme der neuen smarten filmenden Automobile und der zentralen Speicherung der aufgezeichneten Daten, die unkontrollierte Überwachung des öffentlichen Raums ohne rechtlichen Rahmen zunimmt, bzw. gegen unseren rechtlichen Rahmen verstößt.



    Auch wenn ich ungern auf Auto Motor Sport verlinke, folgender Artikel stellt die Problematik der ständig filmenden Autos doch recht gut da. In Kombination mit Gesichtserkennungssoftware sind die gesammelten Daten auf teslaservern gruselig beängstigend und der Sachverhalt der Darstellung des Vulkanergusses , ganz ohne Tobak, doch sehr nahe.

    www.auto-motor-und...odus-unterlassung/

    • @niko:

      ihr verlinkter artikel zeigt aber auch das mit rechtsstaatlichen mitteln dagegen erfolgreich angegangen werden kann. die vulkangruppe bevorzugt dagegen das abfackeln von teslas und ruft dazu auf. "In dem heimlichen Poesiealbum einer jeden Aktivistin sollte ein abgewrackter Tesla nicht fehlen. Kein Tesla auf der Welt soll mehr sicher sein vor unserer flammenden Wut. Jeder Tesla, der brennt, sabotiert die imperiale Lebensweise und zerstört faktisch das immer enger werdende Netz einer lückenlosen smarten Überwachung jeder menschlichen Lebensäußerung." das ist ganz sicher starker tobak.

      • @alterverwalter:

        Inwiefern dagegen erfolgreich mit den Mittel des Rechtsstaates angegangen werden kann wird die Zukunft zeigen. Aktuell ist es so das die Bevölkerung jeden teslahalter im strassenverkehr auf Verdacht anzeigen müsste, da der Halter für die Aufnahmen verantwortlich ist, auch wenn sie zentral gespeichert werden. Ich gehe nicht davon aus das lauter einzeanzeigen auf Verdacht von Erfolg gekrönt sind und somit die permanente Überwachung und aufzeichnung von unbeteiligten verhindert werden kann. Es gibt keinen vernünftigen Grund das Autos ihr Umfeld aufzeichnen und an irgendeinen Server senden. Das könnt auch verboten sein und diese Überwachungsmaschinen aus den Verkehr gezogen werden.

  • Allein schon die Tatsache, dass durch die Berichterstattung mehr Licht ins Dunkel der Tesla Machenschaften kommt, ist schon ein schöner Nebeneffekt dieses zugegeben, etwas radikalen Anschlags.



    Diese Typen wie Musk gehen über Leichen. Die Konsequenzen ihres Handelns ist ihnen völlig egal.



    Hierzulande wacht man, wenn überhaupt, nur auf, wenn Spektakuläres passiert.



    Nebenbei:



    Es heisst "Starker Tobak". Nicht "harter"!

    • Kai Schöneberg , Autor des Artikels, Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
      @ Christoph:

      Starker Tobak, natürlich! Danke, lieber Christoph, ist verbessert

  • müßig sich damit zu beschäftigen, selbst wenn etwas dahinterstecken sollte. In der Gesellschaft kommt nur Terror an, so etwas erfährt keine Unterstützung, solche Anschläge fallen auf alle zurück, die ernsthaft gesellschaftliche Veränderungen wollen (und mit den Anschlägen nicht im geringsten etwas zu tun haben). Da sind Leute am Werk, die nur am eigenen Ego als heroische Revoluzzer interessiert sind.